Lieferschwierigkeiten für Hardware

Solinger Stillstand: Neue Rettungswagen sind noch ungenutzt

Die neuen Rettungswagen auf der Wache an der Katternberger Straße. Mitte Mai sollen sie einsatzbereit sein.
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Die neuen Rettungswagen auf der Wache an der Katternberger Straße. Mitte Mai sollen sie einsatzbereit sein.

Seit Anfang des Jahres stehen in Solingen zehn neue Rettungswagen. Doch die konnten noch keinen Einsatz fahren. Satire-Video im Umlauf.

Von Björn Boch

Solingen. Die Solinger Feuerwehr hat zu Jahresbeginn zehn neue Rettungswagen (RTW) erhalten – die bislang kein einziges Mal eingesetzt worden sind. Der Grund laut Stadt: Verzögerungen bei Lieferung und Einrichtung der neuen Technik.

Ein Dienstleister arbeite derzeit „die offenen Punkte in enger Abstimmung mit Feuerwehr und Verwaltung priorisiert ab“, hieß es am Dienstag auf Anfrage. Die Arbeiten sollen noch bis Mitte Mai dauern.

Die Fahrzeuge im Gesamtwert von 2,3 Millionen Euro wurden gemäß Rettungsdienstbedarfsplan angeschafft und sollen alte Fahrzeuge ersetzen, die teils mehrere Hunderttausend Kilometer auf dem Tacho haben. Unter anderem bieten die neuen RTW elektronische Möglichkeiten, um Patienten in das Fahrzeug zu bringen – rückenschonend und kraftsparend für die Rettungsdienstler. 180 Menschen sind laut Stadt bei der Feuerwehr sowie Hilfsorganisationen bereits an den ergonomisch optimierten Fahrtragen geschult.

Vor allem die Gewerkschaft ärgert die Verzögerung: „In den alten Rettungswagen ist 20 Jahre alte Technik verbaut, die diese Unterstützungen nicht bietet“, so Siegfried Maier, Bundesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG), die ihren Sitz in Solingen hat. Dass die neuen RTW nicht einsatzbereit sind, bedeute für Kolleginnen und Kollegen wesentlich schwerere Arbeit und sei für sie und die Bevölkerung eine „nicht zu akzeptierende Lage“.

Rettungswagrn: Gewerkschaft der Feuerwehr fürchtet Schäden an Neuwagen durch Stillstand

Bei den Fahrzeugen selbst führt der Stillstand ebenfalls zu Problemen: So seien Schäden an den Neuwagen zu befürchten. Zum anderen steige mit jeder Woche die Gefahr, dass die alten, zu ersetzenden Fahrzeuge häufiger und länger ausfallen, so Maier. Das könnte zu Engpässen führen.

Es sei dringend notwendig, die neuen Fahrzeuge schnell in den Einsatz zu bringen. Zwar ließe sich nicht vermeiden, dass Rettungswagen auf die technischen Bedürfnisse der Standorte ausgebaut werden müssen. Maier: „Das ist überall so. Aber dies muss geplant und koordiniert werden. Es ist nicht zu verstehen, wieso der Ausbau mehrere Monate dauert.“

Laut Stadt wurden die Fahrzeuge in zwei Tranchen ausgeliefert: Fünf Fahrzeuge wurden kurz vor Weihnachten, fünf Fahrzeuge am 1. Februar 2023 abgeholt – „fairerweise sollte man die Schließung der Verwaltung über die Weihnachtsferien rausrechnen“, so Stadtsprecher Daniel Hadrys.

Neue RTW: Diese Hardware fehlt noch auf den Wagen

Die RTW werden mit Ambulance Pads ausgestattet – Hardware für den medizinischen Bereich, die in Kombination mit einer speziellen Software die elektronische Einsatz- und Notfalldokumentation ermöglicht. Hadrys: „Die neuen Ambulance Pads wurden in Abstimmung mit der Feuerwehr im Juni 2022 beim zentralen IT-Dienstleister der Klingenstadt Solingen bestellt.“ Der Hersteller konnte zu dem Zeitpunkt aufgrund der allgemeinen Lieferkettenproblematik keinen Liefertermin nennen.

Im Januar 2023 wurden die Ambulance Pads an die Feuerwehr ausgeliefert. „Dort zeigte sich weiterer Anpassungsbedarf, damit die Pads sicher und produktiv verwendet werden können“, erklärt Hadrys. Die Anforderungen an Betriebssicherheit, Datenschutz und Ergonomie bei IT-Systemen seien im medizinischen Bereich extrem hoch.

Klar ist: Ende des Jahres müssen die Wagen schon wieder in die Werkstatt. Zum einen werden RTW jährlich einer TÜV-Prüfung unterzogen. Zum anderen muss das Telenotarztsystem nachgerüstet werden. Vorausschauend, so die Stadt, sei die Technik für den Telenotarzt bereits vorbereitet worden. Zusammen mit den Partnerstädten starte im Mai dann ein Ausschreibungsverfahren.

Satirisches Video

Beim Rettungsdienst kursiert ein Video, in dem Probleme mit den Rettungswagen geschildert werden und das dem ST vorliegt. Zu dem weltberühmten Lachen des Komikers „El Risitas“, das im Internet häufig benutzt wird, um Absurdes zu bebildern, schildern Untertitel mehrere technische Schwierigkeiten. Zudem wird daran erinnert, dass Schulungen unter Zeitdruck hätten durchgeführt müssen – „jetzt fahren die immer noch nicht“. Die Verwaltung kennt das Video. Sprecher Daniel Hadrys: „Grundsätzlich hat es einen satirischen Charakter. Es werden Details überzogen dargestellt oder dramatisiert. Nicht alle Inhalte entsprechen der Wahrheit. Einige Zusammenhänge werden im falschen Kontext wiedergegeben.“

Kommentar von Björn Boch: Eigenverantwortung

bjoern.boch@solinger-tageblatt.de

Spätestens, als die Deutsche Presse-Agentur die Rettungswagenpanne am Dienstag aufgriff, war die Klingenstadt bundesweit in den Schlagzeilen. Nicht mit dem „Solinger Weg“ wie in der Corona-Schulpolitik, sondern mit dem „Solinger Stillstand“. RTW für 2,3 Millionen Euro stehen nur auf dem Hof, weil Technik angepasst werden muss. Nun können weder Feuerwehr noch Verwaltung globale Lieferketten beeinflussen. Wohl aber sollten alle Beteiligten analysieren, warum die Anpassung seit der Lieferung so viel Zeit benötigt.

Die Kritik der Gewerkschaft muss dabei ebenso ernst genommen werden wie die Mehrbelastung der Rettungsdienstler – oder die Tatsache, dass Schulungswissen verloren geht, je länger man es nicht anwenden kann. Der Rettungsdienst ist – trotz allgemeiner Vorgaben – Teil der kommunalen Selbstverwaltung. Und die Stadt Solingen betont bei anderen Gelegenheiten gerne, wie gut es doch wäre, könnten Kommunen mehr Dinge in Eigenverantwortung regeln.

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