Musik erzählt Geschichte von Verlust und Verlassen
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Die Band Jean Baker trat im Waldmeister auf
Von Julia Wodara
„Der Ort ist leer. Jede Menschenseele ist weitergezogen und hinterließ, was nicht tragbar schien“ – vor dieser an gotischen Horror erinnernden Prämisse trat die Band Jean Baker um Lin, Robin und Marvin im Kulturraum Waldmeister auf. Kernstück des rund 50-minütigen Sets ist ihr Debütalbum „Quiet Unsettling Noises“, das im vergangenen September erschienen ist. Es ist eine Geschichte von Verlust und Zurückgebliebenem, die sich in einem melancholischen Indie-Folk-Sound ausdrückt.
Ein passenderes Setting als der intime Waldmeister-Konzertraum ist dafür schwer zu erdenken: Rund dreißig Personen werden von dem Zimmer umschlossen – nahezu alle von ihnen gehören außerdem als Familienmitglieder, Bekannte, Freunde und Freundinnen zur Band. Und diese umfassende Intimität übertrug sich auf die Bühne: Vertraute Gespräche wandeln sich während des Konzerts zu respektvoller Stille im Publikum und kompletter musikalischer Hingabe der Band – außer einem leisen „Dankeschön“ lässt sie ihr gesamtes Set unkommentiert für sich sprechen.
Womöglich reiht sich das so auch in das größere Ziel ihrer Musik ein: Sie ist stets bedacht auf ihren erzählerischen Charakter. Die Bandmitglieder bezeichnen sich regelmäßig als Erzählerfiguren ihrer Geschichten, schließen sich so selbst unmittelbar in das Narrativ ihrer Musik ein. In der Ruhe, die das Konzert umgibt, kann dafür die nötige Immersion entstehen.
Möglicherweise scheint es selbstverständlich, dass die Musik selbst das Zentrum eines jeden Konzerts bildet – und auch hier überzeugt gerade der Einklang von Raum und Akustik; Stimmen und Instrumente können den gesamten Raum einnehmen, ohne die Verletzlichkeit zu verlieren, die so charakteristisch für den Auftritt der Band ist.
Doch die Musik ist auch untrennbar von der Atmosphäre, die sie umgibt – und die im Fall von Jean Baker womöglich noch wirkungsvoller ist. Denn die Arbeit der Band erscheint wie ein Gesamtkunstwerk. Wer die Gruppe auf ihren sozialen Medien verfolgt, wird erkennen können, wie sich mit jedem Beitrag – ob ausschließlich digital oder auch analog – ein einheitliches Bild formt: thematisch und ästhetisch.
Das Konzert erschien wie ein weiteres Glied dieses Werkes – im Bühnenbild reproduzierte es sogar einzelne Requisiten der bisherigen Arbeiten; nutzte sie als stilistische Mittel, um ihre Geschichte auszubauen: Mit dem langsamen Erlöschen der Lampe wird so auch der Konzertraum für einen Moment zu einem verlassenen.
Wer sich genauer für die visuelle Ästhetik der Band interessiert, ist auf ihren sozialen Medien gut aufgehoben. Insbesondere Lins Instagram-Seite bietet hier viel Material – als Tattookünstler kreierte er auch die visuelle Kunst hinter Jean Bakers Musik.