Schwere Krankheit

Methadon: Hoffnung für Krebspatienten?

Dr. Hans-Peter Holbeck in einer Gräfrather Apotheke mit einem Methadon-Fläschchen. Er schreibt dem Präparat großes Potenzial bei der Behandlung von Krebspatienten zu.
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Dr. Hans-Peter Holbeck in einer Gräfrather Apotheke mit einem Methadon-Fläschchen. Er schreibt dem Präparat großes Potenzial bei der Behandlung von Krebspatienten zu.

Solinger Arzt hat mit der Behandlung bereits beachtliche Erfolge erzielt.

Von Kristin Dowe

Solingen. Wenn Sabine Schwarz (Name von der Redaktion geändert) ihren Geburtstag feiert, ist es für sie etwas ganz Besonderes. Denn hätte sich vor gut sechs Jahren die Einschätzung der Ärzte bewahrheitet, wäre die Solingerin schon längst nicht mehr am Leben. Diagnose Brustkrebs. „Ich kam gerade aus einer beruflichen Besprechung, als man mir eröffnet hat, dass ich noch etwa sechs Monate zu leben hätte“, blickt die heute 57-Jährige zurück. Ihr Körper war damals bereits von Metastasen gezeichnet, der Krebs hatte gestreut. „Das war natürlich ein Riesenschock.“ Dass Sabine Schwarz heute ihre Geschichte erzählen kann, führt ihr Hausarzt Dr. Hans-Peter Holbeck zu einem großen Teil auf den Einsatz von Methadon zurück. „Alle anderen Therapien waren bei ihr fehlgeschlagen“, erinnert er sich. „Einen Versuch war es wert.“
Passend dazu: In Solingen gibt es mehr Krebstote als im Landesschnitt

In seiner Gräfrather Praxis behandelt Holbeck seit langem heroinabhängige Suchtpatienten mit dem Substitutionspräparat, das auch in der Schmerztherapie eingesetzt wird, sich bei der Bekämpfung von Krebs aber noch nicht etabliert hat. Das Potenzial von Methadon werde in der Behandlung von Krebspatienten zu Unrecht stark unterschätzt, ist der Arzt überzeugt. „Die Onkologen sind gespalten und auch viele Hausärzte trauen sich nicht, Methadon bei Krebs zu verschreiben. Dabei sind die Erfolge wirklich beachtlich.“

Methadon: „Eine Lotterie mit wesentlich höheren Gewinnchancen“

Entdeckt hat den medizinischen Hoffnungsträger die Ulmer Krebsforscherin Dr. Claudia Friesen, mit der Dr. Holbeck in den Anfängen der Behandlungsform in Solingen zusammengearbeitet hat. Kritiker des Ansatzes berufen sich laut Holbeck häufig auf die noch fehlende Studienlage. Umso größer sei der Forschungsbedarf zum Einsatz von Methadon in der Krebstherapie. Seine Erfahrung bei zahlreichen Patienten bestätige zumindest den Erfolg.

Eine Heilungsgarantie könne er damit natürlich keineswegs aussprechen, ist sich Dr. Holbeck bewusst. „Bildlich gesprochen ist es eine Lotterie mit wesentlich höheren Gewinnchancen.“ Auch die Nebenwirkungen seien überschaubar. „Bei höherer Dosierung kann es gelegentlich zu leichter Übelkeit oder Verstopfung kommen. Wichtig ist, diese nicht mit herkömmlichen Abführmitteln zu behandeln, da diese zu Kaliumentzug führen“, rät der Mediziner. Auch Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine dürften auf keinen Fall zusammen mit Methadon eingenommen werden. „Das kann tödliche Folgen haben.“

Generell sei der Einsatz von Methadon bei Krebs in keiner Weise vergleichbar mit der Dosis, die Suchtpatienten als Substitut für Heroin erhalten, macht der Arzt zudem deutlich. „Krebspatienten erhalten maximal drei Milliliter pro Tag. Bei Menschen, die substituieren, sind es bis zu 20 Milliliter.“ Mit einer Dosis von bis zu fünf Milliliter sei man außerdem weiterhin fahrtüchtig.

Weitere Vorteile seien eine schmerzlindernde sowie stimmungsaufhellende Wirkung des Opioids, das mit 30 Euro pro Monat relativ erschwinglich sei.

Wie bekämpft Methadon die Krebszellen im Körper?

Wie genau Methadon im Körper mutmaßlich Krebszellen bekämpft, könne die Wissenschaft aktuell noch nicht beantworten. „Vereinfacht gesagt hat eine Krebszelle mehrere Türen. Da sie eine böse Zelle ist, verschließt sie diese, so dass die Bestrahlung bei der Chemotherapie nicht durchdringen kann. Das Methadon öffnet die Zellen offenbar wieder. Wie genau das geschieht, muss noch erforscht werden.“

Derweil ist bei Sabine Schwarz die Angst vor der Rückkehr des Krebses zwar geblieben, doch hat die Solingerin mit der erfolgreichen Therapie neue Hoffnung geschöpft. „Mir wurden sechs Jahre geschenkt. Und das ist ein großes Wunder.“

Hintergrund

Noch gibt es keine klinischen Studien zur Kombination von Methadon und Chemotherapie, wohl aber vielversprechende Untersuchungen an Zellkulturen und Tieren sowie Analysen von Einzelfällen. Vor einem Hype von Methadon als „Wundermittel“ gegen Krebs warnt die medizinische Fachwelt und stuft das Opioid als lohnenswert für weitere Forschung ein.

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