Wochenkommentar

Meinung: Geht doch! Wie Solingen das Bürokratiemonster fesselt

stefan.kob@rga.de
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Seuchengefahr durch Streuselkuchen, Optik-Polizei gegen Photovoltaik - die zwei Beispiele aus Solingen zeigen ein Grundproblem unserer Gesellschaft, findet ST-Chefredakteur Stefan M. Kob. Die Resonanz der Solinger auf eine Aktion des ST macht ihm aber Mut, dass Eigeninitiative trotz aller Fesseln doch noch eine Chance hat.

Solingen. Das Bürokratiemonster lässt sich also doch einfangen. Über sein unheilvolles Wirken in Solingen hatten wir uns an dieser Stelle vor drei Wochen ausgelassen: Es schien alles zu erdrosseln, was an Bürgersinn in unserer Stadt gelebt und geliebt wird. Wie etwa, selbst gebackenen Kuchen zugunsten des Botanischen Gartens zu verkaufen. Die juristischen Mühlen zermahlten im Rathaus diesmal sehr schnell harte, unverdauliche Vorschriften - Monsters Lieblingskost - in kleine pragmatische Lösungen.
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So kann nun doch wieder Omas Kuchen im Botanischen Garten genossen werden, ohne dass die fleißigen ehrenamtlichen Bäckerinnen und Bäcker in keimfreien, überwachten Profibackstuben kneten und rühren müssen. So nämlich forderten es die amtlichen Kontrolleure, denen nach vielen Jahren wilden Kuchenverkaufs plötzlich aufgefallen war, welche Seuchengefahr im unkontrollierten Streusel lauert. Hätte es mal eine so aufmerksame Behörde bei den knusprigen Fledermäusen auf dem Markt in Wuhan gegeben! 

Nun lautet der Kompromiss: keine leicht verderblichen Torten mehr. Und beim hausgemachten Mohnstriezel warnt ab Sonntag vor dem Kiosk ein Schild, dass der Verzehr auf eigenes Risiko erfolgt. Das hört sich leichter an, als es ist. Denn in unserer Vollkaskogesellschaft ist die Verantwortung ja nicht weg, sie trägt nur ein anderer. In diesem Fall die Stadt. Wenn ein Kuchen wirklich einmal ernsthaft krank machte, wird unter Garantie als erstes gefragt: Wo waren die Kontrollen? Noch schlimmer, wenn der Missstand sogar vorher bekannt war.

Wir haben uns als Gesellschaft nun einmal entschieden, möglichst jedes Lebensrisiko durch immer mehr Vorschriften und schärfere Kontrollen auszuschließen. Was im übrigen nie klappen wird. Der einzige vernünftige Weg hieße: Eigenverantwortung. Davon bräuchten wir in der Stadt und in diesem Staat viel mehr, dann würde manches anders und besser laufen. 

Durch immer mehr Vorschriften und Auflagen gefesselt wird auch eine weitere Tugend, die Eigeninitiative. Wie beim abgelehnten Solardach auf dem Walder Stadtsaal. Aufgeschreckt vom überzogenen Drang der Denkmalschützer, alles Alte für die nächsten Jahrhunderte zu konservieren, statt alles fürs Überleben in den nächsten Jahrzehnten zu tun, lotet die Stadt doch noch mal einen Kompromiss zwischen Denkmalschutz und Energiewende aus.

Wohl haben die jungen neuen Besitzer des Stadtsaals bei ihrem Photovoltaikvorhaben nicht alles richtig gemacht - kein Wunder bei dem überkomplexen Netz an Vorschriften, in dem sich jeder Experte verheddert. Das Rathaus hat jetzt klar und nachvollziehbar dargelegt, wo es beim Antrag überall gehapert hat. Vorschlag: Solar-Novizen vorher an die Behördenhand nehmen und durch den Vorschriftendschungel führen. Etwa mit einer eigens dafür geschaffenen Anlaufstelle im Rathaus.  

Bürgersinn und Eigeninitiative haben nämlich letztlich dazu geführt, dass am Freitag eine kleine Touristenattraktion eingeweiht werden konnte: die neue Messerbrücke über die Wupper in Glüder. Hätten nicht vor fünf Jahren Bürger und Unternehmen beherzt fast hunderttausend Euro für die ST-Aktion gespendet - diese wichtige Wegeverbindung für Wanderer und Radfahrer wäre niemals gebaut worden.

Auch wenn die Spenden angesichts des millionenteuren Baus letztlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein scheinen: Ohne sie hätte die notorisch klamme Stadt das Problem der Wupperquerung an dieser Stelle einfach ausgesessen. Schließlich gibt es ja mit nur wenigen Kilometern Umweg eine richtige Brücke mit Straße! Wieviel Priorität der Neubau im Rathaus genoss, mag man allein daran erkennen, dass die Strohner Brücke schon im Sommer 2016 gesperrt werden musste.

Zusammengebrochen ist schließlich nichts - außer dem Glauben, dass Solingen aus seinem Tourismuskapital jemals eine Rendite erzielen wird. Doch nun ist das Wunder im Wanderland geschehen - dank derjenigen, die sich dafür stark gemacht haben. Welche tollen Wanderungen nun wieder möglich sind, lesen Sie hier.

Die Top-Themen auf solinger-tageblatt.de in dieser Woche: 

Schulzentrum Vogelsang: Nach massiven Elternprotesten verwirft die Stadt ihre Umzugspläne.

Der Dachschaden ist schlimmer als befürchtet. Wie es jetzt im Kulturzentrum Cobra weitergeht.

Hier wird in Solingen in den Mai getanzt – eine Übersicht.

Heiratsantrag auf dem Tafelberg: TSV-Fußballer und seine Verlobte erfüllten sich mit einer besonderen Weltreise einen Lebenstraum.

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