Andacht im ST

Leiden gehört zum Leben dazu

Christian Lerch ist Pfarrer in der Lutherkirchengemeinde. Mit seinem Team bereitet er eine Andacht für Karfreitag, 7. April, 15 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Höhscheid vor.
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Christian Lerch ist Pfarrer in der Lutherkirchengemeinde. Mit seinem Team bereitet er eine Andacht für Karfreitag, 7. April, 15 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Höhscheid vor.

Theologen laden zur Andacht ein – heute der evangelische Pfarrer Christian Lerch.

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute in drei Wochen ist Karfreitag. Natürlich sind die Vorbereitungen für diesen Tag in unserer Gemeinde schon längst im Gange. Dabei fragte mich eine Mitarbeiterin: „Müssen wir in der Kirche den Karfreitag eigentlich so schwermütig feiern? Geht das nicht auch fröhlicher?“ Ich kann sie verstehen. Karfreitag ist tatsächlich traurig. Kein schöner Feiertag. Und ich bin mir sicher: Die Frage bringt zum Ausdruck, was noch viele andere Menschen genauso empfinden. Das war schon ganz am Anfang der Christenheit so, dass so etwas von außen schwer verständlich war. Der Apostel Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth (1. Korintherbrief 1,18): „Die Botschaft vom Kreuz erscheint denen, die verloren gehen, als eine Dummheit. Aber wir, die gerettet werden, erfahren sie als Kraft Gottes!“

Gut sieben Wochen im Jahr nehmen wir uns als Kirche Zeit, über den Weg Jesu ans Kreuz nachzudenken. Lesen Texte von Abschied, Verleugnung und Trauer. Die Frage ist ja berechtigt, warum wir das machen. Es gibt doch wirklich schönere Passagen aus den Evangelien. Inspirierende Bibelgeschichten. Oder wunderschöne, poetische Psalmen.

Ja, natürlich! Und das alles hat auch seine Zeit und auch seine Orte. Aber Leiden gehört eben auch zum Leben dazu. Auch wenn wir das gerne verdrängen würden. Nur können wir das nicht immer. Ich denke an andere Menschen, die mir in der letzten Zeit begegnet sind. An die Frau, die ihren Ehemann begraben musste, nachdem sie ihn lange gepflegt hat. An den Sohn, der sich um seine kranke Mutter sorgt. An den Bekannten, der selbst mit einer schweren Krankheit zu kämpfen hat. An all die Menschen, die sich wünschen, dass ihr Leid überhaupt erst einmal von jemandem wahrgenommen wird. In solchen Situationen gibt es wenig Schlimmeres als Menschen, die dann – vielleicht aus eigener Hilflosigkeit – abwiegeln und bagatellisieren: „Ist doch alles nicht so schlimm.“ Doch! Manchmal ist es schlimm und das muss man auch sagen dürfen.

Christian Lerch

Leid zu verdrängen, ist eine denkbar schlechte Möglichkeit, damit umzugehen. Denn das belastet die Seele noch zusätzlich. Dieses Gefühl, dass man gar nicht zugeben darf, wie es einem wirklich geht. Schon deshalb ist es gut, auch Zeiten dafür zu reservieren, in denen das Leid nicht gleich beiseitegeschoben wird, sondern in denen man lernen kann, auch schmerzhafte Erfahrungen zuzulassen und zu bearbeiten. Und das tut auch meinem Glauben gut. Auch für meinen Glauben brauche ich Orte und Zeiten, an denen ich mich dem Leid stellen kann und muss. Gerade in den Passionsberichten der Evangelien erlebe ich einen Gott, der dem Leid nicht aus dem Weg geht. Auch seinem eigenen Leid nicht. Denn hier sehe ich nicht nur einen mitleidigen Gott, der fern im Himmel sitzt und unserem Leid tatenlos zusieht. Ich sehe einen mitleidenden Gott. Der selbst leidensfähig ist. Der auch weiß, wie ich mich fühle, wenn ich leide. Karfreitag ist kein schöner Feiertag. Aber ein wichtiger!

Und zu guter Letzt gehört zur Passionszeit ja eben auch, dass sie dann mit Ostern endet. Mit der Botschaft, dass das Leid nicht das letzte Wort hat. Dass Menschen auch durch schmerzhafte Erfahrungen hindurchkönnen, ohne daran zu zerbrechen. Dass Gott den Tod schlussendlich besiegt.

Ich wünsche uns allen noch eine gesegnete Passionszeit. Dass uns die Texte und Rituale nicht runterziehen, sondern helfen, mit Leid umzugehen, ohne es verdrängen zu müssen. Und dann nach einer bewusst erlebten Passionszeit ein umso fröhlicheres Osterfest.


Ihr Pfarrer Christian Lerch

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