Zum 30. Jahrestag des Brandanschlags

Junges Ensemble startet dramatische Zeitreise

Aus verschiedenen Perspektiven betrachtet das Stadt:Kollektiv den Solinger Brandanschlag in ihrem Theaterstück.
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Aus verschiedenen Perspektiven betrachtet das Stadt:Kollektiv den Solinger Brandanschlag in ihrem Theaterstück.

Düsseldorfer Schauspielhaus wagt theatralische Aufarbeitung des rechtsextremistischen Solinger Brandanschlags 1993.

Von Philipp Müller

Solingen. Der Torbogen des Rathauses an der Cronenberger Straße wird zum Gerichtssaal. Verhandelt wird der rechtsextremistisch motivierte Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993. Gesprochen wird das Urteil gegen vier junge Solinger, die fünf Solinger Frauen und Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund ermordeten. Das junge Ensemble Stadt:Kollektiv des Düsseldorfer Schauspielhauses führt die Szene ab dem 15. April mehrfach in Solingen auf. Sie ist Teil des von der Schauspielgruppe teilweise selbst entwickelten Stücks „Solingen 93“. Bis in den Juni hinein wird das Schauspielhaus das Stück aufführen.

„Solingen 93“ ist Bestandteil der neuen Ausrichtung des Gedenkens an den Solinger Brandanschlag. Diese hatte Mevlüde Genç im vergangenen Sommer angeregt. Die Ende Oktober 2022 verstorbene Botschafterin der Aussöhnung und ihre Familie hatten gemeinsam mit der Stadt Wege und Möglichkeiten besprochen, das Gedenken über das reine Ritual hinaus weiterzuentwickeln. Die Opfer, ihr Leid, die rassistischen Hintergründe des Brandanschlags sollen sichtbarer werden. Vor allem sollen den jüngeren Generationen, die nach 1993 geboren wurden, die antirassistischen Lehren aus dem Brandanschlag vermittelt werden.

Das macht das Düsseldorfer Stadt:Kollektiv mit einem ganz besonderen Theaterabend, der zugleich – so der Untertitel – „Eine theatrale Busreise in die Vergangenheit“ ist. Die startet in Düsseldorf in der Nähe des Hauptbahnhofs. Birgit Lengers, Dramaturgin des Stücks, erklärt: „Das wird fast wie eine Butterfahrt nach Solingen.“ Es geht in die Stadt der Klingen mit ihrem Weltruf. Doch das vor dem Hintergrund der frühen 1990er Jahre. Es werde bereits im Bus auch der Brandanschlag thematisiert.

Nach rund 30 Minuten Fahrt wird der Walter-Scheel-Platz erreicht. Vor dem Rathaus stoßen die Besucher von „Solingen 93“ dazu, die auf die Busfahrt verzichtet haben. Nun geht es in verschiedenen Erzählsträngen weiter. Die Teams „Tatnacht“, „Verfassungsschutz“ oder auch „Familienstimme“ greifen verschiedene Ebenen des Geschehens auf. Nach Szenen rund ums Rathaus geht es über die Untere Wernerstraße am Ende in die Anlage Bärenloch.

Nicht nur Wandern und Schauen sind Teil der Aufführung. Bereits im Bus startet Multimedia. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) spricht. Wer eine Eintrittskarte kauft, erhält per E-Mail Hinweise, wie man in die digitale Begleitebene des Stücks einsteigt. Ein Telegram-Kanal spielt eine Rolle, Audiobotschaften gibt es. Dazu sollen Kopfhörer getragen werden. Am Ende führen die Erzählebenen wieder zusammen.

Das Ensemble von Stadt:Kollektiv setzt sich dabei nicht aus Profis zusammen. Regisseur Bassam Ghazi erklärt aber, dass den Projektteilnehmern viele Theaterkniffe vermittelt würden. Projekt bedeutet dabei auch, nicht nur etwas nachzuspielen, auch die Entwicklung des Stücks ist zentral. Finn Leon Çam und Len Königs haben Solinger Wurzeln. Der 27- und der 24-Jährige berichten während der Proben in Solingen, dass sie das alles besonders berühre. Zur Entstehung wurden Interviews mit Solinger Zeitzeugen geführt, berichtet Königs. „Viele Details waren mir nicht bekannt, das war krass emotional.“ Çam sagt: „Es ist mir bewusst geworden, wie wichtig Erinnerungskultur ist.“ Und der Prozess der Verarbeitung des Brandanschlags war für ihn ebenfalls eine emotionale Ausnahmesituation: „Wir haben bei den Proben heulend am Tisch gesessen.“

Termine und Tickets

Termine: Die Premiere am 15. April ist bereits ausverkauft. Jeweils rund 50 Zuschauende können die folgenden Termine besuchen. Start ist jeweils um 18 Uhr am Central in Düsseldorf, Worringer Straße 140, und dann um 18.30 Uhr am Walter-Scheel-Platz.

Tickets: Für die Termine ab dem 18. April gibt es teilweise noch Restkarten, erst ab Mitte Mai sind noch für weitere Vorstellung ausreichend Tickets für 10 Euro frei. Einen Überblick über die Termine und freien Tickets gibt es im Internet unter:

https://t1p.de/hxsne

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