Kabarett

Applaus für René Sydow und sein bestechend kluges Programm

Nur 50 Zuschauer – das war war für René Sydow eine ganz klare Steilvorlage.
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Nur 50 Zuschauer – das war war für René Sydow eine ganz klare Steilvorlage.

Kabarettist bracht die „Heimsuchung“ auf die Bühne des Kleinen Konzertsaals.

Von Jutta Schreiber-Lenz

Solingen. Dass nur gut 50 Zuschauer in den Stuhlreihen des Kleinen Konzertsaals saßen, war für René Sydow eine Steilvorlage für den Anfang: 50 verbliebene Intellektuelle, die willens und in der Lage seien, zwei Stunden lang ausformulierten Sätzen zuzuhören, sei großartig, lobte er die aus seiner Sicht „aussterbende Spezies der Denkenden“. Wer ginge heutzutage noch ins politische Kabarett und nicht lieber zu Vergnügungen der immer größer werdenden bildungsfernen Schicht wie zu Bierbörsen oder Oktoberfesten.

Womit er mitten im Redefluss seines aktuellen Programms war, in dem er mit geschliffenen und wohlgesetzten Worten reichlich austeilte. Zum Beispiel an die Politiker, und zwar quer durch alle Parteifarben. „Wir Satiriker konnten uns in früheren Zeiten an Profil-Größen wie Strauss, Kohl, Schmidt oder Brandt abarbeiten.“ Die heutigen Protagonisten Merz, Spahn, Lauterbach, Scholz oder Habeck bräuchten keine Bearbeitung, die seien von selbst Kabarett.

Die Gesellschaft sei kein „Wir“ mehr

Mit atemberaubenden Tempo, Spielfreude und im Dialog mit dem Publikum eilte Sydow von Seitenhieb zu Seitenhieb. Dabei bekam, anknüpfend an sein verbales Lob fürs Kommen, der heutige Drang zu Selbstoptimierung- und Inszenierung ein vernichtendes Zeugnis. Heutzutage gehe es den Menschen nicht mehr um Bildung und Wissen, sondern um ökonomisierte Selbstdarstellung, die sich umgreifender Dummheit und Gedankenlosigkeit Tür und Tor öffne. Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok trügen zu der sich immer weiter verbreitenden Oberflächlichkeit bei. „Alle rennen in Muckibuden, um den Körper zu trainieren, und versäumen darüber, auch ihren Geist zu schulen.“ Der scheinbar auf ewig geltende Satz „Mens sana in corpore sano“, stimme nicht mehr. „Denn beim Geist hapert es allzu oft.“

Die Gesellschaft sei kein „Wir“ mehr, sondern bestünde aus „Ichen“. Gut ablesbar sei das auch im Umgang mit älteren Menschen oder solchen, die krank sind. Den Pflegenotstand gebe es doch nicht erst seit Corona. „Diesen Zynismus, das Gesundheitswesen durch striktes Betriebswirtschaftlichkeitsdenken unmenschlich und allmählich auch sichtbar unfunktionierbar zu machen, gibt es seit Jahrzehnten.“

Das Publikum lauschte, schmunzelte und lachte. Viel Applaus gab es am Ende nicht nur für die nachdenkenswerte und brillante Gesellschaftsanalyse eines schlauen Kopfes – sondern für die unterhaltsame, selbstironische Art, sie ins Publikum zu bringen.

Beifall auch für einen Kabarettisten, der durchaus Freude an Kalauern und Wortwitzen hat und auch schon mal in die Kiste mit tiefschwarzem Humor greift: „Wenn sich jemand am Bahnhof aufhängt, ist das dann ein Pendler?“

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