Mein Blick auf die Woche
Kommentar: Solingen und das Auto - das Verhältnis ist kompliziert
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Pläne für die Schublade, erbitterter Streit um Details, falscher Estrich - kaum ein Thema wird so heiß diskutiert wie unsere Mobilität. ST-Chefredakteur Stefan M. Kob sagt, welchen Fehler wir dabei nicht machen sollten.
Solingen. Solingen und das Auto - das Verhältnis ist, sagen wir mal, kompliziert. Das gilt allerdings nicht erst seit der letzten Generation. Es ist sozusagen ein Teil der Stadtgeschichte. Und mit ein Grund für Solingens schwierige Wirtschafts- und Stadtentwicklung.
So hat es die Klingenstadt selbst verbockt, jemals einen gescheiten Anschluss an das überregionale Autobahnnetz herzustellen. Und das in Zeiten, in denen die Umweltaktivisten von heute nicht einmal geboren waren. Es ist eher die bergische Eigenart, dass man lieber unter sich bleibt, statt sich Fremden zu öffnen, weshalb in den 70er Jahren zwar eine innerstädtische Autobahn, die Viehbachtalstraße, gebaut, aber niemals irgendwo angeschlossen wurde. Genauso blieb eine leistungsfähige Umfahrung der Innenstadt auf der sogenannten Südtangente für immer ein Schubladenplan. Aus historischer Sicht ist es daher nur konsequent, dass sich Solingen den Gegnern einer achtspurigen A 3 angeschlossen hat: Warum den Ausbau einer Schnellstraße unterstützen, die zwar das Stadtgebiet tangiert, aber zu der man keinen eigenen Zugang hat?
Heute, in Zeiten des knappen Geldes und des Klimawandels, tut man sich mit punktuellen Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur umso schwerer, wie man schon an der jahrelangen fruchtlosen Diskussion über einen Doppelkreisel am Dickenbusch oder einen Kreisverkehrs an der Bonner Straße sieht.
Und beim seit Jahren in Arbeit befindlichen Gesamtkonzept für den Cityverkehr ahnt man schon, dass da wieder sehr viel Arbeit fürs Archiv stattfindet. Es wird begutachtet, geplant, geredet, gestritten - und verworfen. Ein Gesamtkonzept rund um Straßen und Schienen fehlt noch immer.
Gebraucht zu werden, aber nicht geliebt - kein Wunder, dass sich die Solinger Kraftfahrzeuginnung endgültig verschmäht fühlte, weil das frisch renovierte Theater und Konzerthaus als Veranstaltungsort für die mehrfach pandemiebedingt verschobene Jubiläums-Autoschau ausfiel. Im ST-Interview machte Ehrenobermeister Ernst Robert Nouvertné darüber seinem Ärger Luft.
Die Stadt wiederum hat ein reines Gewissen, weil sie aus ihrer Sicht früh genug auf das Problem hingewiesen und den Parkplatz am Theater als Ausweichfläche angeboten hat. Doch der Wunsch der Händler ist ein ganz anderer: Die gute Stube der Stadt als Ausstellungsort hat auch etwas mit Renommee und Wertschätzung zu tun, da kann man nicht auf einen Parkplatz als Ersatz verweisen. Und die Händler hätten gewollt, dass man die Autoschau schon zum Zeitpunkt der Renovierung berücksichtigt und entsprechend tragfähigen Estrich verbaut hätte.
Und ganz ehrlich: hätte die Stadt nicht auch selbst vorher auf die jetzige Lösung Eissporthalle kommen können? So viele geeignete Flächen, auf denen zum Beispiel auch die Solingen Messe stattfindet, gibt es in Solingen doch wahrlich nicht. So bleibt bei den Autohändlern das Gefühl, zu ungeliebten Schmuddelkindern degradiert zu werden, die ihren Kram auf einem Parkplatz ausstellen sollen.
Dabei ist die individuelle Auto-Mobilität Voraussetzung für unser modernes Leben und unseren Wohlstand - trotz aller Blütenträume, dass Bus, Bahn und E-Bike die alleinigen Verkehrsträger der Zukunft sein würden. Dazu muss man nicht nur auf die regelmäßigen tagelangen “Warnstreiks” der Bahn verweisen, bei denen man ohne die Rettungskapsel Auto verloren wäre. Auch kann schon aus körperlichen Gründen nicht jeder einfach von vier auf zwei Räder umsteigen, selbst wenn das Bergische dank Elektro-Unterstützung flacher wird.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir den Verkehrsraum anders verteilen müssen, wenn wir in Zukunft Mobilität und Klima retten wollen. Der erbitterte Streit über eine stadtteilverbindende Veloroute ist ebenso absurd. Nur weil Parkplätze vor der Haustür weichen müssten, steht die Solinger Welt Kopf. Wir dürfen beim Thema Mobilität nicht in dieselben Fehler verfallen wie bei der Energie: Der Strom soll aus der Steckdose kommen, und zwar ausreichend und billig. Aber herstellen und transportieren wollen wir ihn nicht.
Unsere Themen in dieser Woche
Ist der Drogenersatz Methadon ein hoffnungsvolles Krebsmittel? Solinger Arzt erzielt beachtliche Erfolge.
An der Schlachthofstraße soll eine moderne große Moschee entstehen. Wie steht es um die Planung? Und wer steckt dahinter?
Wann wird es endlich Sommer? Die beiden Solinger Freibäder sind jedenfalls gerüstet.
Und sie bewegen sich doch: Die brandneuen Rettungswagen, die seit Monaten stillstanden, sind nun im Einsatz.