Offener Brief
Klinikum: DGB schlägt Ende des Chefarzt-Systems vor
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Gewerkschaft kritisiert Politik scharf für niedrigere Löhne in der Servicegesellschaft.
Von Björn Boch
Solingen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht mit der Solinger Politik hart ins Gericht: In einem offenen Brief greift der Vorsitzende des DGB-Stadtverbands, Peter Horn, CDU, SPD und FDP für ihren Beschluss an, eine Servicegesellschaft am Städtischen Klinikum zu gründen. In dieser sollen niedrigere Löhne gelten. „Hier bezahlen die unteren Gehaltsgruppen wieder einmal die Zeche für die Misswirtschaft der Vergangenheit“, teilt Horn in einem offenen Brief mit.
Wie berichtet war im Beteiligungsausschuss der Stadt, der für das Klinikum zuständig ist, auf Antrag von CDU, SPD und FDP in nichtöffentlicher Sitzung die Gründung beschlossen worden. Grüne, BfS/ABI und Linke/Die Partei hatten einen öffentlichen Beschluss mit vorheriger Debatte gefordert. Die Grünen haben gegen die nichtöffentliche Entscheidung eine Klage angekündigt.
Der DGB erwarte, dass sich SPD, CDU und FDP an der traditionellen Kundgebung am 1. Mai in Solingen „nicht als Kämpfer von Arbeitnehmendeninteressen zeigen werden. Denn dies sind sie zurzeit nicht“, so Peter Horn. Auch werde der DGB Einladungen dieser Parteien zu Gesprächen ablehnen, bis sich die Meinung der Fraktionen zur Tarifflucht geändert habe. „Hierzu gehört auch das jährliche Gewerkschaftsfrühstück der SPD.“
SPD: Naive Unkenntnis und direkte Nötigung
Die Sozialdemokraten antworten ebenfalls scharf: „Falsche Behauptungen, eine geradezu naive Unkenntnis des Gesundheitswesens und die direkte Nötigung der Sozialdemokratie sind nicht der Stil des DGB. Das sollte auch der Solinger Stadtverbandsvorsitzende wissen“, schreibt die Fraktionsvorsitzende Iris Preuß-Buchholz. Es seien Maßnahmen beschlossen worden, die es seit Jahren an fast allen kommunalen, kirchlichen und privaten Großkliniken gebe – „bei uns sogar mit optimalem Bestandsschutz und deutlich höherer Absicherung“.
Horn kritisiert in dem Brief zudem unverhältnismäßige Gutachterkosten der Vergangenheit, die eine riesige Finanzlücke gerissen hätten, sowie die jahrelange Zahlung von 500 000 Euro an den städtischen Haushalt. Für die künftige Finanzierung des Klinikums schlägt der DGB vor, das Chefarzt-System „abzuschaffen und in ein Kollegialsystem zu verwandeln“. Flache Hierarchien seien effektiver und billiger als ein Chefarztsystem.
Kai Sturmfels, Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums und CDU-Ratsmitglied, hält das für keine gute Idee. „Wer medizinische Expertise und Qualität haben will, muss bereit sein, Spitzenkräften angemessenes Geld zu zahlen.“ Er sieht auch keine Tarifflucht. „Wir haben es so ausgestaltet, dass es einen Tarif geben wird. Andere Häuser haben nicht einmal das.“
Auch komme die unterste Lohngruppe, die möglich wäre, nicht zum Einsatz. Fakt sei, dass die Serviceleistungen aktuell teurer seien als an anderen Häusern. „Wir bekommen aber nur die durchschnittlichen Sätze vergütet.“
Die FDP betont, dass die Gründung der Servicegesellschaft nicht die einzige Maßnahme zur Konsolidierung des Klinikums sei. „Diese Maßnahme wurde hinausgezögert in der Hoffnung, die Konsolidierung ohne sie hinzubekommen. Das hat sich zerschlagen“, so der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Jürgen Albermann.
Der alternative Finanzierungsvorschlag des DGB-Stadtverbands Solingen, das Chefarzt-System abzubauen, verkenne die Tatsache, dass Chefärzte in ihren Bereichen für Auslastung sorgen. Außerdem seien sie auch Führungskräfte und Manager und beteiligten sich an Strategieentwicklung und Umsatzkontrolle. „Flache Hierarchien mögen billiger sein, aber nicht unbedingt wirtschaftlicher.“