Beinamen der Stadt

„Klingenstadt“ seit mindestens 175 Jahren

Was es tatsächlich mit Klingen, Messern und Scheren auf sich hat, wird im Klingenmuseum (Foto) und Industriemuseum dokumentiert. Foto: Uli Preuss
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Was es tatsächlich mit Klingen, Messern und Scheren auf sich hat, wird im Klingenmuseum (Foto) und Industriemuseum dokumentiert.

SOLINGENS NAMEN Von Handballdorf bis Waffenstadt: Was sich Solingen im Laufe der Zeit so alles anhören musste.

Von Wilhelm Rosenbaum

Gartenstadt Haan, Blütenstadt Leichlingen, das sind vertraute Attribute, um die Schönheiten der bergischen Region augenfällig zu machen. Dass unser Solingen weltweit als Klingenstadt firmiert, stärkt das Selbstbewusstsein, aber es ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Denn dieses „bergische Kind“ hat viele Namen, je nachdem, welcher Zeitgeist gerade den Ton angibt.

Den rot-weißen Top-Handballern der Stadt, den alten 98ern, etwa verdanken wir das „Handballdorf Solingen“, das zudem auch noch „am Ostufer des Schnapstrinkerrheins gelegen“ ist, wie der Kölner Schriftsteller Heinrich Böll einst im Tageblatt skizzierte. „Fabrikstadt“ nannte man Solingen, sachlich, emotionslos geradezu, im 19. Jahrhundert, im Kaiserreich war der martialische Begriff „Waffenstadt“ eine Zeitlang populär.

Richtig in Mode kam dann die „Klingenstadt“ in den dreißiger Jahren. Die Stadtverwaltung selbst publizierte ein Heimatbuch mit Prominenten und feierte „Solingen, die alte Klingenstadt“. Der Verlag B. Boll schwamm auf der heimatbewussten Welle mit und wählte sich im Oktober 1938 den Untertitel „Die Nachmittagszeitung der Klingenstadt“. Die „Marke“ blieb auch nach dem Krieg an der Mummstraße und in den Spalten des ST unverändert lebendig.

Sogar die KPD, in ihrer Nachfolge auch die DKP, war damals vom pathetisch angehauchten Begriff so fasziniert, dass sie ihrer Solinger Stadtzeitung gleich den Namen „Klingenstadt“ gab. Da passt es in die Landschaft der fünfziger Jahre, dass die US-Armeezeitung für Europa, „The Stars und Stripes“, 1954 noch einen draufsetzte: Solingen sei nämlich „die Stadt der singenden Klingen“.

„Stahlstädtchen“ als spielerisch-heitere Wortschöpfung

Auch die deutschen Medien feilten fleißig an Variationen der Namensgebung: Der „Spiegel“ begann mit „Rasierklingenstadt“, wählte dann lange Zeit „Stahlstadt“ und wechselte in den Neunzigern zur „Industriestadt“. Der Hamburger „Zeit“ gefiel offenbar „Messerstadt“ entschieden besser, und dem „Zeitmagazin“ blieb 1985 eine besonders originelle Version vorbehalten. Es erfand spielerisch-heiter ein „Stahlstädtchen“.

Uns ist natürlich die Dekoration „Klingenstadt“ die nach wie vor gängigste, vertraut und vielzitiert. Und unser städtisches Logo ist, was pingelige Detailforschung im Solinger Stadtarchiv ans Licht gebracht hat, in diesem Jahr mindestens und tatsächlich stolze 175 Jahre alt. Denn zum ersten Mal in der Lokalpresse taucht das Wort im guten, alten „Solinger Kreis-Intelligenzblatt“ des Carl Siebel im Jahr 1835 auf.

Ein namentlich unbekannter Solinger Lyriker widmet darin dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. zu dessen bevorstehendem Geburtstag ein gleich neunstrophiges Jubel-Gedicht. Und die entsprechenden Zeilen lassen keinen Zweifel an der überbordenden Heimatliebe des wackeren Reimers zu: „Und dieser Tag, der jedem Preußen teuer, naht auch ja dir, geliebte Klingenstadt!“ So fing alles an.

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