Klingenhalle
Aus für Schwimmkurse verärgert Eltern
aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Die Stadt kündigte einer privaten Schwimmschule mit Verweis auf Eigenbedarf – Vereine wünschen sich mehr Schwimmzeiten.
Von Kristin Dowe
Solingen. Der Frust ist groß bei Evelyn Neuhaus: Bereits im vergangenen Sommer hatte sie ihren vierjährigen Sohn auf die Warteliste für einen Schwimmkurs setzen lassen, den die Schwimmschule Lampart bisher sonntags in der Klingenhalle anbot. Damit soll bald Schluss sein, weil die Stadt der Einrichtung mit Hauptsitz in Waldfischbach (Rheinland-Pfalz) den Nutzungsvertrag gekündigt hat. Dieser endet am 18. Juni kurz vor den Sommerferien. „Die Eltern werden einfach vor die Tür gesetzt und vor vollendete Tatsachen gestellt“, ärgert sich die Solingerin. Auch ihre sechsjährige Tochter stehe kurz vor dem Seepferdchen und könne nun nicht wie geplant ihre Prüfung ablegen.
Dies sorgt auch bei Inhaberin Kira Lampart für Unmut. „So ein großes Angebot an Schwimmkursen für Kinder hat Solingen ja nicht. Und es gibt viele Kinder in der dritten oder vierten Klasse, die immer noch nicht schwimmen können. Ich finde es den Kindern, aber auch den Eltern gegenüber ungerecht, die Zeit und Geld in die Kurse investiert haben.“ Etwa 130 Kinder seien von dem Aus betroffen.
„Wir schätzen, dass derzeit sechs von zehn Kindern am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer sind.“
Die Stadt begründet diesen Schritt mit Eigenbedarf. Unter anderem gehe es darum, „Angebote wieder aufleben zu lassen, die in der Corona-Zeit ausfallen mussten, allen voran das beliebte Meerjungfrauenschwimmen, das den Kindern zum Beispiel Schwimmroutine vermittelt“, erklärt Rathaussprecherin Sabine Rische auf Nachfrage. Zudem plane die Bädergesellschaft nach den Sommerferien eigene Schwimmkurse für Kinder aus einkommensschwächeren Familien anzubieten. Diese ergänzten das bereits vorhandene Kursangebot von Vereinen, DLRG und Wasserwacht. So werde nach der Pandemie die Klingenhalle auch an Wochenenden wieder verstärkt von örtlichen Vereinen beansprucht – unter anderem der „Tag des Schwimmabzeichens“ der DLRG sowie diverse Wettkämpfe fänden künftig sonntags statt. Zudem müsse teilweise sonntags die Klingenhalle gereinigt werden, damit montags das Schulschwimmen stattfinden kann „und der Schwimmbetrieb möglichst wenig beeinträchtigt wird“, so Rische. Mit der privaten Schwimmschule sei nur eine vorübergehende Nutzung vereinbart gewesen.
Eine eventuelle Alternative, wie die Schwimmschule doch noch in das Solinger Angebot der Schwimmausbildung integriert werden könnte, nennt die Stadt nicht. „Wir wären auch zu Kompromissen bereit gewesen“, betont Kira Lampart. „Wir möchten gar nicht mit den Vereinen konkurrieren. Allerdings machen die Kinder, die bei uns schwimmen gelernt haben, auch später bei den Vereinen weiter. Es wäre schön, wenn das auch mal anerkannt würde.“
Großen Nachholbedarf bei der Schwimmausbildung durch Corona sieht in jedem Fall auch Martin Sinkwitz von der Solinger DLRG. „Wir schätzen, dass derzeit sechs von zehn Kindern am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer sind.“ Abseits der Pandemie laufe der Trend bei der Bäderversorgung in die falsche Richtung: „Schulen verlieren zunehmend den Zugang zu Bädern, ebenso wie Schwimmvereine oder auch Privatpersonen. In Solingen gibt es für etwa 164 000 Einwohner nur zwei Schwimmbäder: davon die Klingenhalle für Vereine und Schulen, sowie anteilig auch die Öffentlichkeit und das Familienbad Vogelsang, primär für Familien“, fasst Sinkwitz zusammen. Zwar habe die DLRG die Kurse nach der Pandemie nach Kräften wieder hochgefahren, auf Wartezeiten zwischen vier und zwölf Monaten müssten Familien sich dennoch einstellen. Somit wünsche sich auch die DLRG generell mehr Wasserzeiten und begrüße generell die zusätzlichen Kapazitäten am Sonntag. „Ein seitens der Solinger Vereine lange gewünschter Anbau der Klingenhalle könnte dabei wirklich viel bewirken, insbesondere für die Anfängerschwimmausbildung“, regt Martin Sinkwitz an. „Auch weitere motivierte Ausbilderinnen und Ausbilder können wir immer gebrauchen, um unsere Angebote auszuweiten.“
Ungebrochen hoch sei die Nachfrage nach qualifizierter Schwimmausbildung auch bei der Schwimmschule Hai-Kids, beobachtet Inhaberin Nadine Klemmer: „Nach Corona kommen wir gar nicht mehr hinterher.“ Anders als die Schwimmschule Lampart verfügt die Einrichtung in Landwehr über ein eigenes Becken. „Es ist schon ein Vorteil, dass wir damit unabhängig sind und nirgendwo rausgedrängt werden können. Dafür haben wir höhere Fixkosten“, so Klemmer. Trotz einiger Bemühungen sei das Angebot für Schwimmanfänger in Solingen unterm Strich immer noch zu gering. „Da müsste die Stadt aktiver werden.“ | Standpunkt
Hintergrund
Aktionen: In den Sommerferien findet, organisiert vom Solinger Sportbund (SSB), zum dritten Mal „Solingen lernt Schwimmen“ statt. In den Oster- und Herbstferien gibt es zudem das landesweite Förderprogramm „NRW kann schwimmen“. Über Ostern 2023 nahmen in Solingen 140 Kinder daran teil.
Kommentar von Kristin Dowe: Fall offenbart Problem
Auch wenn das Ansinnen der Stadt, lokal ansässigen Vereinen nach der Pandemie wieder mehr Schwimmzeiten zur Verfügung zu stellen und ihnen einen Vorzug gegenüber einer privaten Schwimmschule einzuräumen, grundsätzlich nachvollziehbar sein mag – die Kommunikation über das Ende der Zusammenarbeit ist denkbar unglücklich. Immerhin hat auch die Schwimmschule ihren Beitrag dazu geleistet, möglichst vielen Kindern in Solingen eine Schwimmausbildung zu ermöglichen.
Zumindest hätte man vor der Vertragskündigung ein unverbindliches Gespräch mit der Einrichtung suchen und eventuelle Alternativen prüfen können. Ungeachtet dieses Falls offenbart das Buhlen um Wasserzeiten verschiedener Akteure ein generelles Problem.
Im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl gibt es zu wenig Schwimmangebote. Personalmangel in Schwimmschulen aber auch im Bereich des Ehrenamts verschärfen den Handlungsbedarf. Denn schwimmen können ist kein Luxusgut, sondern lebensnotwendig.