1 Jahr Krieg in der Ukraine
Neues Leben in Deutschland – sorgenvoller Blick in die Heimat
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Anna Tolstykh arbeitet für eine Solinger Eventagentur. Die Sorge um ihre Eltern bleibt.
Von Manuel Böhnke
Solingen. Den Jahreswechsel hat Anna Tolstykh in Kiew verbracht. Sie konnte für einige Nächte zurück in ihre Wohnung, die seit zwölf Monaten leer steht, und ihre Eltern und Freunde besuchen. Trotz vieler schöner Momente sagt die 46-Jährige: „Es war sehr schlimm.“
Tägliche Stromausfälle, Raketenalarme, Drohnenangriffe. Es sei bewundernswert, wie ihre Landsleute mit den Gefahren und Widrigkeiten umgehen: „In Kiew sind alle hoffnungsvoll und versuchen irgendwie, ihr Leben zu organisieren.“
Der 24. Februar 2022 hat Anna Tolstykhs Leben verändert. In der Ukraine führte die Marketing-Expertin eine Agentur, war zuvor 20 Jahre lang in leitender Position für einen Medienkonzern tätig. Den russischen Angriff erlebte sie in der Hauptstadt ihrer Heimat, floh zunächst in den Vorort, dann in den Westen des Landes, am 10. März schließlich nach Deutschland. Sie kam bei Freunden in Köln unter.
Aus Studienzeiten verfügte sie bereits über Deutsch-Grundkenntnisse, fand über ihr Netzwerk schließlich einen Job in Michael Chrystals Eventagentur Forum Your Brandbuilder. Bis heute ist sie für das Solinger Unternehmen tätig. „Ich habe an zwei großen Veranstaltungen mitgewirkt und beschäftige mich gerade mit den Ausschreibungen für neue Projekte“, sagt die 46-Jährige.
Sie hat Fuß gefasst, verbessert am Goethe-Institut ihre Deutschkenntnisse. Mitte März zieht sie in eine eigene Wohnung in Köln. Auch dabei war Tolstykhs großes Netzwerk hilfreich. Ihre 17-jährige Tochter Tetiana besucht eine Schule im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin.
Trotz dieser positiven Entwicklungen bangt Anna Tolstykh um ihre Heimat. Vor allem sorgt sie sich um ihre Eltern. Beide sind 75 Jahre alt, möchten die Ukraine nicht verlassen. Um sie zu unterstützen, hat Tolstykh ihnen eine Art Notstromaggregat geschenkt. So kann ihr Vater seinem Beruf als Englischlehrer weiterhin nachgehen, auch wenn der Strom wieder einmal ausfällt.
Viele, die zurückgekehrt sind, mussten ein zweites Mal fliehen
Im August und September 2022 sind viele Bekannte Tolstykhs, die wie sie geflohen waren, in die Ukraine zurückgekehrt. Der Krieg schien sich etwas beruhigt zu haben. Bis die Attacken im Oktober wieder Fahrt aufnahmen. „Dann sind sie wieder nach Deutschland zurückgekommen.“
Anna Tolstykh will helfen, ihr Land wieder aufzubauen
Der russische Angriff jährt sich zum ersten Mal. Angesichts dieses Datums fürchtete Anna Tolstykh eine neuerliche Offensive. Dennoch wird sie, das ist für die 46-Jährige klar, eines Tages wieder in ihrer Heimat leben. „Ich will helfen, das Land aufzubauen.“
Dass die Ukraine siegreich aus dem Krieg hervorgehen wird, steht für sie außer Frage. Damit sie recht behält, brauche es weiterhin Unterstützung aus dem Westen. „Alle müssen verstehen, dass es nicht nur um die Ukraine geht.“