Bedarf an Ganztag ist riesig

In Solingen fehlen 500 OGS-Plätze

Oliver Vogt ist seit knapp zwei Jahren Leiter des Stadtdienstes Schule.
+
Oliver Vogt, Leiter des Stadtdienstes Schule, weiß um die Situation des Offenen Ganztags.

Die Stadt hat dreieinhalb zusätzliche Gruppen an den Grundschulen bewilligt. Doch das reicht nicht aus.

Von Anja Kriskofski

Solingen. Viele Eltern warten angespannt auf die Nachricht: Bekommen sie für ihr Grundschulkind einen Platz in der offenen Ganztagsbetreuung an der Grundschule (OGS) oder nicht? Denn wie in den Kindertagesstätten fehlen auch in der OGS Plätze. Obwohl die Stadt Solingen erneut dreieinhalb zusätzliche Gruppen schafft, stünden rund 500 Kinder auf der Warteliste, erklärt Oliver Vogt, Leiter der Schulverwaltung. „Der Bedarf ist riesig, und ist in diesem Jahr noch einmal deutlich nach oben gegangen.“ Die Grundschulen Bogenstraße, Westersburg und Weyer erhalten je eine zusätzliche Betreuungsgruppe, die Schule Gottlieb-Heinrich-Straße eine halbe. Einen weiteren Ausbau könne man aus finanziellen Gründen jedoch nicht umsetzen, betont Vogt.

Durch die Erweiterung gebe es ab August 2900 Plätze – bei 3400 Anträgen. Einem weiteren Ausbau stünden nicht nur finanzielle Gründe entgegen. „An einigen Schulen haben die Träger signalisiert, dass sie nicht mehr Personal stellen können.“ An anderen sei aktuell kein Platz für eine zusätzliche Gruppe, wie etwa an der Grundschule Schützenstraße, die für eine bauliche Erweiterung demnächst ausgelagert werden muss.

An der Grundschule Gottlieb-Heinrich-Straße ist der Verein Fuhrgemeinschaft Träger der Ganztagsbetreuung. Für das kommende Schuljahr habe man aktuell rund 30 Kinder auf der Warteliste, sagt Tanja Isphording, Geschäftsführerin der Fuhrgemeinschaft. Durch die zusätzliche halbe Gruppe für Kinder mit Förderbedarf (sechs Plätze) reduziere sich die Zahl etwas.

OGS: Grundschule Bogenstraße bekommt zusätzliche Gruppe

Eine zusätzliche OGS-Gruppe wird unter anderem an der Ohligser Grundschule Bogenstraße eingerichtet. „Darüber bin ich sehr froh“, sagt Rektorin Nicole Wrana. „Aber ich würde mir wünschen, dass alle Familien einen Platz bekommen, die einen möchten.“ Beantragt hatten Schule und Caritas als OGS-Träger angesichts der hohen Nachfrage nämlich anderthalb weitere Gruppen sowie eine zusätzliche Gruppe in der Übermittagbetreuung. Trotz Erweiterung werden also auch an der Bogenstraße Familien ohne den gewünschten Betreuungsplatz da stehen. Aktuell sei man dabei, jeden Antrag einzeln zu prüfen, sagt Wrana.

OGS-Plätze: Nach diesen Kriterien werden die Plätze vergeben

Denn die OGS-Plätze werden nach festgelegten Kriterien vergeben: Sind die Eltern berufstätig? Lebt das Kind bei einem alleinerziehenden Elternteil? Wird ein Familienmitglied gepflegt? Hat das Kind besonderen Förderbedarf? „Das sind immer Abwägungsprozesse“, erklärt Caritas-Direktor Dr. Christoph Humburg. Die Caritas verantwortet neben der Bogenstraße die OGS in fünf weiteren Solingen Grundschulen. „An allen haben wir Wartelisten.“

OGS: Dreh- und Angelpunkt ist die Finanzierung

Dreh- und Angelpunkt ist die Finanzierung. Die Ganztagsträger haben deshalb zuletzt im Jugendhilfeausschuss Alarm geschlagen. „Das Kibiz-System in den Kindergärten ist schon schlecht finanziert“, sagt Humburg. „In der OGS ist es noch schlechter. Viele Träger kämpfen ums Überleben.“ Eine Lohnerhöhung für die Mitarbeiter, für die die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gerade kämpfen, sei dem Grunde nach richtig. „Aber das macht die Lage in der OGS noch dramatischer. Wir brauchen endlich eine bessere Finanzierung.“

Die Stadt Solingen zahle mit 30 765 Euro pro Jahr und Gruppe bereits einen höheren kommunalen Anteil als den vorgesehenen von 13 775 Euro, sagt Oliver Vogt. Das summiere sich auf zwei Millionen Euro jährlich. „Aber mehr können wir nicht leisten.“ Eine Erhöhung der Landesfinanzierung sei nicht in Sicht. Wer keinen Platz bekomme, dem könne die Stadt keine Alternative anbieten, bedauert er.

Für viele Familien eine sehr schwierige Situation. Eltern werden eine andere Betreuungsmöglichkeit organisieren müssen – oder können nicht arbeiten. Die Fuhrgemeinschaft versuche, das im Quartier Fuhr ein wenig aufzufangen, berichtet Tanja Isphording. In seiner Offenen Tür bietet der Verein auch Hausaufgabenbetreuung an. „Die besuchen auch Kinder, die keinen Ganztagsplatz haben.“  

Offene Ganztagsschule

Betreuung: In der Offenen Ganztagsschule (OGS) können Kinder nach dem Unterricht bis 16 Uhr betreut werden. Neben Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung gibt es auch AG-Angebote.

Rechtsanspruch: Ab 2026 soll der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz eingeführt werden. Doch die Finanzierung sei immer noch nicht geklärt, warnt der Städte- und Gemeindebund NRW.

Standpunkt von Anja Kriskofski: Schwierige Aufgabe

anja.kriskofski@solinger-tageblatt.de

Für die betroffenen Familien ist es ein Drama. 500 fehlende Ganztagsplätze stehen für 500 Kinder, für die Eltern ab Sommer eine andere Betreuung organisieren müssen als an der Schule. Einigen wird das vielleicht gelingen, indem zum Beispiel die Großeltern einspringen. Andere müssen ihre Arbeitszeit kürzen oder können gar nicht arbeiten. Denn auch wenn es einen Kriterienkatalog gibt: Es sind zu viele Kinder, denen ein OGS-Platz zusteht, weil sie Förderbedarf haben, weil beide Eltern berufstätig sind oder es einen Pflegefall in der Familie gibt.

Schulen und Träger stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Plätze möglichst gerecht zu verteilen. Wer braucht die Betreuung dringender? Die Familie, die auf zwei Gehälter angewiesen ist? Oder das Kind, das in der Schule besser aufgehoben ist als zu Hause? Eine brutale Entscheidung. Dem beschlossenen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab 2026 müssen Bund und Land endlich finanzielle Taten folgen lassen, damit der Ausbau an den Schulen vorankommt. Sonst droht der Mangel in der OGS – und in den Kitas – die Gesellschaft zu spalten.

Unsere News per Mail

Nach der Registrierung erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Erst mit Anklicken dieses Links ist die Anmeldung abgeschlossen. Ihre Einwilligung zum Erhalt des Newsletters können Sie jederzeit über einen Link am Ende jeder E-Mail widerrufen.

Die mit Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.

Meistgelesen

CDU und FDP: Veloroute verlegen, Parkplätze sichern
CDU und FDP: Veloroute verlegen, Parkplätze sichern
CDU und FDP: Veloroute verlegen, Parkplätze sichern
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
650-Jahr-Feier soll in Stadtteile strahlen
650-Jahr-Feier soll in Stadtteile strahlen
650-Jahr-Feier soll in Stadtteile strahlen
Peter Kühne bewertet Genuss im Restaurant - auf witzige Art
Peter Kühne bewertet Genuss im Restaurant - auf witzige Art
Peter Kühne bewertet Genuss im Restaurant - auf witzige Art

Kommentare