Montagsinterview

Herr Nouvertné, sind Autos in Solingen nicht mehr erwünscht?

Ernst-Robert Nouvertné wollte eigentlich 2020 das Jubiläum „50 Jahre Autoschau“ feiern. Das verhinderte die Pandemie. Im sanierten Theater kann die Schau nun nicht mehr stattfinden – die Kraftfahrzeuginnung sucht noch einen alternativen Veranstaltungsort.
+
Ernst-Robert Nouvertné wollte eigentlich 2020 das Jubiläum „50 Jahre Autoschau“ feiern. Das verhinderte die Pandemie. Im sanierten Theater kann die Schau nun nicht mehr stattfinden – die Kraftfahrzeuginnung sucht noch einen alternativen Veranstaltungsort.

Ehrenobermeister Ernst-Robert Nouvertné über die Autoschau, fehlende Unterstützung und neue Mobilität.

Von Björn Boch

Herr Nouvertné, seit einiger Zeit ist klar: Die Autoschau darf nicht mehr im frisch sanierten Theater und Konzerthaus stattfinden. Wie enttäuscht sind Sie?
Ernst-Robert Nouvertné: Sehr enttäuscht. Und ich möchte das deutlich zum Ausdruck bringen. Wir sind 1978 mit der Autoschau ins Theater und Konzerthaus umgezogen – damals von der Hauptstelle der Sparkasse. Wir waren 35 Jahre lang guter Kunde der Stadt – und haben immer lange Verträge geschlossen. Ich finde es ein schlechtes Zeichen, dass wir beim Umbau nicht berücksichtigt worden sind. Eine Rücksprache mit dem Kunden, also der Solinger Kfz-Innung, wäre für mich zwingend gewesen.
Argumentiert wurde im Nachhinein auch damit, dass der neue Boden die schweren Autos von heute nicht mehr aushalte.
Nouvertné: Das mit dem Gewicht ist eine Ausrede – wir hatten früher auch schwere Autos im Theater. Aber selbst wenn es stimmt: Die Stadt hätte uns fragen können, was wir brauchen. Dann wäre der Estrich vielleicht teurer geworden. Das hätte die Stadt mit uns als Mieter aber schnell wieder reingeholt.
Haben Sie das Gefühl, die Autoschau ist nicht mehr gewollt, weil Sie nicht mehr in die Zeit passt – Stichwort: Verkehrswende?
Nouvertné: Man kann das Gefühl haben, ja. Bei einigen scheint die Einstellung zu sein: „Wir wollen die Schau nicht mehr. Wir wollen den Autoverkehr nicht mehr!“ Die Kfz-Branche war mal der Leuchtturm, jetzt sind wir der Bösewicht. Es gibt auch in Solingen klare Tendenzen, den Autoverkehr zurückzudrängen. Das halte ich für falsch. Ebenso wie den Umgang mit der Autoschau. Wir haben 10 000 Besucher jährlich angezogen, auch aus der Region. Das Ambiente war sehr gut – ich bin mir sicher, die Zuschauer vermissen das.
Inwieweit muss eine Autoschau mit der Zeit gehen und Mobilitäts- und Verkehrswende aufgreifen?
Nouvertné: Die mit Abstand meisten Modelle auf der Messe – wann und wo auch immer sie nun stattfinden wird – werden Elektroautos sein. Das ist ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende. Ich sehe ein, dass nicht mehr alle in die Innenstadt passen, in der dann stundenlang Autos rumstehen. Aber wie soll ein Mechaniker aus Cronenberg hier morgens in aller Früh hinkommen? Wie kaufen wir ein, wie kommen Kinder in die Kita – und das alles unter Zeitdruck? Ich habe kein Problem mit der Verkehrswende und damit, ein paar Autos weniger zu verkaufen. Aber es muss für alle funktionieren – dafür müssen wir individuelle Mobilität aufrechterhalten. Und wir müssen auch daran denken, Arbeitsplätze zu erhalten. In NRW gibt es 6000 Betriebe, die zur Kfz-Branche gehören – mit 50 000 Beschäftigen. Und noch viel mehr bei Zulieferern.
Tut Solingen zu wenig für seine Wirtschaft?
Nouvertné: Unternehmen bräuchten die Unterstützung von Politik und Verwaltung, stattdessen werden ihnen oft Steine in den Weg gelegt. Es ist genau, wie es IHK-Präsident Henner Pasch im Interview mit dem Tageblatt gesagt hat. Das war hervorragend und hatte Hand und Fuß, ich habe keinen gesprochen, der das anders gesehen hat. Und bitte bedenken Sie: Wir machen das ja nicht, um jemanden zu ärgern. Wir wollen und brauchen bessere Bedingungen, um wirtschaftlich zu überleben.

„Mit Strom zahlen Sie etwa 5 Euro für 100 Kilometer. Das schaffen Sie mit Benzin oder Diesel niemals.“

Ernst-Robert Nouvertné
Und für Ihre Branche ist da eine Autoschau wichtig.
Nouvertné: Wenn wir merken, dass das Interesse nachlässt, hören wir auf. Aber dem ist nicht so. Der Zuspruch der Zuschauer war bis zur Pandemie groß und wird es wieder sein. Früher waren Verwaltung, Politik und Verbände immer zugegen und haben uns unterstützt. Die Autoschau kann ja auch Missverständnisse ausräumen.
Das müssen Sie erklären.
Nouvertné: Nehmen Sie Elektro-Autos. Da gibt es zwei große Missverständnisse. Erstens: Es gibt kaum Ladestationen. Zweitens: Die Reichweite ist nicht hoch genug. Der bundesweite Schnitt bei täglichen Fahrten sind 38 Kilometer, das Thema Reichweite ist für die wenigsten relevant. Und die Infrastruktur verbessert sich bedeutend. Lediglich die Vielfahrer von langen Strecken haben Probleme. Das sind aber nur sehr wenige.
Was fehlt der Elektromobilität zur Akzeptanz?
Nouvertné: Drei Dinge werden passieren: Erstens werden die Autos preiswerter. Zweitens wird es deutlich höhere Kilometerleistungen geben, die ersten Modelle mit 500 bis 600 Kilometern Reichweite sind schon da. Drittens wird die Ladeinfrastruktur immer besser – die private und die öffentliche. Der Elektromotor wird eine Antriebsart der Zukunft. Zumal sich Verbrenner auf lange Sicht nicht mehr rechnen. Öl und Gas werden teuer. Mit Strom zahlen Sie etwa 5 Euro für 100 Kilometer. Das schaffen Sie mit Benzin oder Diesel niemals.
Jetzt ist der Kauf eines Elektro-Autos mit dem Wegfall vieler Förderungen erst einmal wieder teurer.
Nouvertné: Die Förderungen haben uns sehr geholfen. Leider geht es jetzt von mehreren Tausend Euro direkt auf null. Vielleicht war es anfangs ein wenig viel Förderung. Und nicht alles war sinnvoll, etwa die hohen Summen für Hybridautos. Aber gerade in diesen unsicheren Zeiten spielt der Preis eine große Rolle. Der Gesamtanteil reiner Elektroautos liegt inzwischen bei rund 2 Prozent, das Interesse geht aber aktuell zurück. Wir waren mal bei bis zu 40 Prozent E-Fahrzeugen beim Neuverkauf. Jetzt sind es eher wieder 20 Prozent.

Persönlich

Ernst-Robert Nouvertné war von 2004 bis 2013 Präsident des Kfz-Landesverbands NRW und damit im Bundesvorstand. Er war Impulsgeber für die Solinger Autoschau, die erstmals 1969 stattfand. Jahrzehntelang war er Innungsobermeister in Solingen – aktueller Obermeister ist Uwe Stamm. Nouvertné ist Ehrenobermeister der Kfz-Innung Solingen und Ehrenpräsident des Kfz-Landesverbandes NRW. Privat treibt der 77-Jährige Sport, arbeitet noch im Betrieb und genießt Zeit mit der Familie, insbesondere den Enkeln. Seine Kinder führen die Nouvertné-Autohäuser – Nicole am Schlagbaum, Christoph am Wasserturm.

Unsere News per Mail

Nach der Registrierung erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Erst mit Anklicken dieses Links ist die Anmeldung abgeschlossen. Ihre Einwilligung zum Erhalt des Newsletters können Sie jederzeit über einen Link am Ende jeder E-Mail widerrufen.

Die mit Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.

Meistgelesen

Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
CDU und FDP: Veloroute verlegen, Parkplätze sichern
CDU und FDP: Veloroute verlegen, Parkplätze sichern
CDU und FDP: Veloroute verlegen, Parkplätze sichern
650-Jahr-Feier soll in Stadtteile strahlen
650-Jahr-Feier soll in Stadtteile strahlen
650-Jahr-Feier soll in Stadtteile strahlen
Peter Kühne bewertet Genuss im Restaurant - auf witzige Art
Peter Kühne bewertet Genuss im Restaurant - auf witzige Art
Peter Kühne bewertet Genuss im Restaurant - auf witzige Art

Kommentare