Krahenhöhe
Hausarzt übergibt an Nachfolgerin
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Dr. Ernst-Otto Schniewind war 35 Jahre lang Hausarzt. Dr. Sabrina Grafweg übernimmt.
Von Uli Preuss (Text und Foto)
An manchen, eher aber an den meisten Tagen, endet der Arbeitstag von Dr. Ernst-Otto Schniewind zwei Stunden vor Mitternacht. Denn zum Beantworten von Mails, zum Schreiben von Gutachten für die Krankenkassen oder dem Ausstellen von Bescheinigungen für Patienten kommt der 68-jährige Hausarzt erst am Abend oder am Wochenende. Damit ist bald Schluss. Zum 1. Januar übergibt der versierte Hausarzt seine Praxis an Nachfolgerin Dr. Sabrina Grafweg. Eine Ära geht zu Ende.
Dr. Ernst-Otto Schniewind führt seine Hausarztpraxis seit dem 1. Juli 1981. Arzt ist der Internist und Gastroenterologe seit 1974. Die Anforderungen seines Berufsstandes sind seither deutlich mehr geworden, die Bürokratie raubt ihm und seinen Mitarbeiterinnen viel Zeit und sicher manchmal auch die Nerven, macht der Mediziner seinem Unmut Luft. „40 Prozent meiner Arbeit ist Büroarbeit“, sagt Dr. Schniewind.
Medizinische Fortbildungen für sich und sein Team gehören zusätzlich dazu, ebenso das umfangreiche Qualitätsmanagement seiner Praxis. Dass Hausärzte zudem nicht reich werden, auch das kann Dr. Schniewind von Gesundheitsreform zu Gesundheitsreform immer mehr bestätigen. Ein weniger günstiges, aber im Falle des Patienten sinnvolleres Medikament auf Rezept, schon zahlt der Hausarzt drauf.
Dr. Ernst-Otto Schniewind ist ein Hausarzt alter Schule. Der hochgewachsene Arzt mit dem kurz geschnittenen Vollbart ist einer, zu dem die Patienten respektvoll aufschauen, wenn sie „Herr Doktor“ sagen. Bodenständig nennen ihn seine Patienten sowieso, auch weil seine Praxis im Elternhaus an der Schützenstraße untergebracht ist. Dort betrieben die Großeltern schon 1910 eine Apotheke.
Seit Einführung der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV) 1993 zählt Schniewind seine Patienten korrekt. Aktuell steht die laufende Nummer bei 12 000. Bis zu drei Generationen einer Familie behandelt Dr. Schniewind manchmal – vom Kind bis zum Großvater. Alles sei darunter, nichts Menschliches sei ihm fremd, gesteht er. Manchen vertrauten Menschen begleitet der Hausarzt bis zu dessen Ende, bis dahin hat er Lebens- und Leidensgeschichten gehört und manchmal miterlebt. Hausärzte der alten Schule, sie sind Lotsen, Alleskönner, manchmal Seelsorger.
Auch die Mitarbeiterinnen halten der Praxis die Treue
Die Patienten sind ihrem Dr. Schniewind treu und er auch seinen Mitarbeitern. Laborantin Barbara Maske arbeitet seit 34 Jahren in der Praxis nahe der Krahenhöhe, Sprechstundenhilfe Angelika Lessmann gehört seit 26 Jahren zum siebenköpfigen Team.
Jetzt in der Winterzeit erledigt Schniewind die Hausbesuche im Dunkeln. Wie immer hat der Internist seinen Arztkoffer dabei. Lange nach den offiziellen Sprechzeiten betreut er so seine bettlägerigen Patienten. Heute fährt er zur Lindenbaumstraße, trifft dort auf eine kranke Frau, die seit mehr als 20 Jahren seine Patienten ist. „Danach gehts nach Unterburg ins Seniorenheim“, zählt der 68-Jährige auf. Hausbesuche, die schafft der Internist zwischen Ende der Sprechzeiten und den Arbeiten im Büro.
Keine Arbeit für junge Nachwuchsmediziner, die sich irgendwann dann doch für die Familie entscheiden und nur noch 20 Stunden in der Woche arbeiten wollen, glaubt Schniewind. Doch die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich für ihn nicht einmal schwierig. „Dr. Grafweg war der zweite Kontakt“, erinnert sich Ernst-Otto Schniewind. Seine Nachfolgerin ist sich bewusst, was auf sie zukommt.
Dr. Sabrina Grafweg geht einen anderen Weg, als es die meisten jüngeren Mediziner ihrer Generation heute tun. Nicht in die abgesicherte Position eines Krankenhauses will sie, sondern selbstständig sein, nah am Menschen – als Hausärztin. Denn die andere Seite kennt die 36-Jährige bereits. Sieben Jahre lang arbeitete die Gastroenterologin und Allgemeinmedizinerin im Monheimer Krankenhaus auf der „Inneren“. Ihr Chef von einst spricht immer noch von ihr als „meine beste Ärztin“. Danach kommen Jahre als Oberärztin in einem Düsseldorfer Krankenhaus. Und dann kommt Fenja. Die kleine Tochter der jungen Medizinerin ist gerade einmal sieben Monate alt. Vater Rainer Keil, ein Kaufmann, wird daheim die Elternzeit verbringen.
Doch was wird anders, wollen wir wissen? Die Praxis, gesteht die 36-Jährige, könnte einen neuen Anstrich vertragen. Auch ist eine neue, aktuelle Webseite in Vorbereitung. Ansonsten müsse man Bewährtes nicht zwanghaft verändern. Und für Fragen steht der alte Hausarzt ja auch zur Verfügung. Dr. Schniewind, er wird nicht sofort gehen, sondern seiner Nachfolgerin mit Rat und Tat und vor allem mit Erfahrung zu Seite stehen.
Auch geben die Patienten den Weg ja irgendwie vor. Ihre Bedürfnisse tragen sie bis ins Sprechzimmer der neuen Hausarztpraxis Krahenhöhe. Und dort wird eine versierte Medizinerin helfen. Und sicher auch nach der Sprechstunden Hausbesuche machen und abends – na, ja – den Schreibkram erledigen.
Hier finden Sie die weiteren Teile der Serie:
35 Hausärzte sind älter als 63 Jahre
Mehrere Hausärzte teilen sich ein Zentrum
Gehört die Zukunft dem „family doctor“?
INTERNIST Die offizielle Bezeichnung lautet „Facharzt für Innere Medizin“ (wahlweise auch „Internist“). Um diese Berufsbezeichnung tragen zu dürfen, muss ein Arzt eine Weiterbildung von mindestens 60 Monaten in einer Weiterbildungsstätte mit einer von den Landesärztekammern festgelegten Weiterbildungsordnung absolvieren.
GASTROENTEROLOGE Die Gastroenterologie befasst sich mit der Diagnostik, Therapie und Prävention von Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes sowie der mit diesem Trakt verbundenen Organe Leber, Gallenblase und Bauchspeicheldrüse.