Arbeitnehmenden-Empfang
Borbet, Insolvenzrecht, Klinikum: Kontroverse Themen beim Empfang für Arbeitnehmende
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Oberbürgermeister hatte eingeladen. Es gab zahlreiche aktuelle Themen aus Solingen.
Solingen. Vor allem ein Solinger Unternehmen stand beim Arbeitnehmenden-Empfang des Oberbürgermeisters am Freitagabend im Mittelpunkt: der Räderhersteller Borbet. Rund 600 Menschen verloren am Standort an der Weyerstraße Ende 2022 ihre Jobs – am Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und am nach wie vor profitablen Borbet-Konzern hatte es viel Kritik gegeben.
Mit dem IG-Metall-Geschäftsführer für Solingen und Remscheid, Marko Röhrig, stand einer der Kritiker beim Empfang auf dem Podium. Er kritisierte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung grundsätzlich – dabei bleibt, im Gegensatz zum Regelverfahren, die bisherige Geschäftsführung im Amt. „Damit haben wir hier in der Region in der Regel schlechte Erfahrungen gemacht“, sagte Röhrig.
Es gebe zu viele Beispiele, bei denen Mitarbeiter durch einseitigen Verzicht die Firmen saniert hätten – und am Ende stehe trotzdem die Schließung, während versprochenes Kapital für Investitionen oft nicht mehr fließe. Röhrig forderte außerdem, dass Insolvenzgerichte Arbeitnehmer-Vertreter und Gewerkschaften zwingend anhören müssten. Das sei bislang nicht der Fall. Auch deswegen erklärte er in Richtung der zahlreich anwesenden Politiker: „Politik macht Gesetze – die kann man auch wieder ändern.“
Podiumspartner von Röhrig war mit Dr. Biner Bähr ein Fachanwalt für Insolvenzrecht. Der wollte Verfahren in Eigenverantwortung zwar nicht generell abschaffen. „Die Regeln dafür könnten aber ruhig weiter verschärft werden.“ Auch SPD-Oberbürgermeister Tim Kurzbach befand, man müsse genau hinschauen, ob das Verfahren wirklich im Interesse der Arbeitnehmer und Steuerzahler sei.
So habe es, führte Bähr aus, ein „Geschmäckle“, wenn ein Unternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof zum dritten Mal die Insolvenz in Eigenverantwortung durchführe. Den finanziellen Schaden, auch für die Steuerzahler, bezifferte Bähr auf 5 Milliarden Euro.
Peter Horn, Solinger Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), hatte zuvor erneut die Gründung einer Servicegesellschaft im Städtischen Klinikum mit niedrigeren Löhnen kritisiert. Es sei seine Pflicht, laut zu werden, wenn etwas schief laufe – und hier treffe es die, die eh schon wenig verdienten. „Wir verstärken damit Ungleichheit – das kann nicht in unserem Interesse sein.“
Horn bezog das auf alle. Und zitierte Studien: In Wohlfahrtsstaaten seien alle Menschen glücklicher „als in Staaten, in denen ganz wenige ganz viel haben und die meisten nichts“. An den jüngsten Streiks hätten sich vor allem untere Lohngruppen beteiligt, „weil die Not steigt und das Geld für den Einkauf nicht mehr reicht“. Horn sieht die Gefahr von sozialen Unruhen in Deutschland.
OB fordert Solidarität mit den Kommunen
OB Kurzbach hatte zu Beginn vor rund 100 Gästen in der Kantine von Zwilling J.A. Henckels die „äußerst schwierige wirtschaftliche Lage, in der sich Probleme himmelhoch übereinanderstülpen“ beschrieben. Borbet sei ein Schlag gewesen. Nun gelte es, den Menschen zu helfen. Das DGB-Motto „ungebrochen solidarisch“ gelte aber nicht nur in Bezug auf jene, die ihren Job verlieren, darum bangen oder zu wenig verdienen. „Es muss sich zeigen in Kita und Schule, im Bus und am Arbeitsplatz“ – und auch mit den Kommunen, die in finanzielle Schieflage geraten seien.
Streit zwischen DGB und SPD
DGB-Chef Peter Horn griff die Politik jüngst scharf an – auch die gewerkschaftsnahe SPD. Die hatte mit CDU und FDP die Gründung einer Servicegesellschaft fürs Klinikum beschlossen. Horn forderte, dass sich „SPD, CDU und FDP am 1. Mai nicht als Kämpfer von Arbeitnehmendeninteressen zeigen“ sollten. Warum Horn und SPD-OB Tim Kurzbach doch gemeinsam auftreten, erklärt Horn so: Kurzbach spreche als Stadtoberhaupt, nicht für die Partei. Am Freitagabend riefen Horn und Kurzbach gemeinsam dazu auf, die Maidemo auf dem Neumarkt zu besuchen. Dort spricht ab 11.30 Uhr unter anderen die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne).