Hilfsorganisation

Flüchtlingshilfe Solingen meldet Insolvenz an

Die Räume der Flüchtlingshilfe am Ufergarten: Von den Mikromärkten ist nur noch die Kleiderkammer übrig geblieben.
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Die Räume der Flüchtlingshilfe am Ufergarten: Von den Mikromärkten ist nur noch die Kleiderkammer übrig geblieben.

Verein muss 13.500 Euro nach einem Gerichtsurteil zurückzahlen.

Von Anja Kriskofski

Solingen. Die Flüchtlingshilfe Solingen hat Insolvenz angemeldet. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei eingegangen, bestätigte das zuständige Amtsgericht Wuppertal auf ST-Anfrage. Seit 2015 war der Verein eine feste Größe unter den Hilfsorganisationen für Geflüchtete in der Klingenstadt. Weil die Flüchtlingshilfe eine Summe in fünfstelliger Höhe zurückzahlen und die Kosten eines Gerichtsverfahrens übernehmen muss, droht nun die Zahlungsunfähigkeit. Hinzu kommen Streitigkeiten innerhalb des Vereins.

Geklagt hatte ein Solinger, der im April 2020 13.500 Euro in bar in einem Briefumschlag in den Vereinsräumen am Ufergarten abgegeben hatte. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf im Dezember 2022 machte er geltend, dass er das Geld nur habe hinterlegen wollen. Demnach habe er dem Verein das Geld zur vorläufigen Aufbewahrung übergeben, weil er Angst vor Einbrüchen gehabt habe. Der Mann brachte zudem vor, wegen einer psychischen Erkrankung zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig gewesen zu sein. Das Gericht gab ihm Recht: Seinem Verhalten bei der Geldabgabe habe man nicht den Willen entnehmen können, dass er die 13.500 Euro dem Verein dauerhaft überlassen wollte, heißt es im Urteil. Der Kläger habe deshalb einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldes.

Der Verein steht nun vor der Pleite: Wegen fehlender Rücklagen habe der Vorstand beschlossen, Insolvenz anzumelden, erklärt die Vorsitzende Saskia Frings im Gespräch mit dem ST. Das Geld aus der vermeintlichen Spende sei bereits ausgegeben. „Wir haben davon rückständige Mieten bezahlt.“ Der Verein finanziert sich aus Spenden und Fördermitteln (2022: 8400 Euro).

Seit dem Gründungsjahr 2015 hat die Flüchtlingshilfe das Ladenlokal am Ufergarten angemietet mit dem Ziel, dort Geflüchtete zu beraten. 2018 startete der Verein dort sein viel beachtetes Mikromarkt-Konzept: Unter anderem Geflüchtete sollten mit Kleinunternehmen wie Schneiderei, Café und Second-Hand-Laden den Weg in die berufliche Selbstständigkeit finden. Bereits 2017 hatte der Verein den Agenda-Preis erhalten.

2022 unterlag der Verein schon einmal vor Gericht

Doch heute sind die Mikromarkt-Läden bis auf eine Kleiderkammer alle geschlossen. Innerhalb des Vereins gibt es zudem schon seit längerem Streit. So werfen unter anderem die Mitglieder Andreas Röber und Georg Schubert der Vereinsvorsitzenden Frings eine „laxe“ Buchführung vor. Mieten seien bar beglichen worden, was Saskia Frings jedoch bestreitet. Das Ladenlokal am Ufergarten sei für die Vereinsarbeit überdimensioniert, sagt Schubert. Er und Röber berichten, sie hätten dort sogar Hausverbot bekommen.

Die ehemaligen Vorstandsmitglieder Edelmira Zarniko und Dr. Birgit Lindlar-Kremer kritisierten gegenüber dem ST, dass sie über Vorgänge, die den Verein betreffen, von der Vorsitzenden nicht ausreichend informiert worden seien. „Es liefen viele Dinge am Vorstand vorbei“, sagt Lindlar-Kremer. So seien die Mikromärkte von Frings aufgelöst worden, ohne sie und andere in Kenntnis zu setzen. Sie vermissten zudem Transparenz, was die Finanzen und sonstigen Aktivitäten im Tagesgeschäft angeht, erklären Edelmira Zarniko und Lindlar-Kremer.

2022 gab es zudem bereits eine Klage gegen die Flüchtlingshilfe: Andreas Röber verklagte den Verein, nachdem auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung beschlossen und ein neuer Vorstand gewählt worden war. Er bekam Recht, das Amtsgericht Solingen erklärte die Satzungsänderung wegen formaler Mängel für nichtig. Die Kosten des Verfahrens musste auch hier der Verein tragen.

Fest steht: Das Verhältnis zwischen der Vorsitzenden Frings und den Mitgliedern Zarniko, Lindlar-Kremer, Schubert und Röber ist zerrüttet. Saskia Frings spricht angesichts der Vorwürfe gegenüber dem ST von Verleumdung. So seien nie Hausverbote ausgesprochen worden, sagt Christine Osiw, die seit September 2022 2. Vorsitzende ist. Und die Mikromärkte? Diese hätten wegen der Corona-Pandemie schließen müssen.

Der aktuelle Schatzmeister Horst Hartmann wirft unter anderem Andreas Röber „Antragsbashing“ vor. Er und andere engagierten sich nicht für den Verein, sondern „störten den Geschäftsablauf“, indem sie ständig neue Anträge für die Mitgliederversammlung stellten. „Wir wollen eine ordentliche Entlastung des alten Vorstands erreichen“, sagt Röber dazu. Auch Birgit Lindlar-Kremer fordert eine abschließende Kassenprüfung.

Die für Februar angesetzte Mitgliederversammlung haben Saskia Frings und Christine Osiw mit Verweis auf das Insolvenzverfahren jedoch abgesagt. Ein neuer Termin soll mit dem Insolvenzverwalter abgestimmt werden. Dieser reagierte jedoch bislang nicht auf eine ST-Anfrage.

Noch geht die Arbeit der Flüchtlingshilfe weiter: „Es kommen 15 bis 20 Menschen am Tag, um sich beraten zu lassen“, sagt Hartmann. Christiane Osiw biete kostenlose psychosoziale Beratung an, zudem fänden zwei Mal pro Woche Sprachkurse für Geflüchtete statt. Auch die Kleiderkammer ist noch in Betrieb: Gespendete Kleidung werde dort umsonst an Bedürftige abgegeben, sagt Mitarbeiterin Conny Heinrich. Der Verein hat laut Horst Hartmann noch 21 Mitglieder – von ehemals 45.

Auch Andreas Röber, Georg Schubert, Birgit Lindlar-Kremer und Edelmira Zarniko engagieren sich unterdessen weiter in der Hilfe für Flüchtlinge, unter anderem im Beratungszentrum Fluchtpunkt.

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