Notrufe
Feuerwehr kritisiert Notfallmanagement
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In einem Notfall arbeiten der ärztliche Dienst der KV und die Leitstelle der Feuerwehr zusammen. Doch es gibt Verbesserungsbedarf.
Von Kristin Dowe
Solingen. Andreas Maron von der Feuerwehr Remscheid hat die Situation in der Leitstelle von Solingens Nachbarstadt schon häufig erlebt: Das Telefon des Notrufs klingelt bei Hochbetrieb – und eigentlich wäre der geschilderte Fall nicht lebensbedrohlich, sondern ein Fall für den kassenärztlichen Notdienst. „Es kommt häufig vor, dass wir einen Patienten an die ärztliche Service-Nummer 116 117 verweisen und er dann später dann doch wieder bei uns landet.“ Denn häufig sei der medizinische Notdienst der KV personell unterbesetzt, doch würden in einzelnen Fällen auch Notärztinnen und -ärzte ihrer Verantwortung nicht ausreichend gerecht und wiesen Einsätze einfach an die Feuerwehr zurück. „Es kam auch schon vor, dass Kollegen mit einer einfachen Grippe ins Krankenhaus fahren mussten.“
Maron ist Mitglied der AG Leitstelle bei der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft, die ihren Hauptsitz auf Landesebene in Solingen hat. Diese fordert dringend Reformen beim Management von medizinischen Notfällen mit Blick auf die Zuständigkeiten von Kassenärztlicher Vereinigung beziehungsweise Feuerwehr und Rettungsdienst.
Feuerwehrgewerkschaft fordert „virtuellen Verbund“
„Das Problem ist sehr vielschichtig“, ergänzt Feuerwehrmann Holger Steffen, ebenfalls Mitglied der AG Leitstelle. „Bundesweit ist die Anrufbearbeitung in den Leitstellen sehr unterschiedlich geregelt. Wir fordern daher ein einheitliches System – idealerweise eine integrierte Leitstelle, in der sich KV und Feuerwehr unter einem Dach befinden und kurze Kommunikationswege bei der Zuweisung von Einsätzen hätten.“ Ebenfalls denkbar sei ein virtueller Verbund beider Organisationseinheiten. Dieser würde gewährleisten, dass ein pingpong-artiges „Zurückspielen“ von Einsätzen an die Feuerwehr und umgekehrt technisch ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich treffe jeder Patient zunächst selbst eine Einschätzung über seinen medizinischen Zustand und die Frage, unter welcher Nummer er Hilfe anfordert, so Steffen. Als „nicht zielführend“ stuft der Gewerkschafter Überlegungen der Ampel-Koalition der Bundesregierung ein, die beiden Nummern unter einer Leitung zusammenzulegen. „Es ist absolut nicht praktikabel, die komplette Anruflast auf eine Leitung zu konzentrieren. Die Trennung der Nummern sollte unbedingt erhalten bleiben.“ Sonst fördere man erst recht eine Überlastung von Feuerwehr und Rettungsdienst mit medizinischen Bagatellproblemen, so dass für wirkliche Notfälle Kapazitäten fehlten.
Die Einschätzung der Gewerkschaft teilt Oliver Wilkes, Leiter der Feuerwehrleitstelle Solingen/Wuppertal, auf ganzer Linie. „Wenn alle Fälle unter einer Nummer zusammengefasst würden, könnten wir gar nicht alles abarbeiten. Der Personalaufwand wäre riesig.“ Auch sieht er Verbesserungsbedarf in der Kommunikation zwischen Feuerwehr und kassenärztlichem Notdienst. Letzterer müsse prinzipiell „leistungsstärker aufgestellt“ sein. „Es gibt im Alltag viele Graubereiche bei der Zuständigkeit, beispielsweise wenn wir es mit einer psychiatrischen Ausnahmesituation eines Patienten zu tun haben. Da hat der KV-Dienst teilweise sehr weiche Kriterien.“
Zwar sei es aus seiner Sicht nicht zwingend notwendig, beide Einheiten in einem Gebäude in Form einer integrierten Leitstelle zusammenzulegen (die Einsätze der KV werden von Köln aus koordiniert). Doch könne ein virtueller Verbund hilfreich sein, um besser miteinander zu kooperieren und Rechtssicherheit für die Mitarbeitenden der Feuerwehr im Notdienst zu schaffen. „Es wäre zum Beispiel hilfreich, wenn die Ergebnisse der medizinischen Ersteinschätzung der KV bei einer Übergabe der Feuerwehr systematisiert zur Verfügung gestellt werden könnten. Das ist bisher noch nicht der Fall.“
Derweil wirft Wilkes nicht jedem Patienten pauschal vor, die Nummer des Notrufs zu missbrauchen. „Ich mache den Anrufern keinen Vorwurf. Viele wissen es in einer Notsituation einfach nicht besser.“ Dennoch seien bei der Versorgung von Nicht-Notfallpatienten Veränderungen erforderlich. „Wir übernehmen in der Leitstelle immer mehr Aufgaben der Daseinsfürsorge. Patienten rufen uns mitunter an, weil sie ein rezeptpflichtiges Medikament am Wochenende benötigen. So etwas blockiert das System.“
Kassenärztliche Vereinigung
Dr. Stephan Kochen, Mitglied der KV Nordrhein und Sprecher des Solinger Praxisnetzwerks Solimed, befürwortet die Idee eines virtuellen Verbundes, hat aber Zweifel an der Umsetzung. „Da wird es vermutlich erhebliche Probleme mit dem Datenschutz geben. So schnell kann ein Patient in einer Notlage in die Weitergabe seiner Daten gar nicht einwilligen.“ Auch müsse für die ärztliche Service-Nummer 116 117 mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden, um deren Bekanntheitsgrad zu erhöhen.
Kommentar von Kristin Dowe: Klare Zuständigkeiten
Theoretisch ist es ganz einfach: Bei akuten medizinischen Beschwerden können sich Patienten unter der Nummer 116 117 an den Kassenärztlichen Notdienst wenden, wohingegen die 112 nur gewählt werden sollte, wenn die Situation lebensbedrohlich ist. In der Praxis sieht es oft anders aus, so dass manche Hilfesuchende – sei es aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit – die Feuerwehr mit eigentlich harmlosen Anliegen behelligen. Das ist Teil des Problems, das die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft beim Management eingehender Notfallanrufe beschreibt und das von den Leitstellen im Bergischen bestätigt wird.
So braucht es nicht nur einen virtuellen Verbund, der es den beiden Organisationseinheiten technisch erleichtert, so schnell wie möglich die Zuständigkeit für einen Notruf zu klären. Hier kann die Digitalisierung dazu beitragen, Menschenleben zu retten. Es bedarf auch weiterer Aufklärungsarbeit über den Zweck der beiden Nummern. Damit diejenigen schnell Hilfe bekommen, die wirklich dringend welche brauchen.