„Verzögerung bei Rettungswagen war nie Sicherheitsrisiko“
Fast alle neuen RTW sind nun einsetzbar
aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Seit Anfang des Jahres stehen in Solingen zehn neue Rettungswagen. Doch die konnten noch keinen Einsatz fahren. Das ändert sich jetzt.
Von Björn Boch
Solingen. Die neuen Rettungswagen (RTW) der Feuerwehr Solingen sind einsatzbereit – das teilt die Stadt am Montag mit. Von zehn neuen RTW würden neun nun in den Rettungsdienst gestellt. Bei einem Fahrzeug gebe es „kleinere Probleme mit dem Funkgerät“.
Wie berichtet hatten Lieferschwierigkeiten bei IT-Systemen zur Verzögerung geführt. „Unter Hochdruck haben Feuerwehr, städtische IT-Abteilung und IT-Dienstleister nach einer Lösung gesucht“, so die Verwaltung – unter anderem das Tageblatt hatte über die Verzögerung berichtet.
Kritik kam vor allem vom Bundesvorsitzenden der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG), Siegfried Maier. Er hatte den Zustand als „nicht akzeptabel“ bezeichnet, höhere Arbeitsbelastung im Rettungsdienst durch die ältere Technik kritisiert und vor möglichen Ausfällen der alten RTW gewarnt. Der Vorsitzende des Landesverbandes NRW der DFeugG, Dirk Viertelhaus, teilt diese Kritik allerdings nicht. „Aus unserer Sicht gab es keine Probleme wegen der Verzögerung. Die Kommentare des Bundesvorsitzenden – besonders in Bezug auf mögliche Engpässe – konnten wir zu keiner Zeit nachvollziehen“, so Viertelhaus am Montag.
Das habe man der Amtsleitung der Feuerwehr in Solingen so kommuniziert – und sich entschuldigt. Viertelhaus ist Feuerwehrmann in Remscheid, dort sei es zu ähnlichen Problemen gekommen. „Da fehlt manchmal ein winziges elektronisches Teil. Niemand kann etwas dafür, wenn die aktuell kaum zu kriegen sind.“
Technik ist „integraler Bestandteil“ der neuen Rettungsfahrzeuge
Ausgestattet sind die RTW mit neuen Tragesystemen und „Ambulance Pads“. Damit können Rettungskräfte ein genaueres medizinisches Protokoll erstellen und an das Krankenhauspersonal übergeben. Zwar hätten die Rettungswagen anfangs auch ohne die Technik eingesetzt werden können – das sei aber nicht sinnvoll gewesen, weil sie integraler Bestandteil dieser Fahrzeuge sei.
Die neuen RTW haben nun einen Teil der Bestandsfahrzeuge der Feuerwehr abgelöst. Die Fahrzeuge wurden Ende Dezember und Anfang Februar in zwei Tranchen abgeholt. Die Feuerwehr betont, eine Spanne von drei Monaten für die Inbetriebnahme sei üblich. Die Verspätung betrage nur wenige Wochen.
Solingens Feuerwehrchef Dr. Ottmar Müller bedauert zwar, dass die damit verbundenen Erleichterungen bei den Tragen und der Arbeitsergonomie verspätet kämen. Es sei aber festzuhalten, dass sich auch die Fahrzeuge, die nun abgelöst werden, bereits auf einem guten technischen Stand befanden. Zu keinem Zeitpunkt habe durch die Verzögerung ein Sicherheitsrisiko bestanden, so Müller. Die laut Stadt acht bis elf Jahre alten Fahrzeuge würden nun in der Rettungsdienstschule eingesetzt oder veräußert.
Durch die neuen RTW „sind wir einen bedeutenden Schritt in Richtung einer einheitlichen und hochmodernen Fahrzeugflotte im Rettungsdienst vorangekommen“, so Müller. Dies sei wichtig „mit Blick auf steigende Einsatzzahlen“ im Rettungsdienst: 2022 gab es fast 25 400 Einsätze des Rettungsdienstes der Berufsfeuerwehr – knapp 6000 mit einem Notarzt. Vergleichszahlen zum Vorjahr nennt der Jahresbericht der Feuerwehr nicht.
Feuerwehrbericht 2022
Brandschutz: Es gab mehr Kleinbrände, die Zahl der Brandeinsätze stieg von 359 im Jahr 2021 auf 435, die Fehlalarme sanken von 354 auf 302. Die Zehn-Jahres-Entwicklung in diesem Bereich ist recht konstant.
Hilfeleistungen: Feuerwehr oder ehrenamtliche Helfer rückten 1818 Mal aus (2021: 2045). Die Zehn-Jahres-Entwicklung zeigte zuvor – mit Ausnahme des ersten Pandemiejahres – einen stetigen Anstieg.
Mitglieder: Die Anzahl der Mitglieder ist gegenüber 2021 um 45 auf 964 gestiegen (705 aktiv und 259 inaktiv), Aus- und Fortbildung seien „weiter intensiviert worden“.
Freiwillige: Neben der Berufsfeuerwehr war die Freiwillige Feuerwehr „erneut eine wesentliche Säule der Gefahrenabwehr“, wie Dr. Ottmar Müller betont. Die Zahl der ehrenamtlich geleisteten Stunden liege „wieder im mittleren fünfstelligen Bereich“. Auch die Freiwillige Feuerwehr sei ein tragendes Element der Stadtgesellschaft – insgesamt sei festzuhalten, dass die gesamte Solinger Feuerwehr „den Anforderungen gerecht werden konnte“.
Kommentar von Björn Boch: Und sie fahren doch
Als die Verspätung bei den Rettungswagen bundesweit durch die Medien ging, versicherte die Stadt umgehend, dass „mit Hochdruck“ an einer Lösung gearbeitet werde. Das Ziel, die RTW in Kalenderwoche 19 in Dienst zu stellen, wurde – bis auf ein Fahrzeug – direkt am ersten Werktag der Woche erreicht. Das ist erfreulich.
Nicht zu klären ist, ob der „Hochdruck“ ohne entsprechende Öffentlichkeit so druckvoll gewesen wäre. Vielleicht war das ja auch der Grund, warum der Bundesvorsitzende der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft seine Kritik so laut vorbrachte – ohne sich mit seinen NRW-Kollegen abzustimmen. Dass jene nun ebenso deutlich die Solinger Feuerwehr in Schutz nehmen, spricht zwar nicht für die Kommunikation innerhalb der Gewerkschaft, aber für gesunde Meinungsvielfalt.
Oder spielt da etwa jemand analog zum Krimi „guter Feuerwehrmann – böser Feuerwehrmann“? Freuen dürfen sich auf jeden Fall zwei große Gruppen: Mitarbeitende im Rettungsdienst und Patientinnen und Patienten.