Uni-Vortrag 2023

Uni Vorträge starten wieder: Fakten sind die besten Mittel gegen Ängste

Zum 32. Mal veranstaltet das Solinger Tageblatt seine erfolgreiche Vortragsreihe mit der Bergischen Universität. Auf vier spannende Abende im Gründer- und Technologiezentrum freuen sich (v. l.): Chefredakteur Stefan M. Kob, Verleger Bernhard Boll, der ehemalige Uni-Rektor Prof. Dr. Lambert T. Koch, die Referenten Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek und Prof. Dr. Detlef Sack sowie Uni-Rektorin Prof. Dr. Birgitta Wolff, Referent Dr. Tim Lukas und Verleger Michael Boll.
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Zum 32. Mal veranstaltet das Solinger Tageblatt seine erfolgreiche Vortragsreihe mit der Bergischen Universität. Auf vier spannende Abende im Gründer- und Technologiezentrum freuen sich (v. l.): Chefredakteur Stefan M. Kob, Verleger Bernhard Boll, der ehemalige Uni-Rektor Prof. Dr. Lambert T. Koch, die Referenten Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek und Prof. Dr. Detlef Sack sowie Uni-Rektorin Prof. Dr. Birgitta Wolff, Referent Dr. Tim Lukas und Verleger Michael Boll.

In den Vorträgen geht es dieses Mal um die rauer werdende Diskussionskultur, die Verkehrswende, Straßenkriminalität und die Energiekrise.

Von Knut Reiffert

Solingen. Themen aus vier unterschiedlichen Fachbereichen stehen dieses Jahr auf dem Programm der gemeinsamen Vortragsreihe von Solinger Tageblatt und Bergischen Universität. Was sie verbindet: Alle liefern aktuelle Erkenntnisse zu gesellschaftlichen oder technischen Entwicklungen, die viele Menschen in Krisenzeiten eher mit Sorge betrachten: die rauer werdende Diskussionskultur, die Verkehrswende, Straßenkriminalität und die Energiekrise.

Die 32. Auflage der Vortragsreihe ist gleichzeitig die erste, die in die Amtszeit von Prof. Dr. Birgitta Wolff fällt. Die neue Rektorin ist begeistert von dem Format, bei dem Wissenschaftler ihre Forschung einem breiten Publikum auf verständliche Weise näher bringen. Mit Tageblatt-Verleger Michael Boll stimmt sie überein, dass es ein verbindendes Element zwischen den Institutionen Hochschule und Presse gibt: Beide haben ihre Existenzberechtigung dadurch, dass sie objektive Fakten liefern. „Diese gemeinsame Mission werde ich gerne so intensiv weiterführen, wie es mein Vorgänger Professor Koch 14 Jahre getan hat“, sagt Wolff. Deshalb will sie bei möglichst vielen Vorträgen im Gründer- und Technologie- zentrum dabei sein.

„Toxisches Verhalten“ kann die Demokratie gefährden

Den diesjährigen Auftaktvortrag hält dort Prof. Dr. Detlef Sack am Montag, 27. März. Der Politikwissenschaftler hat nicht zuletzt aufgrund seiner internationalen Erfahrung die große Politik im Blick, hält aber das Geschehen auf kommunaler Ebene für mindestens genauso wichtig: „Hier wird Politik real“, ist er überzeugt. Unter dem Titel „Corona, Energie und Demokratiezufriedenheit – Diskussionskultur in Krisenzeiten“ befasst er sich mit der veränderten Debattierkultur und stellt vier verschiedene Strömungen vor: Die demokratie-gefährdende „toxische Polarisierung“, bei der Menschen mit anderer Meinung Feinde, und nicht mehr Gegner sind. Dann die Kulturpessimisten, die den Untergang diskutieren und statt Klimawandel oder -anpassung immer von Klimakatastrophe sprechen. Die schweigende Mehrheit nennt Sack „griesgrämige Stillhaltefraktion“. Viel Sympathie zeigt er für die vierte Strömung, die er als „tätiges Leben“ definiert. Gruppen, bei denen das Reden in eine gemeinsame Tätigkeit mündet. „Am Ende können sich die Vortragsbesucher überlegen, wo sie sich am ehesten einordnen“, lautet das Angebot des Referenten, der überzeugt ist: „Wir leben in einer hochspannenden Zeit.“

Ziel ist weniger Verkehr und trotzdem mehr Mobilität

Spannend und höchstwahrscheinlich von einer kontroversen Diskussion begleitet wird der Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter am Montag, 17. April. Titel: „Nachhaltige Mobilität – auf neuen Wegen zu Verkehrswende und lebenswerteren Innenstädten.“ Dazu gehören für sie viele Stellschrauben wie zum Beispiel vereinfachte ÖPNV-Tickets, verkehrsberuhigte und autofreie Zonen sowie Mobilstationen, die den schnellen Umstieg vom Fahrrad auf Bus und Bahn ermöglichen. „Die Begriffe Mobilität und Verkehr sind nur auf den ersten Blick dasselbe“, findet die Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliche Verkehrssysteme und Mobilitätsmanagement mit Blick auf die Staus in der Stadt. Man könne viel Verkehr produzieren, ohne dass effektiv mehr Mobilität erreicht werde. Ihr Gegenentwurf lautet: „Mehr Mobilität, weniger Verkehr.“ Für Solinger Unternehmen hat die Raumplanerin bei einem Projekt zum Betrieblichen Mobilitätsmanangement (BMM hoch drei) Beratungen durchgeführt, die neben einer Fuhrparkanalyse auch Vorschläge macht, wie Mitarbeiter sinnvoll Fahrgemeinschaften bilden können.

Bei alledem weiß Reutter, wovon sie redet. Seit 1998 verzichtetet sie auf ein eigenes Auto zugunsten von ÖPNV, Fahrrad und Carsharing. Und das, obwohl sie und ihr Mann zwei Haushalte haben – in Wuppertal und Dortmund.

Referent setzt auf Erkenntnisse der Kriminalgeografie

Auch in Solingen gibt es Straßen, Plätze, Parks und Parkhäuser, in denen sich viele Menschen spätestens im Dunkeln nicht mehr wohlfühlen. Warum das so ist, und was dagegen getan werden kann, thematisiert Dr. Tim Lukas am Montag, 15. Mai, in „Die Angst ,ausRäumen‘? Sicherheit und Sicherheitsgefühle in der Stadt verbessern.“ 250 Einzelmaßnahmen umfasst der Werkzeugkasten zur Kriminalprävention, wenn er als Leiter einer Forschungsgruppe Kommunen berät und Handlungsempfehlungen gibt. Dabei setzt der Soziologe auch auf Erkenntnisse der Kriminalgeografie. Für Wuppertal weiß er: „50 Prozent der Straftaten finden in nur fünf Prozent der Straßen statt.“

Angsträume entstehen seines Erachtens vor allem durch die Konzentration der Szenen – insbesondere der Drogenabhängigen, Wohn- und Obdachlosen. „Aber mit diesem Menschen müssen wir leben“, fordert er mehr Toleranz von der Mehrheitsbevölkerung. Diese müsse kompetent gemacht werden für den Umgang mit der Unsicherheit in der Stadt.

Abhilfe schaffen sollen aber auch mehrere verschiedene, attraktive Angebote für das stigmatisierte Publikum. „Entzerrung statt Konzentration“, sieht Lukas als vielversprechend an. Eine Möglichkeit sehen viele Kommunen in der Verdrängung der Szenen durch Wohnumfeldverbesserungen und Zuzug zahlungskräftiger Mieter. Eine Maßnahme, die Lukas am Düsseldorfer Hauptbahnhof begleitet. „Das Vorgehen zieht aber neue Konflikte nach sich“, weiß der Kriminologe. „Die Alteingesessenen fürchten, dass sie sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.“

„German Energiewende“ ist für viele Staaten ein Vorbild

Wer Zuversicht tanken möchte, ist am Montag, 5. Juni, richtig. Zum zweiten Mal ist dann der Elektrotechniker Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek Referent beim Uni-Vortrag. Diesmal mit dem Thema: „Wege aus der Energiekrise – so kann das nachhaltige Energiesystem der Zukunft gelingen.“

Zwei Zielmarken gibt er vor. Die erste: „Einen Winter müssen wir noch überstehen, dann normalisiert sich der Gaspreis auch für den Endverbraucher“, ist er überzeugt. Der liege zwar nie wieder so niedrig wie vor dem Ukraine-Krieg, „aber auf alle Fälle weit unter dem, was wir jetzt zahlen.“

Zielmarke zwei ist das Jahr 2046: „Dann ist die Energiewende geschafft“, sagt der international renommierte Experte voller Überzeugung. Anhand eines „einfachen bergischen Dreisatzes“, rechnet er in seinem Vortrag vor, wie die Energieversorgung für Haushalte, Industrie und Mobilität dann aussieht. Und zwar CO2-frei, ohne Öl, Kohle, Gas und Atomkraft. Und zudem nicht teurer als bisher.

Möglich sein soll das zum einen durch eine Verdreifachung von regenerativen Energien wie Wind- und Solarkraft. Dazu kommt ein großes Einsparpotenzial durch Effizienz. „Den Restbedarf decken wir durch den Import von Grünem Wasserstoff über Pipelines und LEG-Terminals“, erklärt Zdrallek. Man müsse allerdings damit leben, dass diese Energie vor allem aus dem arabischen Raum stamme. „Wegen unserer hochentwickelten Wirtschaft werden wir immer ein Energie-Import-Land bleiben.“

„Die Energiewende ist besser als ihr Ruf“, glaubt der Professor. „Vor allem Schwellenländer sehen uns als Vorreiter und möchten uns als Blaupause nutzen.“ International sei der Begriff „German Energiewende“ schon so etwas wie eine Marke.

Die Vortragsreihe

Corona, Energie und Demokratiezufriedenheit – Diskussionskultur in Krisenzeiten. Prof. Dr. Detlef Sack, Lehr- und Forschungsgebiet Demokratietheorie und Regierungssystemforschung. Montag, 27. März, 19 Uhr.

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter.

Nachhaltige Mobilität – auf neuen Wegen zu Verkehrswende und lebenswerteren Innenstädten. Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter, Lehr- und Forschungsgebiet Öffentliche Verkehrssysteme und Mobilitätsmanagement. Montag, 17. April, 19 Uhr.

Die Angst „ausRäumen“ – Sicherheit und Sicherheitsgefühle in der Stadt verbessern. Dr. Tim Lukas, Forschungsgruppe Räumliche Kontexte von Risiko und Sicherheit. Montag, 15. Mai, 19 Uhr.

Wege aus der Energiekrise – so kann das nachhaltige Energiesystem der Zukunft gelingen. Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Lehr- und Forschungsgebiet Elektrische Energieversorgungstechnik, Montag, 5. Juni.

Veranstaltungsort: Gründer- und Technologiezentrum, Grünewalder Straße 29-31, 42657 Solingen.

Hinweis: Der Eintritt ist frei. Dauer jeweils circa eine Stunde. Kostenloses Parken.

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