Mein Leben als Papa
Der erste Schnee: Mit Kindern eigentlich wieder richtig cool
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ST-Redakteur Gunnar Freudenberg erzählt vom Alltag mit seinen Söhnen Hannes (7) und Michel (4).
„Raaatsch, raaatsch“ – das Geräusch der scharrenden Schneeschippe reißt mich aus dem Schlaf. „Hat wohl doch mehr geschneit als gedacht“, kombiniere ich und bewundere und verurteile meinen lieben Nachbarn Abdullah dafür, dass er sich schon um 6.15 Uhr um das Räumen der Gehwege kümmert. „Du bist der Deutscheste von uns allen in dieser Straße“, ziehe ich meinen türkischen Freund auf.
Es ist noch nicht lange her, da hätte so ein Wintereinbruch an einem Wochentag meine Laune verschlechtert. Weil ich mein Auto erst hätte freikratzen und auf dem Weg zur Arbeit vermutlich viel Zeit darin hätte verbringen müssen. Heute habe ich zum Glück immer die Option, von zu Hause aus zu arbeiten, und kann mich wie ein kleines Kind über die weißen Straßen, Autos und Bäume freuen.
„Schneee“, rufen dann auch Hannes und Michel freudig erregt, als sie die weiße Pracht erblicken. Darauf haben sie schon so lange gewartet. Sie wollen direkt die Schlitten aus dem Keller holen, Iglus bauen und im Schnee Fußball spielen. Um 6.45 Uhr. Geht natürlich nicht. Schule und Kindergarten warten. Auf dem Schulweg ist es so ruhig wie nie. Busse und Lkw hängen am Berg fest, die Polizei hat die Straße gesperrt, Menschen sind genervt. Hannes dagegen findet diesen Wintermorgen „cool“, rutscht fröhlich über den Gehweg und wirft Schneebälle in die Baumwipfel. Seine Klassenkameraden empfangen ihn euphorisch.
Als ich wieder zu Hause ankomme, kommt mir Michel jauchzend auf dem Schlitten entgegen. Er möchte nicht in den Kindergarten, sondern im Schnee bleiben. Einzige Chance: Ich ziehe ihn im Schlitten bis zum Kindergarten. Vorbei an Bussen und Lkw, die festhängen. Michel findet es „cool“, ich auch. Elterntaxi mal anders. Und viel gesünder. Am Nachmittag bin ich allerdings nur Nebenfigur, als Hannes und Michel wie zwei Kühe, die nach einem langen Winter wieder auf die Weide dürfen, in den Garten stürmen. Nur dass es eben nicht das saftige Gras ist, nach dem sie gieren, sondern der Schnee.
Michel wirft als Erstes Schneebälle gegen mein Fenster und lacht sich kaputt. Hannes baut sich eine Rampe, über die er mit dem Schlitten springen will. Vom Klofenster aus darf ich Preisrichter spielen und Haltungsnoten verteilen. 20,0 für beide! Der rosafarbene Lenkschlitten, mit dem ihre Mama früher schon gefahren ist, wird von den Jungs übrigens trotz seiner „Mädchenfarbe“ akzeptiert, weil er ganz schön abgeht. Den ganzen restlichen Nachmittag bekomme ich Hannes und Michel nicht mehr zu Gesicht. Nur zu hören ist ihre pure Freude die ganze Zeit. Als die Nachbarkinder dazustoßen, wird es noch lauter – und ich wäre gerne bei der Schneeballschlacht dabei. Aber der Winter dauert ja noch ein bisschen länger. Beim nächsten „Raaatsch, raaatsch“-Geräusch freue ich mich sofort. Und vielleicht bin ich auch schnell genug, um beim Schippen zu helfen.