Ruhestand
Das Unvorhergesehene prägte seinen Alltag
aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Stadtwerke-Urgestein Thomas Schaaf geht in den Ruhestand – Erinnerungen an fast 30 Jahre Entstördienst.
Von Manuel Böhnke
Solingen. Ein Fünkchen Wahrheit steckt in den meisten Gerüchten. Er sei bei Notfällen schneller als Polizei und Feuerwehr vor Ort gewesen? Thomas Schaaf winkt ab. Nach kurzer Pause schiebt er nach: „So oft ist das wirklich nicht passiert.“ In rund 40 Jahren im Dienst der Stadtwerke und ihrer Tochtergesellschaft SWS Netze Solingen GmbH hat er im Entstördienst mehr als 2500 Einsätze erlebt. Nun beginnt für den 61-Jährigen die passive Phase seiner Altersteilzeit.
„Es wird eine Weile dauern, bis ich mich an die Ruhe gewöhnt habe“, bekennt Schaaf. Denn über Jahrzehnte prägte das Unvorhergesehene seinen Alltag. Nach dem Wehrdienst heuerte der gelernte Sanitärinstallateur 1982 bei den Stadtwerken an. Als Rohrleitungsbauer war er zunächst für die Wartung und Reparatur des Netzes in der Klingenstadt zuständig.
„Jetzt hauen wir auf die Kacke.“
Binnen fünf Jahren wurde er Vorarbeiter, legte 1987 seine Prüfung zum Rohrnetzmeister ab. In dieser Position begleitete er als Baubeauftragter vor allem klassische Hausanschlüsse. Anfang der 1990er Jahre wirkte er unter anderem daran mit, die Erdgasleitungen für Unterburg in Betrieb zu nehmen.
Seit 1994 war Thomas Schaaf für den Bereich Wartung sowie den dazugehörigen Entstördienst verantwortlich. „Jeder Tag war anders“, sagt der 61-Jährige. Normalerweise begann seine Schicht um 7 Uhr. Hatte er einen Überblick über das Geschehen in der Nacht und das verfügbare Personal gewonnen, warteten übliche Aufgaben, geplante Arbeiten. „Und dann passiert das Unvorhergesehene“ – Rohrbrüche, Gasgeruch, stinkendes Wasser, mangelhafter Leitungsdruck. Nicht in jedem Dienst habe eine Katastrophe die nächste gejagt. Aber: „Im Grunde hat sich unser Programm fast immer mehrfach am Tag geändert.“ Schaaf erinnert sich etwa an einen kalten Winter mit mehr als 80 geplatzten Wasserzählern.
In der Regel alle vier Wochen müssen die Beschäftigten des Entstördienstes sieben Tage lang 24-Stunden-Bereitschaften leisten. Im Ernstfall haben sie 30 Minuten Zeit, um den Ort des Geschehens zu erreichen – Tag und Nacht. Dabei helfen Piepser, wie man sie von der Feuerwehr kennt, und Wagen mit Sonderrechten. Die Einführung dieser Technik, spezieller Brandschutzkleidung und Werkzeuge stieß Thomas Schaaf an. Er war es auch, der die Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Polizei stärkte.
Die musste vor allem bei großen Einsätzen stimmen. Der 61-Jährige war diensthabender Meister, als das Beverly in Flammen stand, es in einem Fachwerkhaus in Unterburg zu einer Gas-Explosion kam, bei beiden Rasspe-Bränden, den verheerenden Feuern in der Alten Schlossfabrik sowie im Gewerbegebiet Scheuren. Bei Ereignissen wie diesen zählte es zu seinen Aufgaben, den Gasanschluss der betroffenen Immobilie zu finden und wenn möglich abzusperren. Zudem half er dabei, die Löschwasserversorgung sicherzustellen, wenn der Bedarf besonders groß war.
Es sind Momente wie diese, an die Thomas Schaaf noch lange zurückdenken wird. Doch auch zahlreiche schwere Wasserrohrbrüche und Gasstörungen bleiben ihm in Erinnerung. Immer wieder war der Ernstfall eng mit menschlichen Schicksalen verbunden. „Das vergessen sie nicht“, sagt der Solinger. Er habe mit der Zeit gelernt, mit solchen Situationen umzugehen.
Thomas Schaaf hat sich mit seiner Arbeit identifiziert – und sie „sehr, sehr gerne“ gemacht. Das galt auch auf der Zielgeraden seiner beruflichen Laufbahn, als er an den Vorbereitungen für mögliche Engpässe bei Strom und Gas beteiligt war. Dementsprechend tränenreich war der Abschied von seinen Kollegen vor einigen Tagen. Nun freut sich der 61-Jährige auf Zeit mit seiner Familie, den beiden Söhnen und bald zwei Enkelkindern, Kreuzfahrten mit seiner Frau, die ihm in all den Jahren den Rücken freigehalten habe. „Jetzt hauen wir auf die Kacke“, sagt er lachend.
Ganz loslassen wird Thomas Schaaf sein Job allerdings nicht. In mehr als 40 Jahren bei den Stadtwerken hat er unzählige Menschen, Häuser und Keller kennengelernt. Bei Fahrten durch Solingen dürfte ihm die eine oder andere Anekdote in den Sinn kommen – ganz ohne Zeitdruck, Sonderrechte und Piepser.