Mein Leben als Papa
Das Tor zur Welt: „Aber du magst Hamburg doch überhaupt nicht!“
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ST-Redakteur Gunnar Freudenberg erzählt vom Leben mit und ohne seinen Söhnen Hannes (7) und Michel (4).
Als ich morgens um halb sieben im Hotel aufwache, bin ich wütend auf mich selbst. Warum nutzt mein Körper diese einmalige Chance nicht, ausschlafen zu können?
Ich bin zwei Tage lang raus aus dem Alltag. Auf Dienstreise. Ohne Frau und Kinder. Für Hannes unbegreiflich. „Dann schläfst du auch gar nicht zu Hause?“, fragt er mich. Und ich merke, dass ihn das traurig macht. „Nein, ich schlafe in einem Hotel“, sage ich. „Wo denn?“, will er wissen. „In Hamburg.“ Jetzt ist Hannes nicht mehr traurig, sondern sauer: „Aber du magst Hamburg doch überhaupt nicht!“, sagt er empört. „Na ja, den HSV mag ich nicht, aber die Stadt ist schon schön“, erkläre ich ihm.
Mit ganz vielen Videoanrufen aus Hamburg soll ich ihm das beweisen. „Und dir zeige ich vielleicht sogar den Hamburger Michel“, mache ich meinen Michel, der mir zum Abschied einen Stein schenkt, damit ich an ihn denke, neugierig.
Keine fünf Stunden später, Hannes und Michel sind schon wieder aus der Schule und dem Kindergarten zurück, stehe ich am Hamburger Hafen. Dicke Pötte im Hintergrund, Möwen kreisen über mir. Ich freue mich auf den Videoanruf und darauf, Hannes und Michel die große weite Welt zu zeigen. Interessiert schauen sie ins Smartphone. Für ungefähr eine Minute. Dann schauen sie lieber weiter fern. Ihre Mittagspause ist ihnen heilig, da ist auch ihr reisender Papa nicht mehr so spannend.
Dafür sind es die Workshops über den Dächern von Hamburg, die nun starten. Und der Austausch über die Arbeit mit den Kollegen aus ganz Deutschland. Am besten verstehe ich mich mit dem Kollegen der Siegener Zeitung. Wir teilen nicht nur den Beruf, auch er ist Papa von zwei Kindern in Hannes’ und Michels Alter. Genau wie ich empfängt er zwischendurch Nachrichten seiner Frau. Vom Alltag zu Hause, dem wir entflohen sind.
Mir werden Bilder von Hannes beim Fußballtraining geschickt. „Ich habe heute ein echtes Traumtor geschossen“, erzählt mir Hannes später bei meinem abendlichen Videoanruf. Obwohl ich von meinem Hotelzimmer aus aufs Tor zur Welt blicke, bin ich traurig, dass ich das Tor, das meinem Sohn die Welt bedeutet hat, verpasst habe. Auch Michel ist diesmal aufmerksamer. Er will genau wissen, wie mein Hotelzimmer aussieht. Auch aufs Bad soll ich unbedingt schwenken. „Und wo sind die anderen Zimmer?“, fragt er und versteht nicht, dass es keine mehr gibt. Nach dem Hamburger Michel fragt er nicht.
Und auch ich lasse Michel Michel sein. Auch die Alster und die Reeperbahn kriegen mich an diesem Abend nicht mehr zu Gesicht. Draußen regnet es Bindfäden. Außerdem bin ich müde. „Schlaf dich doch einfach mal aus“, sage ich zu mir selbst.