Beim Anschlag auf das Haus der Familie Genc sterben am 29. Mai 1993 fünf Menschen. Täter sind fünf Rechtsextreme. Gedenkfeier am 29. Mai 2023 mit Bundespräsident Steinmeier.
Am 29. Mai 1993 zünden fünf rechtsextreme Täter das Haus der Familie Genç an. Fünf Menschen sterben bei dem Brandanschlag in Solingen: Gürsün Ince († 27), Hatice Genç († 18), Gülüstan Öztürk († 12), Hülyia († 9) und Saime Genç († 4). 14 weitere Familienmitglieder erleiden teilweise lebensgefährliche Verletzungen. Die Tat, die Ausschreitungen in den Tagen danach, der Prozess gegen die fünf Täter und ihr Urteil sind traumatischer Teil der Solinger Geschichte. Mevlüde Genç wurde zum Symbol für Versöhnung. Das ST hat die Berichterstattung dazu auf einer Themenseite zum Brandanschlag Solingen zusammengetragen.
Gedenkfeier Brandanschlag Solingen am 29. Mai 2023
Am 29. Mai 2023 jährt sich der Brandanschlag in Solingen zum 30. Mal. Am gesamten Wochenende finden mehrere Gedenkveranstaltungen in Solingen statt. Zur zentralen Gedenkfeier im Theater und Konzerthaus Solingen hat sich unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angekündigt. Weitere Politiker werden an diesem Tag nach Solingen kommen, darunter NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir (Grüne). Das Solinger Tageblatt berichtet in einem Liveblog vom 30. Jahrestag.
Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen
Die Tat, derer sie gedenken, hat 1993 bundesweit für Entsetzen gesorgt. Der Brandanschlag ist bis heute untrennbar mit dem Namen Solingen verbunden. Zu Beginn der 1990er Jahre gab es in Deutschland zahlreiche rassistisch motivierte Gewalttaten. Die Bilder von Ausschreitungen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Die tödlichen Brandanschläge in Mölln und Solingen markieren die traurigen Höhepunkte dieser Welle rechter Gewalt. Gleichzeitig diskutierte die Politik über eine Verschärfung des Asylrechts.
Brandanschlag Solingen: Was ist am 29. Mai 1993 passiert?
Was genau ist geschen am 29. Mai 1993 in Solingen? Vier junge Solinger beschlossen an diesem Abend, das Haus der Familie Genç an der Untere Wernerstraße anzuzünden. Während zwei Täter Schmiere stehen, stecken die anderen beiden den Windfang des Fachwerkhauses in Brand. Binnen kurzer Zeit steht das Haus der Familie Genç komplett in Flammen.
Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülyia und Saime Genç sterben in den Flammen. Gürsün Ince springt in Panik mit ihrem Baby im Arm aus dem Fenster und ist sofort tot. Ihr Säugling überlebt schwer verletzt. Die Chronologie der Ereignisse vom 29. Mai 1993 hat das ST zusammengetragen.
Auch für die Einsatzkräfte der Feuerwehr bleiben die Schrecken dieser Nacht im Gedächtnis. „Nach dieser Nacht war nichts mehr wie zuvor“, erinnert sich ein Feuerwehrmann an den 29. Mai 1993.
Die Tage nach dem Brandanschlag in Solingen: Zwischen Ohnmacht und Krawallen
Nach dem Brandanschlag tauchen gewaltbereite Demonstranten und türkische Nationalisten in Solingen auf. Während die Stadt unter Schock steht und um die Toten trauert, verwandeln Gewalttäter die Innenstadt in ein Trümmerfeld. Das ist für viele Solinger ein Grund, warum die Erinnerung so schwerfällt. Viele erinnern sich an bürgerkriegsähnliche Zustände auf den Straßen.
Brandanschlag 1993: Wer waren die Täter von Solingen?
Vier junge Solinger wurden in den Tagen nach dem Brandanschlag festgenommen. Es handelt sich im einen 16-jährigen Nachbarn der Familie Genç sowie drei weitere Personen zwischen 16 und 23 Jahren. Sie gehören der rechten Szene in Solingen an.
Prozess zum Solinger Brandanschlag: Geständnis, Widerruf, Indizien, Urteil
Viele Menschen fragen sich, was aus den Täter von Solingen wurde. Alle vier wurden im Oktober 1995 rechtskräftig verurteilt. Nach 128 Verhandlungstagen in einem von Pannen, Widersprüchen, Geständnissen und Geständniswiderrufen geprägten Verfahren sah das Düsseldorfer Oberlandesgericht die Schuld der vier jungen Solinger als erwiesen an. Drei der Täter wurden zu Jugendhöchststrafen von zehn Jahren verurteilt. Der zur Tatzeit einzige Erwachsene erhielt 15 Jahre Haft.
Brandanschlag in Solingen: Was ist aus den Tätern geworden?
Die vier Täter haben im Gefängnis ihre Haftstrafen verbüßt. Einer der vier Täter lebt inzwischen wieder in Solingen, die anderen in verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen. Was aus den Tätern des Brandanschlags Solingen geworden ist, hat das ST 2018 recherchiert.
Die Opfer des Brandanschlags
Fünf Menschen sterben bei dem Brandanschlag in Solingen: Gürsün Ince († 27), Hatice Genç († 18), Gülüstan Öztürk († 12), Hülyia († 9) und Saime Genç († 4). 14 weitere Familienmitglieder erleiden teilweise lebensgefährliche Verletzungen.
Mevlüde Genç
Mevlüde Genç verlor bei dem Brandanschlag von Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. Trotz ihres Schmerzes und ihrer Trauer rief sie stets zur Versöhnung auf. „Liebe lässt den Menschen leben, aber der Hass bringt den Tod“, sagte sie einst. Sie war Friedensbotschafterin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Am 30. Oktober 2022 starb Mevlüde Genç im Alter von 79 Jahren. Bei der Trauerfeier gaben 1000 Gäste Mevlüde Genç ein letztes Geleit. Die Stadt Solingen ehrt sie zum 30. Jahrestags des Anschlags mit der Umbenennenung des Mercimek-Platz in der Nordstadt in Mevlüde-Genç-Platz.
Solingen: Die Untere Wernerstraße
Das Haus der Familie Genç befand sich an der Untere Wernerstraße in Solingen. Sie liegt zwischen den Solinger Stadtteilen Mitte und Gräfrath am Rande der Freizeitanlage Bärenloch. Das Haus wurde nach dem Brandanschlag abgerissen. Auf dem Grundstück erinnern heute als Mahnmal eine Gedenktafel sowie fünf Kastanien an die Mordopfer.
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