Brandanschlag vor 30 Jahren
Brings und Fatih Çevikkollu kommen: Demo und Gedenken
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Bündnis „Solingen 93 – Unutturmayacağiz! Niemals vergessen!“ haben für den 29. Mai Veranstaltungen organisiert. Kabarettist und die Musiker Peter und Stephan Brings kommen nach Solingen.
Von Jutta Schreiber-Lenz
Solingen. Bündnis „Solingen 93 – Unutturmayacağiz! Niemals vergessen!“ – so nennen sich die Veranstalter, die am 29. Mai, dem 30. Jahrestag des Solinger Brandanschlags, zu Demonstration und Gedenken einladen. Das Zweisprachige ist dabei nicht zufällig. Die menschenverachtende Brandstiftung, die das Haus der Familie Genç zerstört und fünf Frauen und Kinder das Leben gekostet hat, hallt bis heute sowohl bei deutschen als auch bei türkischen Solingern nach.
„Nicht beantwortete Fragen wie die nach der Rolle des Verfassungsschutzes stehen im Raum und lassen bei so manchen türkischen Mitbürgern die Wunden nicht so richtig heilen“, sagt Dietmar Gaida vom Solinger Appell. „Drei der vier verurteilten Täter trainierten in einer Kampfsportgruppe mit Verbindungen zur bundesweiten Naziszene. Geleitet wurde sie von einem V-Mann des Verfassungsschutzes.“
Eine Aussage, die Ali Dogan vom türkischen Volksverein bestätigt. „Keine Frage, dass sich in den 30 Jahren in Solingen viel zum Positiven im Miteinander der zwei Kulturen verändert hat“, sagt er. „Aber derzeit erleben wir ja leider, dass sich rechtes Gedankengut wieder mehr Bahn bricht.“ Diese antidemokratische Entwicklung mache übrigens vor seinen Landsleuten nicht halt. „Auch innerhalb der türkischen Liga gibt es diese intoleranten Strömungen nahezu überall. Wir möchten am 29. Mai ein Zeichen gegen jedwede Diskriminierung, gegen Faschismus, Rassismus und Rechtspopulismus setzen und dazu auffordern, endlich gleiche politische und soziale Rechte für alle hier lebenden Menschen zu schaffen.“
Angehörige von Opfern rassistischer Gewalt sprechen
Dafür steht ein Zeitfenster von 12 bis 16.30 Uhr zur Verfügung, das mit verschiedenen Aktionen gefüllt ist. Gestartet wird am Neumarkt mit einem rund 40-minütigen Mix aus Kundgebungen und kulturellen Beiträgen. Die anschließende Demonstration endet am Grundstück auf der Unteren Wernerstraße, wo noch lange nach dem 29. Mai 1993 die Brandruine des Hauses der Familie Genç stand. Inzwischen wachsen hier fünf Kastanien – zur Erinnerung an die fünf Todesopfer.
Bei der Kundgebung sprechen unter anderem Angehörige von Opfern anderer rechtsextremistischer Anschläge. Etwa Emis Gürbüz, die Mutter von Sedat, der am 19. Februar 2020 in Hanau getötet wurde, oder Orhan Çalısır, der seit Jahrzehnten um Anerkennung kämpft: Sein Cousin Sahin Çalısır wurde am 27. Dezember 1992 von Neonazis auf der Autobahn in den Tod gehetzt, gilt aber offiziell als Verkehrstoter.
Der zweite Teil der Demonstration führt zurück, allerdings nicht zum Neumarkt, sondern zum Rathaus, wo eine kleine Bühne aufgebaut sein wird. Reden, etwa aus den Reihen des Türkischen oder Alevitischen Kulturvereins, werden von Beiträgen des Kabarettisten und Schauspielers Fatih Çevikkollu sowie Musik und Worten von Peter und Stephan Brings ergänzt. Cevikkollu besuchte Solingen bereits zum 25. Jahrestag des Brandanschlags. Die Brüder Brings waren auf vielen Veranstaltungen gegen Rassismus und für Solidarität vertreten, so auch bei „Arsch huh – Zäng ussenander“ am 9. November 1992 in Köln – und wieder zum 20. Jahrestag am 9. November 2012.
Zeiten dienen der ungefähren Orientierung
„Wir haben auf unserer Internetseite Zeiten angegeben, die aber nur zur ungefähren Orientierung dienen“, erläutert Dietmar Gaida. „Gerade bei den Wegen der Demo kann man schlecht vorhersagen, wie lange man braucht, um die zurückzulegen.“
Für ihn sowie seine Mitstreiter sei es wichtig, mit dieser Veranstaltung das Gedenken des Brandanschlags in eine breite Öffentlichkeit zu tragen und sichtbar für ein friedliches, solidarisches und gleichberechtigtes Miteinander zu demonstrieren.
Hintergrund
Kontakt: Mehr Infos gibt es unter solingen93.info
Bündnis: Das Bündnis „Solingen 93 – Unutturmayacağiz!“ setzt sich unter anderem zusammen aus dem Solinger Appell und der Kreisvereinigung Solingen, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Termin: Eine gleichlautende Schau wird im Zentrum für verfolgte Künste stattfinden. Sie startet am 30. Mai und läuft bis zum 17. September. Zweisprachig und multiperspektivisch will die Ausstellung zeigen, wie Betroffene rassistischer Gewalt und die Mehrheitsgesellschaft mit Erfahrungen von rechtem Terror umgehen.
Alle Informationen und Artikel zum Brandanschlag in Solingen haben wir auf einer Themenseite für unsere Leser zusammengefasst.