Mein Blick auf die Woche in Solingen
Meinung: In der Schul- und Kitafrage liegt gefährlicher Sprengstoff
aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
900 Kinder werden im Sommer keinen Kindergartenplatz bekommen. Und damit nicht genug: Auch in den Grundschulen reicht der Platz nicht für alle. Die Ursache dafür? Unklar. Doch es muss jetzt was passieren, damit die trügerische Ruhe nicht explodiert, ist sich Chefredakteur Stefan M. Kob sicher.
900. Die Zahl ist ein Schock - nicht nur für die Eltern von Kita-Kindern. Mehr als 900 Kinder werden im Sommer bei der Vergabe der Plätze leer ausgehen, weil einfach zu wenige zur Verfügung stehen. Nicht landesweit - in unserer Stadt! In dieser unfassbaren Zahl steckt noch mehr Sprengstoff, als man auf den ersten Blick glaubt.
Denn es geht nicht nur um die Enttäuschung von Familien, die ihre Lebensplanung auf den staatlichen Rechtsanspruch eines Kindergartenplatzes gebaut haben. Sie können jetzt selbst sehen, wie sich die so hoch gehaltene Vereinbarkeit von Familie und Beruf auflöst wie ein Wolkenschloss.
Es geht auch nicht “nur” um die Kinder, angeblich ja das wichtigste Kapital unserer Gesellschaft, die jetzt dringend Anschluss an ihre Altersgenossen, soziale Förderung und pädagogische Angebote bräuchten und nun enttäuscht irgendwie anders betreut werden müssen - im schlimmsten Fall vor irgendwelchen TV- und PC-Bildschirmen.
Es geht auch nicht nur um unsere Wirtschaft, die händeringend sowohl hochspezialisierte Fachkräfte als auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für alle möglichen Aufgaben sucht und nicht findet: Ob für die Zustellung von Post oder Zeitungen, als Aushilfe im Verkauf oder in der Gastronomie - überall stockt es in Produktion und Dienstleistung, weil offene Stellen nicht besetzt werden können. Denn es fehlen nicht zuletzt die Mütter und Väter, die nach der Elternzeit wieder hochmotiviert einsteigen möchten - und nicht können, weil sie keine Betreuung für den Nachwuchs finden.
Besonders sinnfällig für dieses Dilemma ist das Beispiel der städtischen Kita Klingenbande, die aufgrund von Personalmangel ganze Gruppen tageweise schließen muss - ausgenommen die Kinder der eigenen Erzieherinnen. Denn, wenn die ihren Nachwuchs auch wie alle anderen zuhause betreuen müssten, würden noch mehr Gruppen dichtmachen. Und das offenbart eine weitere Dimension des Problems: Selbst wenn durch ein Wunder über Nacht zehn neue Einrichtungen aus dem Boden wachsen würden - es fehlt ja heute schon das Personal für die zu wenigen Einrichtungen.
Leider macht Solingen dabei keine gute Figur, selbst wenn die Stadt das Problem keineswegs exklusiv hat. Babys werden aber nicht wie in der Fabel plötzlich von Störchen über der Stadt abgeworfen, sondern brauchen in der Regel von Geburt an doch ein paar Jahre, um Kindergarten- oder gar Grundschulkind zu werden. Da fragt man sich schon, ob alle erforderlichen Zahlen berücksichtigt wurden, um der Situation gerecht zu werden.
Zumal es in den Grundschulen kaum besser aussieht. Selbst hier müssen Kinder abgelehnt werden, weil die Klassen schon übervoll sind - und das kann sogar die eigentlich zuständige wohnortnahe Schule sein, in der man nicht mehr unterkommt. Rechnerisch fehlt mehr als eine komplette Grundschule, die jetzt irgendwie irgendwo aus dem Boden gestampft werden muss.
Ja, es stimmt. Bei aller Planbarkeit war der Flüchtlingsstrom gerade von Müttern mit kleinen Kindern aufgrund des Ukraine-Kriegs nicht vorhersehbar. Aber mit den Geflüchteten-Zahlen allein lässt sich die Misere nicht begründen. Man darf sie damit auch nicht begründen, denn - und das ist die eigentliche Herausforderung für unsere Gesellschaft - die Frage der Kita- und Schulplätze droht zum gefährlichsten sozialen Sprengstoff der nächsten Jahre zu werden.
Noch herrscht trügerische Ruhe, obwohl die Zahl der Flüchtlinge bereits das Maß der Krisenjahre 2015/2016 überschritten hat. Doch das kann sich sehr schnell ändern, wenn gerade die Familien aus der Mitte der Gesellschaft in die Röhre gucken, während sozial Schwache und Geflüchtete versorgt werden. Dann wird es nicht lange dauern, bis die Rattenfänger von der rechten Seite alles daransetzen, diesen Sprengstoff zur Explosion zu bringen.
Weitere Themen in dieser Woche
Falschparker einfach und unkompliziert per App melden ist in Solingen nicht sonderlich beliebt. Warum eigentlich nicht?
Eine Fußgängerbrücke über die Gleise am Hauptbahnhof könnte Solingen West und Ost verbinden. Die Chancen dafür steigen.
Die Dauerbaustelle Mühlenstraße nervt – wie die Stadt jetzt Gas geben will.
Plötzlich sind die Outlet-Pläne in Remscheid wieder auf dem Tisch: Der neue Investor hat bemerkenswerte Vorstellungen.