Mit dem ST wandern

Auf den Spuren der historischen Liëwerfrau

Der Weg führt auch durchs malerische Untenfürkelt.
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Der Weg führt auch durchs malerische Untenfürkelt.

Mit dem ST unterwegs zwischen der früheren Stahlwarenfabrik Friedr. Herder Abr. Sohn und dem Wipperkotten

Von Andreas Erdmann

Solingen. Die Solinger Liëwerfrau – so die originäre Schreibweise – war meist die Ehefrau oder Tochter eines Heimarbeiters und eine wahre Heldin. Bis in die 1920er Jahre trug sie Stahlwaren in einem Korb, der „Liëwermang“, auf dem Kopf vom Kotten an Bach oder Wupper bergauf zu den Solinger Kaufmannskontoren. Der Tragekorb, das „Gedrag“, stand auf einem Kissen, dem „Pölf“. Kleine Messer und Scheren wurden in kleineren Henkelkörben am Arm oder in Schultertaschen getragen. Bis zu 25 Kilogramm Gewicht transportierten die Frauen bis zu zehn Kilometer weit. Die Kontore der Fabrikanten, die die Aufträge vergaben, kauften ihnen die Arbeit ab und gaben ihnen neue Rohware mit. Wieder zu Hause, warteten Kochen, Waschen, Putzen, Familie versorgen, Kleidung ausbessern und Gartenarbeit auf sie. Notfalls arbeiteten sie auch im Kotten. Der 15,5 Kilometer lange Liëwerfrauenweg zeichnet symbolisch ihre Wege nach und führt zu Denkmälern und historischen Relikten. Als Rundweg verbindet er die frühere Stahlwarenfabrik Friedr. Herder Abr. Sohn, das heutige Gründer- und Technologiezentrum, mit dem über 400-jährigen Wipperkotten. Eine weiße „25“ auf rotem Grund ist das Wegzeichen der Strecke.

Wir starten an der grünen Liëwerfrau-Statue am Gründerzentrum, in dem sich noch das Herdersche Lieferkontor befindet. 1727 als Firma gegründet, reicht der familiäre Handwerksbetrieb bis 1623 zurück. Unterhalb der Parkplätze geht es links in die Neu-, dann halblinks in die Worringer Straße. Diese führt zum Pilghauser Bach, der für drei Kilometer die Richtung vorgibt. Rechts liegt Obenpilghausen. Der Ort, dessen Name von einem alten Pilgerweg herrührt, wird erstmals 1334 mit einem „Zelis von Pilghusen“ erwähnt. 1412 nennt eine Urkunde die drei Haupthöfe. Besonders stattlich ist das Haus Obenpilghausen 20 mit Krüppelwalmdach, das der Klingenkaufmann und Bürgermeister Clemens Weyersberg 1739 bezog. Im Haus Hohlstraße 15 hatte die Firma Herder ihren Ursprung. Auch eine Mühle, Bäckerei und Hofschule befanden sich im Ort. Vom Obenpilghauser Weg geht es links auf den Strindbergweg und durch die Felder nach Mittelpilghausen, dort am Haus 30 c vorbei, hinunter zum Bach. Bald führt ein Pfad hinauf zur Fachwerkhofschaft Untenpilghausen. An der Straße halten wir uns links, kommen dann durch einen Buchenwald.

In der früheren Königsmühle gab es lange eine Gaststätte.

Unten am Bach sieht man den einstigen Pilghauser Kotten. 1854 beherbergte die mit Wasserrad betriebene Anlage 16 Schleifstellen und zwei Wohnungen. Das Hauptgebäude ist heute, wie andere einstige Betriebe am Weg, ein Wohnhaus. Unterhalb der Hofschaft Neuenhaus steht der Neuenhauser Kotten von 1847. Um 1930 lief er noch mit Wasserkraft und war bis 1953 in Betrieb.

Der Waldweg führt zum Ort Nöhrenhaus. Von weitem erspäht man den Nöhrenkotten. Der schon 1715 erwähnte Schleifbetrieb steht am Nacker Bach, in den der Pilghauser Bach mündet. Links geht es zur B 229. Im Haus linkerhand betrieb man um 1890 das Hotel-Restaurant Zur Wanderers Ruh, später die Gaststätte Beim Öhm. Das klassizistische Gebäude rechts, die Brücker Mühle, war 1847 noch eine Wassermühle und später ein Restaurant.

Von der Straße Richtung Aufderhöhe geht links ein Weg ab. Wir folgen dem Nacker Bach zur Leichlinger Straße, gehen linksum, dann rechts auf den Wanderweg. Von dort aus sieht man das Gutshaus der alten Wasserburg Schirpenbruch. Der einstige Rittersitz, Lehnsgut der Grafen von Berg und Sitz der Familie Schirpe, reicht bis Anfang des 15. Jahrhunderts zurück. Es folgen die Oelmühle von 1685 und die unterhalb der gleichnamigen Hofschaft gelegene Haasenmühle. Diese Kornmühle bestand schon 1711 und beherbergt jetzt ein Restaurant.

Wer die Strecke abkürzen oder teilen will, kann den Bus Linie 250 zum Graf-Wilhelm-Platz nutzen. Wir wandern linksum zur Wipperaue und zum vor dem Ort Wippe gelegenen Wipperkotten, der schon 1605 zum Gut Nesselrode auf der anderen Wupperseite gehörte. Der Außenkotten der Doppelkottenanlage wird als Industrie- und Schleifermuseum genutzt. Den Schaafenkotten dahinter gibt es nicht mehr. Wir gehen flussaufwärts. Der Hohlenpuhler Weg, an dem ein weiterer Kotten stand, führt zur Friedrichsaue.

Mit dem ST wandern: Im Tal standen einst mindestens 23 Kotten

Noch vor Friedrichstal biegt ein Wanderweg links in den Wald ab und führt steil hinauf zur Friedrichshöhe. Oben an der Wegkreuzung geht es nach links. Hinter dem Meiswinkeler Bach führt ein schmaler Pfad bergan auf einen Feldweg. Weit reicht der Blick in die Rheinebene. Bei klarem Wetter sieht man die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks bei Grevenbroich. Dem Hintenmeiswinkeler Weg folgen wir rechts. Bei dem Ziegelbau handelt es sich um die ehemalige Schule Eintracht. Von 1835 bis 1919 unterrichtete man in der einklassigen Privatschule Kinder aus Vor- und Hintermeiswinkel, Lache und Eintracht.

Wir gehen linksum zur Lacher Straße, überqueren diese zum Johänntgesbrucher Weg. Dann geht es links bergab durch den Wald. Wir kommen ins Weinsbergtal, gehen bachaufwärts. Im Tal standen einst mindestens 23 Kotten oder Mühlen, am Bach aufgereiht wie Perlen an einer Kette. Einige davon gibt es noch heute. So treffen wir auf den Enderskotten und die Johänntgesbrucher Mühle, die einst als Schleifkotten und Fruchtmühle diente. Es geht kurz bergan, dann rechts durch dichten Wald. Dort, wo zwischen Bäumen ein einzelnes Haus aufschimmert, stand früher der Evertzkotten aus dem 17. Jahrhundert. Wir folgen der Straße rechts durch Unten- und Mittelfürkelt. Eine Karte von 1715 verzeichnet unter „Fürckelt“ zwei Höfe und drei am Bach gelegene Kotten. Der Name steht für den Föhrenbaum, also die Kiefer, die früher für die Gegend typisch war. Die Mollstraße führt uns zur Peresstraße, die an den Pereskotten erinnert. Er wurde 1911 abgerissen. Wir biegen in den Weg links vor Haus 50, welches um 1900 als Villa Weinsbergtal mit Restaurant, Park- und Teichanlage ein beliebtes Ausflugsziel war.

Der Regerstraße folgen wir rechtsum zum Küllenbergs Kotten. 1837 errichtet, stand ab 1720 die Platzhofer Mühle dort. Das Gebäudeensemble, wie es heute zu sehen ist, entstand 1885. Nach Überquerung der Platzhofstraße kommen wir zum Wohnhaus der früheren Königsmühle. Darin betrieb man lange Zeit eine Gaststätte. Am ehemaligen Königsmühler Kotten vorbei, folgen wir dem Park und gelangen links über die Hermann-Meyer-Straße in die Spar- und Bauverein-Siedlung Weegerhof. Noch vor dem Restaurant Weegerhof führen der Robert-Blum-Weg und die Georg-Herwegh-Straße zur Kanalstraße. Hier geht es rechts weiter, dann in die Zweigstraße. Erst links in die Gas-, dann rechts in die Grünewalder Straße kommt man zurück zum Gründerzentrum.

Tour 65: Liëwerfrauenweg

Länge: ca. 15,5 Kilometer

Dauer: ca. 4 Stunden 10 Minuten

Schwierigkeitsgrad: Mittelschwer

Bus- und Bahn: Buslinie 682, Haltestelle Grünewald, S 7 bis Solingen-Grünewald

Museen: Ausstellung im alten Lieferkontor Herder, Grünewalder Straße 29-31, donnerstags, samstags und sonntags 10.30 bis 14 Uhr; Schleifermuseum Wipperkotten, Wipperkotten 2, geöffnet nach Voranmeldung jeden und 3. Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr, Tel. 6 45 71 66

Zum Einkehren: Café Bistro Haasenmühle, Haasenmühle 1, geöffnet donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.

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