Luther-Kirchengemeinde
Asylstreit: Gericht widerspricht der Kirche
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Pfarrer verweigert Behörde den Zutritt. Gemeinde verhindert friedlich Abschiebung von Flüchtling.
Von Stefan Prinz
Es war ein beeindruckendes Zeichen der Solidarität mit dem iranischen Flüchtling M. Rund 200 Frauen und Männer waren am frühen Montagmorgen im Gemeindehaus der Luther-Kirchengemeinde an der Neuenhofer Straße zusammengekommen, um friedlich gegen die angekündigte Abschiebung des 27-Jährigen zu protestieren. Mit Gesängen und Gebeten empfing die Gemeinde um 5.30 Uhr die Mitarbeiter der Ausländerbehörde und die Polizei.
Durch ein geöffnetes Fenster auf der Rückseite des Hauses teilte der iranische Flüchtlinge den Behördenvertretern mit, dass er nicht bereit sei, das Haus zu verlassen. Pfarrer Christian Lerch machte von seinem Hausrecht Gebrauch und verweigerte Polizei und Ausländerbehörde freundlich, aber bestimmt den Zutritt. Da die Behördenvertreter ohne einen Durchsuchungsbeschluss gekommen waren, zogen sie nach einem kurzen Gespräch mit M. wieder ab.
Nachforschungen lassen Fragen aufkommen
Pfarrer Christian Lerch machte ausdrücklich deutlich, dass die Kirchengemeinde den Rechtsstaat nicht infrage stellen wolle. Vielmehr solle M. so lange im Kirchenasyl bleiben, bis über seinen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden sei.
M. wird derzeit von einem Anwalt vertreten und befindet sich seit März 2018 im Solinger Kirchenasyl. Mit diesem Eilantrag wolle der Iraner gegen seine Abschiebung nach Frankreich protestieren. Denn nach dem sogenannten Dublin-Abkommen ist Frankreich für seinen Asylantrag zuständig. M. befürchte, so die Pfarrer Christian Lerch und Christian Menge übereinstimmend, von dort in sein Heimatland Iran abgeschoben zu werden. Dort drohten dem zum Christentum übergetreten Mann Gefängnis oder sogar der Tod.
Trotz mehrfacher Nachfrage über den Anwalt von M. beim Verwaltungsgericht sei es noch nicht gelungen, Auskunft des Gerichts zu bekommen, wann genau mit einer Richter-Entscheidung zu rechnen sei, erklärten die Pfarrer.
Nachforschungen unserer Zeitung lassen allerdings Zweifel an dieser Version aufkommen: Nach Auskunft von Dr. Nicola Haderlein, Vizepräsidentin des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes, existiert überhaupt kein laufendes Verfahren, auf dessen Richterspruch der Solinger Kirchenasylant warten könnte.
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Vielmehr habe das Gericht bereits am 11. Oktober 2017 (!) über einen Eilantrag von M. entschieden, mit dem er sich gegen eine Überstellung nach Frankreich gewandt hatte. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. Ein Widerspruch sei nicht möglich, so Haderlein. Damit sei der Bescheid seit mehr als einem Jahr vollstreckbar. Auf welche richterliche Entscheidung die Gemeinde derzeit warte, könne sie nicht nachvollziehen.
Abschiebung aus Kirchenasyl gescheitert
Die Gerichts-Vizepräsidentin betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass sich die Solinger Kirchengemeinde mit diesem Fall von Kirchenasyl über gerichtliche Entscheidungen hinwegsetze. „Wir kritisieren das“, sagte Haderlein.
Mit dieser Auskunft des Verwaltungsgerichtes konfrontiert, zeigte sich gestern Abend Pfarrer Thomas Förster, Pressesprecher des Evangelischen Kirchenkreises Solingen, irritiert. „Das kann ich mir nicht erklären.“ Nach seiner Aussage existiere ein laufendes Verfahren, auf dessen Entscheidung M. warte.
Golam-Reza Amani vom persisch-deutschen Kulturkreis in Solingen betreut M. schon seit rund zwei Jahren.
KIRCHENASYL
TRADITION Nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist Kirchenasyl kein eigenes Rechtsinstitut, sondern wird als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition respektiert. Im ersten Quartal 2018 wurden deutschlandweit rund 500 Abschiebungen durch Kirchenasyl verzögert oder verhindert.
Amani sagt, dass M. nach seiner Ankunft in Deutschland zum christlichen Glauben übergetreten sei. Der Flüchtling habe sich aber schon im Iran zu diesem Glauben hingezogen gefühlt. Der 27-jährige M. habe seither bei mehreren Kirchengemeinden in Solingen, Köln und Düsseldorf um Kirchenasyl gebeten. Das sei ihm aber stets verweigert worden. Erst bei der Luther-Kirchengemeinde habe man ihn aufgenommen.
Der iranische Flüchtling muss jetzt mit einer gewaltsamen Abschiebung rechnen. Zuständig ist die Ausländerbehörde in Wesel, weil M. vor seinem Kirchenasyl dem Kreis Wesel zugewiesen worden war. Wenn der nächste „Überstellungsversuch“ mit der Zentralstelle des Landes NRW für Flugabschiebungen abgestimmt sei, wolle der Kreis einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss für das kirchliche Gemeindehaus beantragen, heißt es aus Wesel. Der nächste Einsatz werde dann nicht mehr angekündigt.