Investor berichtet

Wuppertals Zukunft steht auf der Straße

Christian Baierl in einer alten Fabrik am Sedansberg, in die er Wohnungen bauen will.
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Christian Baierl in einer alten Fabrik am Sedansberg, in die er Wohnungen bauen will.

Wuppertal. Investor Christian Baierl über Sanierung, Vermietung – und wie der Weg von der 3. in die 1. Liga der Großstädte funktionieren könnte.

Von Lothar Leuschen

Wo, wenn nicht hier? Für Christian Baierl stand auf den ersten Blick fest, dass Wuppertal seine Stadt werden würde, seine Stadt werden müsste. Und seinen damaligen Geschäftspartner überzeugte er im Handumdrehen. Baierl ist Geschäftsmann, Unternehmer, Vorstand der Renaissance AG, er kauft Immobilien, saniert und vermietet sie. Das ist nichts Besonderes. Was der Mann aus Krefeld macht, das machen viele andere auch. Aber nicht in Wuppertal, zumindest nicht ausgedehnt.

Die Städte der Wahl heißen Hamburg, München, Leipzig, Berlin, Dresden, Düsseldorf. Wuppertal heißen sie nicht. Christian Baierl nennt das einen Fehler. Und er hat nachweislich recht. Denn für ihn entpuppte sich die Stadt mit der Schwebebahn als Hauptgewinn. Inzwischen sind mehr als 250 Immobilien im Besitz seiner Unternehmung. Annähernd 2000 Wohnungen werden vermietet. Das Geschäft läuft gut. Die Mieten orientieren sich am oberen Ende der für Wuppertal üblichen Skala. „Und wir haben überhaupt kein Problem, sie zu vermarkten“, sagt Baierl.

Die alten Gemäuer erzählen von Fort- und Rückschritten

Seine Kunden wohnten bereits hier, aber es sind auch immer mehr Leute aus Düsseldorf und Köln darunter. „Qualifizierter Zuzug“ nennt der Immobilienentwickler das. Wer in eine seiner Wohnungen zieht, ist nicht von Sozialhilfe abhängig, hat genügend Geld für die Miete, für Konsum sowie den Besuch von Museen, Oper und Schauspiel. Dabei zahlt er für guten Wohnraum auch am oberen Ende der Messlatte immer noch deutlich weniger als in den umliegenden Großstädten. Das verbindet. Wer einmal nach Wuppertal gezogen ist, der will nicht mehr weg. Baierl weiß das, weil er viele dieser Leute kennt und längst selbst einer von ihnen ist. „Wuppertal ist eine schöne Stadt.“

Die Geschichte begann 2014. Damals bat ihn ein Hamburger Immobilienunternehmen, von Krefeld nach Wuppertal zu fahren, um dort nach geeigneten Objekten zu suchen. „Wuppertal kannte ich im Grunde nur von einer Schwebebahnfahrt mit meinem Vater“, erinnert er sich. Von der Tour habe er sich nicht allzu viel versprochen.

Auf seiner Liste standen mehr als 100 Häuser. „Und die habe ich mir an einem Wochenende alle angesehen. Danach war ich absolut sprachlos“, sagt er. Und schon war es Liebe. Noch am selben Abend überzeugte er seinen Geschäftspartner. „Wenn ich hier falsch liege, dann habe ich keine Ahnung von Immobilien, habe ich damals gesagt.“

Baierl lag nicht falsch. Der Erfolg spricht eindeutig dafür. Allein an der Friedrich-Ebert-Straße, gleich gegenüber des Bayerwerks, hat die Renaissance AG mehr als 70 Wohnungen saniert und problemlos vermarktet. Im Osten Wuppertals finden sich weitere Objekte der Renaissance AG.

Überhaupt ist Wichlinghausen für Baierl eine Perle unter Wuppertals Stadtteilen. Das Briller Viertel sei beliebt und berühmt, der Toelleturm auch, das Zooviertel, aber Wichlinghausen sei mindestens ebenso schön, sagt er. Die Gründerzeitfassaden haben es Baierl angetan. Die alten Gemäuer, die so viel Geschichte erzählen und so viele Geschichten vom Reichtum der Fabrikanten, vom Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter, von Fort- und von Rückschritten.

Mit Akten überhäuft: Die Stadt nutzt ihre Chance nicht

Wuppertal ist nicht Leipzig, nicht Dresden. Wuppertal ist nicht einmal Düsseldorf. Die Stadt befindet sich in einem Abwärtsstrudel. Seit Jahr und Tag kämpft sie mit immer neuen Unbilden, neuen Herausforderungen und altem Mangel. Es fehlt schon lange an Geld, inzwischen fehlt es auch an Arbeitskräften, nicht nur in der freien Wirtschaft. Auch Behörden suchen, finden aber nicht. Leute wie Christian Baierl merken das. Wer sanieren, wer bauen will, braucht Genehmigungen. In Wuppertal dauert das mindestens Monate, bisweilen auch Jahre. Aber Zeit ist Geld. Also wenden sich potenzielle Investoren ab. Baierl kennt einige davon. Manche, auch sehr finanzkräftige, hat er selbst nach Wuppertal zu holen versucht. „Die haben ihre Koffer dann wieder gepackt. Die kommen auch nicht wieder“, sagt Baierl.

Zu wenig Dienstleistung, zu wenig Klarheit, auch zu wenig Personal. Vor allem aber fehlt es offenbar an Strategie, an Priorisierung. Es fehlt an Mut und Entschlossenheit. Den normalen Beschäftigten im Rathaus macht Baierl das nicht zum Vorwurf. „Die wollen“, sagt er und erinnert sich an Mitarbeiter, die ihm sogar an Samstagen Fragen zum Denkmalschutz beantwortet hätten. „Die Leute wollen wirklich.“ Aber anscheinend werden sie sich selbst überlassen, werden mit Akten überhäuft und können die Aufträge nicht mehr abarbeiten. Das sei nun schon seit einigen Jahren so. Und mit jedem Jahr, in dem dieser Zustand andauere, nutze Wuppertal seine Chance nicht.

Wohnen ist auch in der 17.-größten Stadt Deutschlands ein Milliardengeschäft. Das Geld steht gewissermaßen in Stein am Wegesrand. Es muss lediglich aktiviert werden. Im Falle Wuppertals sind die beinahe 5000 Baudenkmäler der große Schatz, womöglich sogar der größte. Hinzu kommen die vielen Gründerzeitbauten, die noch nicht unter Denkmalschutz stehen. Deren Sanierung und Vermietung zu forcieren, könnte Wuppertal von der 3. in die 1. Bundesliga der deutschen Großstädte hieven, glaubt der Immobilienexperte. „Ich kenne viele, die sagen, hier sieht es ja aus wie in Leipzig oder in Berlin vor 20 Jahren. Diese Leute spüren die Möglichkeiten, die viele Wuppertaler anscheinend nicht erkennen können.“

Das sei auch daran zu sehen, dass die Stadt immer noch an großen Einzelhandelsflächen in den Innenstädten glaube, sagt Baierl. Doch diese Zeiten seien endgültig vorbei. Den Versuch, den Kaufhof in Elberfeld zu erhalten, sieht er als vergebene Liebesmüh an. Für den Immobilienentwickler hat das Gebäude allenfalls mit ein bisschen Handel, vor allem aber als Wohnraum mit Treffpunkt für Senioren oder Kindertagesstätte eine Zukunft. Dann, sagt er, käme auch neues Leben in die Zentren, kämen Menschen, die dort Geld ausgeben könnten. Wuppertal hat Potenzial. Es steht an den Straßen der Stadt.

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