In der Wilhelm-Schuy-Straße
Wir lüften die Geheimnisse der Freimaurer-Loge
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Tempel, Aufnahmeritual, Symbolik: Der neue Logenmeister Daniel Sieper (46) gibt Einblicke in eine verschwiegene Welt.
Von Melissa Wienzek
Remscheid. Die Kerzen flackern im dunklen Raum, über dem Altar geht ein kleines Licht auf, während der Logenmeister Daniel Sieper mit Zylinder, Hammer und Schurz „im Osten“ steht, klassische Musik läuft im Hintergrund. „Im Westen“, schräg gegenüber, befinden sich die beiden Aufseher. Sie bilden so ein Dreieck. Im Mittelpunkt steht der Vortrag eines Bruders, zum Beispiel zu Künstlicher Intelligenz oder zur Pflege im Alter. Alle anderen rahmen das Geschehen auf ihren Stühlen ringsherum ein – sie schweigen. Sie klatschen auch nicht. Nur andächtig zuhören und dem Vortrag des Bruders lauschen.
Die Tempelarbeit im Tempelraum samt Schachbrettmusterteppich ist eines der faszinierenden Dinge der Freimaurer-Loge. Welche Geheimnisse sie birgt, was dran ist an Gerüchten wie schwarzen Messen und wie man hier eigentlich Zutritt erhält, verrät der neue Logenmeister Daniel Sieper (46) im RGA.
Worum geht es eigentlich bei der Freimaurerei?
Bei der Freimaurerei geht es um Humanität, die Arbeit an sich selbst, um stetige Selbstoptimierung. Da sich die Remscheider an die Steinmetzloge anlehnen, gibt es dafür auch eine schöne Symbolik: der Freimaurer wird vom rauen Stein zum Kubus. Bei den „Romeriken“ gibt es drei Grade: Man startet als Lehrling. Seine Aufgabe: „Erkenne dich selbst“. „Ob man aufsteigt zum Gesellen, hängt ein Stück weit davon ab, wie man sich in der Gemeinschaft integriert hat, welche Aufgaben man übernommen hat, wie sehr man sich eingebracht hat.“
Zweiter Grad ist der Geselle. Seine Aufgabe lautet: „Verändere dich!“ Dafür gibt es auch ein Symbol: Aktion, Reaktion. Der dritte Grad ist der Meister. Und: Es gibt kein Dogma. „Sie stecken sich Ihr Ziel selbst“, erklärt Logenmeister Daniel Sieper. „Der Dialog unter den Brüdern untereinander kann helfen.“ Gezwungen wird man dazu aber nicht. Daher steht am Ende auch keine Abschlussprüfung an, es gibt hier keinen Gesellenbrief oder Ähnliches.
Und: Freimaurerei ist kein Serviceclub, keine Parallelgesellschaft, keine Umsturzpolitik und keine Ersatzreligion, obwohl man abendländische Themen wie den salomonischen Tempel – das Idealbild der Freimaurer – oder die Bibel aufgreife. So steht im Logenhaus beispielsweise eine Bibel, aufgeschlagen im Johannesevangelium. „Wir beziehen uns allerdings namentlich auf Johannes den Täufer, der am 24. Juni Namenstag hat – der Johannistag. Dann ist auch unser Johannisfest.“ Johannes der Täufer hatte den Slogan: „Verändere dich.“ Daher auch der Name der anderen Remscheider Loge. Und: Alle Brüder sind gleich, Berufe und Stände spielen keine Rolle.
Was ist tabu?
Es gibt drei Themen, über die hier nicht gesprochen wird: Religion, Politik, Frauen.
Was sind die drei Geheimnisse der Freimaurerei?
Erstens: „Wir nennen keine Mitglieder, es sei denn, sie outen sich selbst“, erklärt Daniel Sieper. Zweitens: Gespräche sind vertraulich. In der Loge dürfe man „spinnen und philosophieren unter Freunden“, mal kreativ sein, ohne, dass es nach außen getragen werde. Drittens: das Ritual. Warum wird das nicht verraten? Weil man sich dann um den Zauber des Moments und das Erlebnis bringen würde, erklärt der 46-Jährige. „Das ist bisschen wie mit Weihnachten.“
Was ist dran an Gerüchten wie Menschenopfern und schwarzen Messen?
Nichts. „Hier verstößt nichts gegen Recht und Ordnung“, betont der Logenmeister. Dennoch halte sich das Gerücht „Freimaurer müssen sich doch erschießen“ hartnäckig.
Wer kann Freimaurer werden?
„Ein freier Mann von gutem Ruf“, der offen ist für Selbstoptimierung und verschwiegen sein kann. Wer Freimaurer werden möchte, sollte erst einmal eine zeitlang zu den Gästeabenden samt Vortrag kommen – der nächste ist am 24. Mai, 20 Uhr, im Logenhaus zum Thema „Künstliche Intelligenz und die Bedeutung für die Gesellschaft“ (Anmeldung nötig unter sekretaer@zu-den-romeriken-berge.de). Dann stellt der Suchende einen Antrag, die Brüder stimmen per Kugelung ab: schwarze Kugel nein, weiße Kugel ja. Dann durchläuft der Suchende ein Aufnahmeritual – „nichts Schlimmes“, betont Sieper. Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 520 Euro im Jahr. Es geht hierbei um einen langfristigen Bund fürs Leben.
Und warum keine Frauen?
„Der Mann ist auch ein Stück weit das schwache Geschlecht. Wenn Frauen dabei sind, kann das bei dem einen oder anderen ein Alphatiergefühl auslösen“, erklärt Sieper. Das verhindere das Aus-sich-Herauskommen, so mancher Bruder sei dann abgelenkt. „Das hat nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun“, betont Sieper. In Düsseldorf und Köln gibt es reine Frauenlogen.
Welche Symbole gibt es und wofür stehen sie?
Der raue Stein/Kubus: Die Freimaurer sehen den Menschen erst als rauen Stein. Er wird durch die Logenarbeit im besten Fall zum Kubus.
Der Holzhammer des Logenmeisters: Er steht für die Ordnung, wie im Gericht.
Der Winkel des Logenmeisters: Er steht für Gewissen, Gerechtigkeit.
Die Zahl 3: kommt immer wieder vor. Das Dreieck ist für die Freimaurer die erste ursprünglichste geometrische Form.
Der Zirkel: steht für die Gemeinschaft.
Der Totenkopf: ein Zeichen der Vergänglichkeit, eine Ermahnung, dass die Lebensuhr abläuft und man die Zeit sinnvoll nutzen sollte.
Wann treffen sich die Freimaurer?
Vier Mal im Monat. Es gibt einmal im Monat einen Tempelabend mit einem Ritual, dann einen öffentlichen Gästeabend und zwei Themenabende. Letztere auch gemeinsam mit der anderen Loge.
Was passiert genau im Tempel?
In dieser meditativen Stimmung könne man den Alltagsstress hinter sich lassen und einfach mal offen sein für andere Themen, meint Sieper. Der Redner erhalte keinen Applaus, auch keine Kritik. Nur Zuhören ist angesagt. Philosophische oder gesellschaftspolitische Themen stehen im Mittelpunkt. Streit ist den Brüdern zuwider.
Und wie ist Daniel Sieper Logenmeister geworden?
In der „Nacht der Kultur“ 2018 kam der Remscheider zufällig mit seiner Frau am Logenhaus vorbei – und war sofort fasziniert von der Freimaurerloge. „Ich fand das spannend.“ Sein Vater, ein klassischer Kaufmann und Wertevermittler für Daniel Sieper, war gestorben. Und so stellte sich der Vater eines Sohnes die Frage: „Wer ist nun mein Wertekompass?“ Die Loge fand er da passend. Nach einer Zeit als Suchender wurde er aufgenommen, wurde Schatzmeister und im Februar zum Logenmeister ernannt. Was Daniel Sieper, der nebenbei Stadtführer ist und im Hauptberuf als Leiter Vertrieb und Marketing bei E/D/E arbeitet, so schön findet an der Logenarbeit, beschreibt er so: „Hier trifft man so viele verschiedene Menschen, die man sonst im Alltag nie treffen würde.“ Im Sinne des lebenslangen Lernens und des sich eigenen Weiterentwickelns sei dies absolut förderlich. So mancher ältere Bruder halte sich so auch geistig fit. Außerdem geht es hier um Gesellschaftsentwicklung, um Demokratieförderung. Und: Die Brüder können sich immer aufeinander verlassen.
Eckdaten der Freimaurerei
Entstehung: 1717 wurde die erste Loge in London gegründet. Heute gibt es weltweit 33 000 Logen mit 6 Millionen Mitgliedern, Schwerpunkte gibt es in England und den USA. In Deutschland sind es 463 Logen mit 15 000 Mitgliedern. Vor 1935 waren es mal 668 Logen mit 71 000 Mitgliedern. Logen waren die Bauhütten um die Kathedralen. Hier haben die Steinmetze trainiert.
Remscheider Logen: Es gibt zwei. Die Loge „Zu den Romeriken Bergen“, der Daniel Sieper vorsteht, wurde 1903 im sagenumwobenen Hotel zum Weinberg (heute ist hier der Ebert-Platz) gegründet, die Freimaurer nennen das „Lichterteilung“. 1911 ist sie ins Logenhaus an der Königstraße umgezogen, das im 2. Weltkrieg zerstört wurde. Während der „dunklen Zeit“, der NS-Diktatur, war die Loge verboten. Vorher zählte man 150 Brüder, heute 35. 1952 kaufte man das Haus Wilhelm-Schuy-Straße 3, wo beide Logen und der BGV noch heute ihre Heimat haben. Die andere Loge heißt „Johannisloge Stadt auf dem Berge“, 1923 gegründet. Heute zählt sie 30 Brüder. Beide Logen sind heute eingetragene Vereine.
www.zu-den-romeriken-bergen.de