Werke Arthur Schnitzlers
Wie Schriften digital zugänglich werden
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Wuppertal. Geisteswissenschaftler digitalisieren die Werke des Autors Arthur Schnitzler.
Von Alexandra Dulinski
Das Leben und Wirken des österreichischen Arztes, Erzählers und Dramatikers Arthur Schnitzler (1862-1931) reicht weit über seine Lebenszeit hinaus. Geisteswissenschaftler der Bergischen Universität machen seine Werke digital zugänglich.
Eine Mammutaufgabe – denn das Projekt ist auf 18 Jahre ausgelegt. Im Jahr 2012 haben Michael Scheffel vom Lehrstuhl für Allgemeine Literaturwissenschaft und Neuere deutsche Literaturgeschichte, Wolfgang Lukas vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Editionswissenschaft, und Kristina Fink, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit ihrer Arbeit an dem Portal „Arthur Schnitzler digital“ begonnen.
„Arthur Schnitzler hat vieles gesammelt. Manuskripte, Tagebücher, Skizzen und Notizen. Er war sehr am schöpferischen Produktionsprozess interessiert“, erklärt Michael Scheffel. Ebenjene Sammlungen aus den Jahren 1905 bis 1931 stellen die Wissenschaftler auf dem Portal nun zur Verfügung. Sie umfassen rund 40 000 Papiere, die sich die Germanisten vornehmen. Das Material liegt in Cambridge, wohin es Schnitzlers geschiedene Witwe über den Testamentwillen ihres Ex-Mannes hinweg zur Zeit der Nationalsozialisten brachte und so mutmaßlich seine Werke vor der Verbrennung rettete.
Die Wissenschaftler wollen zeigen, wie ein Werk entsteht: von der ersten Notiz bis zum gedruckten Blatt. Dafür haben sie digitale Werkzeuge programmieren lassen, mit der sich der Schreibprozess nachvollziehen lässt. „Transkribo“ nennt sich das erste, das die Handschrift Schnitzlers digital erfasst. Wort für Wort entziffern die Wissenschaftler die oft schwer lesbare Schrift und analysieren sie. Wo wurde mit Bleistift, wo mit Tinte geschrieben? Wo wurde ein Wort durchgestrichen oder sogar ersetzt? Per Mausklick auf das Wort können sich Nutzer entsprechende Hinweise anzeigen lassen.
„Wir erfassen die Identität einer geschriebenen Seite“, erklärt Michael Scheffel. Anhand ihrer Analysen können die Forscher die Entstehung nachvollziehen – von der Skizze, über den ersten Entwurf bis zur letzten Fassung. Schließlich kann Kristina Fink auf ihrem Bildschirm mehrere Fassungen nebeneinander aufrufen – und auch filtern. „Comparo“ nennt sich dieses Werkzeug, das den Vergleich möglich macht. Die beiden Systeme werden inzwischen auch international genutzt, erklärt Wolfgang Lukas. Er spricht von einer Multiperspektivität, die sie dem Nutzer bieten wollen. Denn der Text interessiere zunächst inhaltlich, immer stelle sich aber auch die Frage nach der Entstehung.
Transparenz ist den Forschern dabei sehr wichtig. Denn nicht bei jedem Wort Schnitzlers sind sie sich wirklich sicher. „Es wird Menschen geben, die in einem Wort etwas anderes lesen“, sagt Lukas. „Umso wichtiger, dass die Deutung der Editoren stets offengelegt wird.“
Doch warum eigentlich Arthur Schnitzler? „Er ist einer der kanonischen Autoren der Moderne, die bis in die 30er-Jahre währt“, erklärt Lukas. „Er galt als einer der größten Dramatiker und Erzähler.“ Zahlreiche bekannte Werke entstammen seiner Feder, unter anderem „Fräulein Else“ und die „Komödie der Verführung“. Schnitzler übe eine Faszination über viele Generationen hinweg aus. „Er ist die erste Liga.“
Zwischen Skizze und Werklagen mitunter 40 Jahre
Zudem habe er in einer spannenden Zeit gelebt, ergänzt Michael Scheffel. Der Erste Weltkrieg war eines der Ereignisse, die Schnitzler mitbekam. So konnten die Germanisten beobachten, wie sich beispielsweise antisemitische Äußerungen – Schnitzer selbst war Jude – über die Zeit und die verschiedenen Fassungen verändert haben. Denn zwischen einer ersten Skizze und dem fertigen Werk können zum Teil bis zu 40 Jahre gelegen haben. „Schnitzler hat auf zeitgenössische Problemlagen reagiert“, so Michael Scheffel.
Noch sieben Jahre lang wird das Projekt mit Geld aus Bund und Land finanziert. Jetzt, wo die Website und Erfassungsinstrumente stehen, rücken die Werke im Fokus. „Jeden Tag transkribieren unsere Mitarbeiter Texte“, erklärt Scheffel. Vier Werke haben die Wissenschaftler schon veröffentlicht. „Unser Ziel ist es, alle Werke aus der Zeit von 1914 bis 1931 zu erfassen. Das haben wir versprochen, und das wollen wir auch halten“, sagt Michael Scheffel. Denn so soll das Kulturerbe zu erhalten werden. Das haben sie sich auf die Fahne geschrieben.
Projekt
Rund fünf Millionen Euro stehen für das Projekt zur Verfügung. Durchgeführt wird es von Wissenschaftlern an der Bergischen Uni, der University of Cambridge und dem University College London in Kooperation mit anderen Institutionen wie der Cambridge University Library und dem Arthur-Schnitzler-Archiv-Freiburg.
arthur-schnitzler.de