Keine Verhandlung
Tödlicher Unfall in Wuppertal 2021: Familie des Opfers erhebt schwere Vorwürfe gegen die Justiz
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Im November 2021 ist eine Frau in Wuppertal beim Zusammenstoß mit einem Auto ums Leben gekommen. Ihre Familie kann das Vorgehen der Justiz nicht nachvollziehen.
Von Anne Palka
Wuppertal. „Bei einem Unfall auf der Märkischen Straße in Wuppertal erlitt heute Morgen eine Fußgängerin schwerste Verletzungen“, teilte die Polizei am 25. November 2021 mit. Als sie morgens die Straße überquerte, wurde sie von einem Auto erfasst. Einen Tag später starb die 42-Jährige. Nun hat sich die Justiz mit diesem Autounfall beschäftigt.
Der Witwer, die Tochter und die Familie der Frau habe das Vorgehen und Verhalten von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht „zutiefst erschüttert“, teilt Dirk Metz mit. Der Inhaber einer Kommunikationsagentur spreche für die Familie, weil sie sich nach dem tödlichen Unfall nicht in der Lage sehe, in eigener Sache in der Öffentlichkeit zu sprechen. Sie habe nun Anwalt Holger Matt beauftragt, um eine Anklage des damals 21-jährigen Autofahrers vor Gericht und eine Hauptverhandlung zu erreichen.
Die Staatsanwaltschaft hat einen Strafbefehl beantragt, den das Amtsgericht rechtskräftig erlassen hat, ohne dass es zu einem Termin gekommen ist, teilt dessen Sprecherin Inka Reuber mit. Der Inhalt des Strafbefehls: eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung, eine Geldauflage in Höhe von 1000 Euro und die Pflicht, an einem Erste-Hilfe-Kurs teilzunehmen.
Durch die Art des Verfahrens seien neue Wunden entstanden
Dass es keinen Termin für eine Gerichtsverhandlung gab, kritisiere die Familie, sagt Dirk Metz: „Die Sache sollte offenbar auf kurzem Wege in einem rein schriftlichen Verfahren ohne jede Beteiligung der Hinterbliebenen vermeintlich rechtskräftig werden“, dem Ehemann und der minderjährigen Tochter der Gestorbenen sei verweigert worden, die Nebenklagerechte wahrzunehmen.
Dem widerspricht Wolf-Tilman Baumert, Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Die Strafprozessordnung sei eingehalten worden. Die Staatsanwaltschaft habe den Antrag für den Strafbefehl am 20. Oktober 2022 gestellt, am 26. Oktober sei er beim Amtsgericht ergangen. Der Anwalt des Autofahrers habe im November Einspruch eingelegt, ihn aber wieder zurückgezogen. Der Strafbefehl sei rechtskräftig geworden. Den Anwälten des Ehemanns und der Tochter der Gestorbenen sei Akteneinsicht gewährt worden. Sie hätten Stellungnahmen zu einem Gutachten abgegeben: Es „weist nicht unerhebliche Mängel auf“ und es seien „zahlreiche Fehler vorgefunden“ worden.
Diese Kritik hätten die Anwälte aber nicht weiter ausgeführt oder inhaltlich begründet, sagt Wolf-Tilman Baumert. Ein Anwalt habe angekündigt, ein Zweitgutachten beauftragen zu wollen. Davon habe die Staatsanwaltschaft nichts weiter gehört und nach zwei Monaten entschieden, den Antrag für den Strafbefehl zu stellen. Aus Sicht der Ermittler seien die Fragen zum Fall geklärt gewesen, das Gericht habe dann nach Aktenlage entschieden. Die Strafprozessordnung sehe auch nicht vor, dass die Staatsanwaltschaft von sich aus über den Stand des Verfahrens informiert, bei Nachfragen sei aber selbstverständlich Auskunft gegeben worden. „Die Rechte sind gewahrt worden“, sagt Wolf-Tilman Baumert.
Dirk Metz sagt hingegen, dass die Staatsanwaltschaft trotz mehrfacher Nachfragen keine Auskunft zum Stand der Ermittlungen gegeben habe, Anträge auf Akteneinsicht seien unbeantwortet geblieben. „Es ist absolut unerklärlich, wie es zu einem solchen Justizversagen kommen kann“, sagt Dirk Metz hingegen. Die Justiz sei ohne Empathie vorgegangen, der Familie sei die Chance auf ein faires und ordnungsgemäßes Verfahren genommen worden. „Nach dem schmerzlichen Verlust der Ehefrau und Mutter, sind bei der Familie durch die Abläufe des Strafverfahrens zur Todesfahrt neue Wunden entstanden, die kaum heilbar sein werden.“
Der neue Anwalt der Familie habe eine Anhörungsrüge beim Amtsgericht eingereicht. „Es muss untersucht werden, was hier alles falsch gelaufen ist und vor allem auch, warum. Denn viele wichtige Fragen dazu, wie sich die Todesfahrt ereignet hat, sind bislang seitens der Justiz ignoriert worden und müssen im Rahmen einer Hauptverhandlung aufgeklärt werden“, sagt Holger Matt. So einen Rechtsbehelf gebe es laut Strafprozessordnung nicht, sagt Wolf-Tilman Baumert. Dennoch sei er eingelegt worden. Laut Amtsgericht liegt die Akte nun wieder bei der Staatsanwaltschaft.