Der Tüv kommt

Osterkirmes: Hightech sorgt für Nervenkitzel

Rainer Reichelt hat viel Erfahrung in der Tüv-Abnahme von Fahrgeschäften.
+
Rainer Reichelt hat viel Erfahrung in der Tüv-Abnahme von Fahrgeschäften.

Wuppertal. Die Wingenders sind Schausteller in der dritten Generation und wissen, was auf sie zukommt, wenn der Tüv anrückt. Ein Besuch bei der Familie auf dem Rummelplatz.

Von Caroline Büsgen

Noch bis zum 23. April findet auf dem Festplatz an der Carnaper Straße in Barmen die größte Osterkirmes in der Region statt. Der TÜV Rheinland hat zuvor die Sicherheit der Fahrgeschäfte überprüft. Unsere Redaktion war dabei.

Schausteller Mario Wingender Senior steht entspannt unter dem riesigen, schräg liegenden, runden Karussell-Boden. Oberhalb rotieren später mit irrwitziger Geschwindigkeit knallbunte Gondeln im Licht Tausender funkelnder Lämpchen. Fetzige Musik wird aus den Lautsprechern dröhnen. Am Rand des rasenden Kosmos mit seinen in sich rotierenden Wagen, die gegen den Uhrzeigersinn auf einer ebenfalls kreisenden Fläche laufen und den Fahrgästen ein wildes Kirmes-Erlebnis bieten, werden Menschen stehen, winken, vielleicht überlegen, ob sie bei der nächsten Fahrt dabei sein sollen.

Es wird fröhliches Jauchzen geben, und hier und da werden Schreie ob des Nervenkitzels zu hören sein, den die atemberaubende Geschwindigkeit den Fahrgästen bereitet. Kaum jemand weiß, und niemand muss sich wirklich darüber Gedanken machen, wie viel Hightech in diesem Millionen teuren Karussell steckt. Auch Wingenders Sohn, der ebenfalls Mario heißt, ist völlig entspannt. Selbst wenn mit Rainer Reichelt ein Ingenieur und Sachverständiger für Aufzüge und Fördertechnik des TÜV Rheinland sein kritisches und erfahrenes Auge über die entscheidenden Stellen schweifen: etwa die mithilfe einer riesigen Hydraulik in Schieflage gebrachte Platte aus Lochblech.

Einige Verschleißteile müssen jedes Jahr erneuert werden

Gerade ist er zurück aus der Schweiz, wo die TÜV-Experten ebenfalls zu Beginn der Kirmessaison die Sicherheit der Karussells regelmäßig überprüfen. Ohne Prüfbericht keine Betriebserlaubnis für das „Fliegende Bauwerk“, das sich zuvor schon einer Überprüfung durch das Bauamt der Stadt Wuppertal unterziehen musste. Die Wingenders sind Schausteller in der dritten Generation und wissen, was auf sie zukommt, wenn der TÜV anrückt. „Es gibt Verschleißteile, die jedes Jahr erneuert werden müssen“, erläutert Rainer Reichelt, und er weiß genau, an welchen stark belasteten Stellen er schauen muss. Die Gondelausleger etwa sind besonders stark beansprucht. Mit Ultraschall und der Magnetpulverprüfung können etwa feine Risse sichtbar gemacht werden. Auch das Justieren der Geschwindigkeit und Testfahrten ohne Publikum gehören zur Prüfung, die es jährlich zu absolvieren gilt.

Damit die TÜV-Abnahme glatt läuft, gibt es im Vorfeld im Winterquartier schon eine umfangreiche Check- und Wartungsliste, die Mario Wingender Senior und Mario Wingender Junior mit ihrem Team bereits abgearbeitet haben, wenn die Kirmessaison beginnt. „Jetzt bin ich entspannt. Als wir aber das Karussell nach der Pandemie das erste Mal wieder haben anlaufen lassen, war ich doch angespannt. Wenn ein Karussell so lange nicht in Betrieb war, ist es nicht gesagt, dass die Technik sofort wieder perfekt funktioniert“, erläutert Mario Wingender Senior. Aber als dann das erste Mal wieder Strom durch die Leitungen geschickt wurde, gab es keinerlei Ausfälle, und die Schausteller-Familie konnte aufatmen.

Die Anschaffungskosten für die Karussells sind immens. Als der „Break Dance“, ein Verkaufsschlager des Herstellers, seinerzeit für die Wingenders hochglanzlackiert aus der Fertigung kam, schlug das mit 1,6 Millionen D-Mark zu Buche. Weitere 400 000 DM kamen für ergänzendes Equipment hinzu. „Diese Investition muss man erst mal wieder herausbekommen“, erläutert Mario Wingender junior, und auch die Instandhaltungen, die jährlichen Routine-Reparaturen, Erneuerungen, die Betriebskosten auf der Kirmes selbst, Personalkosten und andere Aufwendungen machen das „Fliegende Bauwerk“ zu einem kostenintensiven Geschäft. Rainer Reichelt etwa erinnert an eine gesetzliche Vorgabe, die EU-weit 2012 die bis dahin in Deutschland geltende rechtliche Grundlage ablöste und die Sicherheitsstandards für Karussells enorm verschärfte. „Aber nur weil sich die Sicherheitsstandards ändern, verschrottet man ja weder sein Auto noch ein Millionen teures Geschäftsmodell. Also mussten die Karussellbetreiber ihre Fahrgeschäfte mit ungeheurem finanziellen Aufwand auf den geforderten Stand der Sicherheitstechnik bringen, um ihre Existenzen zu sichern“, sagt Reichelt, der mit den Lebensumständen der von ihm betreuten Schausteller-Familien bestens vertraut ist.

Dass bei all diesen Investitionen die Fahrpreise über Jahre konstant sind, kann man kaum glauben. „Wenn wir nur 50 Cent mehr nehmen würden, könnten sich viele Familien die Fahrt vielleicht schon nicht mehr erlauben“, befürchten die Wingenders, die ihre Aufgabe seit Generationen darin sehen, anderen eben auch Spaß und Nervenkitzel in der Jahrmarkt-Glitzerwelt zu bereiten.

Unsere News per Mail

Nach der Registrierung erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Erst mit Anklicken dieses Links ist die Anmeldung abgeschlossen. Ihre Einwilligung zum Erhalt des Newsletters können Sie jederzeit über einen Link am Ende jeder E-Mail widerrufen.

Die mit Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.

Meistgelesen

A46 zwischen Kreuz Hilden und Sonnborner Kreuz mehrere Tage gesperrt
A46 zwischen Kreuz Hilden und Sonnborner Kreuz mehrere Tage gesperrt
A46 zwischen Kreuz Hilden und Sonnborner Kreuz mehrere Tage gesperrt
Neue Feuerwehr-Leitstelle für mehr als 4 Millionen Euro
Neue Feuerwehr-Leitstelle für mehr als 4 Millionen Euro
Neue Feuerwehr-Leitstelle für mehr als 4 Millionen Euro
Tiger Wassja wurde eingeschläfert
Tiger Wassja wurde eingeschläfert
„Treue, Blut und Ehre“: Prozess um Nazi-Mode in Düsseldorf
„Treue, Blut und Ehre“: Prozess um Nazi-Mode in Düsseldorf
„Treue, Blut und Ehre“: Prozess um Nazi-Mode in Düsseldorf

Kommentare