Insolvenz

Kaufhof-Aus schockiert Wuppertaler

 Der Wuppertaler Kaufhof soll am 31. Januar 2024 schließen.
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Der Wuppertaler Kaufhof soll am 31. Januar 2024 schließen.

Wuppertal. Rund 110 Beschäftigte sind betroffen. Händler und Politiker sorgen sich um die Wirkung auf die Innenstadt.

Auf das Aus für den Wuppertaler Standort des Unternehmens „Galeria Karstadt Kaufhof“ reagieren Gewerkschaft und Geschäftswelt, Politiker und Wuppertaler Bürger betroffen. Am Montagnachmittag war bekannt geworden, dass Wuppertal zu den 52 Standorten gehört, von denen sich das Unternehmen trennt. Zum 31. Januar 2024 soll das Kaufhaus schließen. Nun wird diskutiert, was aus dem denkmalgeschützten Gebäude in zentraler Lage wird.

Miriam Jürgens, Verdi-Gewerkschafts-Sekretärin, sagt: „Der Schock sitzt tief.“ Sie hätten nicht mit der Schließung des Wuppertaler Hauses gerechnet, weil es etwa kein weiteres Kaufhaus in der Umgebung gebe. „Die Kriterien, nach denen die Filialen geschlossen wurden, sind nicht nachvollziehbar“, kritisiert sie.

Die rund 110 Beschäftigten in Wuppertal seien am Montag ab 14 Uhr in einer Betriebsversammlung informiert worden. „Danach hat die Filiale nicht mehr geöffnet“, berichtet sie. Das sei zuvor mit dem Unternehmen so verabredet worden. Für die Beschäftigten, im Durchschnitt im Alter von Ende 40 oder Anfang 50, sei die Nachricht „ein Schlag ins Gesicht“. Denn sie hätten viel getan, um ihren Standort zu erhalten, hätten auf Sonderzahlungen und Gehalt verzichtet. „Darunter sind Menschen, die über 40 Jahre in dem Warenhaus waren.“ Aber das Management habe weiter Fehler gemacht. Jetzt gelte es, die Ärmel hochzukrempeln und zu kämpfen. Schließlich hätten bei der Insolvenz 2020 auch nicht alle Filialen geschlossen, für die das vorgesehen war.

Geschockt ist auch Matthias Zenker aus dem Vorstand der Elberfelder Werbegemeinschaft IG1. „Wir sind tief betroffen“, sagt er. Sie hätten nicht gedacht, dass das Haus schließt, da doch mit der Qualitätsoffensive Innenstadt eine Umfeldverbesserung anstehe. Im Rückblick könnte man vielleicht sagen, dass diese Maßnahmen „früher hätten ansetzen müssen“. Aber das sei sicher nicht der Hauptgrund für die Schließung. Der Wandel der Innenstädte vollziehe sich „schneller als man denkt“. Pandemie und Ukraine-Krieg seien dazu Brandbeschleuniger. Mit dem Kaufhof verschwinde ein Anziehungspunkt in der Innenstadt.

Zenker blickt aber auch in die Zukunft: Mit der Schließung des Kaufhofs stünden Flächen zur Verfügung, „die man so umgestalten muss, dass sie weiterhin einen Mehrwert für die Innenstadt haben“. Er denkt dabei an Dienstleistung, Behörden und Gastronomie, so dass weiter Leben in die Innenstadt gebracht wird. Bei den Planungen für die Umgestaltung der Innenstadt habe es bereits die Idee einer Markthalle gegeben, die sich in Kombination mit dem Neumarkt anbiete. Diese Idee sollte seiner Meinung nach weiterverfolgt werden: „Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken.“

Ebenfalls von „Schock“ und einem „bitteren Signal“ spricht Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. „Gerade unsere Filiale als Wiege des Kaufhausgeschäfts – das zeigt die besondere Symbolik und Dramatik“, erklärt Schneidewind. Es zeige auch, wie schlimm es um das Geschäftsmodell Kaufhaus stehe. Die Schließung reiße eine „gewaltige Lücke“, sei ein weiterer Rückschlag für die Elberfelder Innenstadt. Für die Zukunft seien verschiedene Szenarien vorstellbar.

Daria Stottrop, Leiterin des Bereichs International der Bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK), erklärt: „Es ist total schade, dass solch ein Traditionshaus und Magnet in der Elberfelder Innenstadt schließen soll.“ Das Haus habe eine lange Geschichte. Für sie kommt die Schließung nicht unerwartet, wenn sie auch anderes erhofft hatte. Die Entscheidung des Unternehmens sei durchaus zu verstehen. „Mit der Situation im Umfeld, den vielen Baustellen und Verzögerungen, hätte es mich gewundert, wenn die Entscheidung anders ausgefallen wäre“, so Stottrop.

Schnelles Handeln gefordert

Sie sieht nun eine Gefahr für die übrige Innenstadt: Eine leerstehende Immobilie färbe immer auch auf die Händler im Umfeld ab. „Deswegen müssen wir in der Stadtgemeinschaft Ideen entwickeln, wie es weitergehen kann.“ Dabei gebe es eine zusätzliche Herausforderung: „Die Fassade steht unter Denkmalschutz. Solch ein Gebäude wird nicht mal eben umgenutzt.“ In Bezug auf die Beschäftigten sagt sie, dass die Schließung bitter für sie sei. Sie macht den Betroffenen aber Mut: „Üblicherweise werden sie bei Galeria Kaufhof sehr gut ausgebildet. Mit etwas Flexibilität werden sie auf jeden Fall etwas finden können.“

„Das ist kein schöner Tag für den Einzelhandel und viele Innenstädte in Nordrhein-Westfalen“, erklärt Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW. „Wir hoffen, dass es vielleicht noch gelingt, die Schließung einzelner Häuser abzuwenden.“ Für die anderen gelte es nun, sinnvolle Konzepte für eine Nachnutzung zu finden.

Wuppertaler Politiker reagierten gleichermaßen schockiert auf die Nachricht. Die Reaktionen gingen von „Absoluter Einschnitt für die Elberfelder Innenstadt“ (Rainer Spiecker, CDU), eine „mittlere Katastrophe für das Elberfelder Zentrum“ (Alexander Schmidt, FDP), ein „großer Rückschritt für die Entwicklung der Elberfelder Innenstadt (Heiner Fragemann, SPD) über: „Es ist ein Drama“ (Bezirksbürgermeister Thomas Kring, SPD) bis zu: „Es ist ein Schock für Beschäftigte, Wuppertal und das Stadtbild gleichermaßen“ (Rainer Widmann, Grüne).

Alle fordern ein schnelles Handeln, damit in einer solchen repräsentativen Lage keine jahrelange Bauruine entstünde. „Wir müssen zeitnah herausfinden, was mit dem Gebäude passiert, wer der Vermieter ist und was er mit dem Gebäude vorhat“, so Rainer Spiecker, der als Textilunternehmer persönlich betroffen ist: „60 Jahre lang haben wir an Galeria Karstadt Kaufhof geliefert.“

Elberfelds Bezirksbürgermeister Thomas Kring wirft dem Management massive Fehler in der Vergangenheit und heute vor: „Einen besseren Standort als hier in Elberfeld kann man sich gar nicht wünschen, er ist konkurrenzlos. Dass er keine Zukunft haben soll, leuchtet mir absolut nicht ein.“ Die Grünen stellen erste Überlegungen zur Nutzung des Gebäudes an: Vielleicht könne die Uni die oberen Etagen nutzen oder es könnten Wohnungen entstehen. Für das Erdgeschoss fragt Rainer Widmann, ob die Textilkette Breuninger interessiert wäre. Die Stadt Wuppertal sei gefragt. „Die Wirtschaftsförderung muss die Fühler ausstrecken.“

Die drei Wuppertaler SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Bialas, Dilek Engin und Josef Neumann erklären ihre Solidarität mit den Beschäftigten: „Sie müssen für eine verfehlte Politik der Konzernführung den Kopf hinhalten.“ Jetzt brauche es eine Perspektive für die Betroffenen: „Da ist der Übergang in eine Transfergesellschaft nur eine Maßnahme von weiteren, die folgen müssen.“

Historie

Der Kaufmann Leonhard Tietz hatte sein erstes Textilgeschäft in Stralsund. 1885 eröffnete er an der Elberfelder Herzogstraße das erste Warenhaus Deutschlands. Als das Geschäft wuchs, wurde 1912 das Haus am Neumarkt errichtet. Die Nationalsozialisten drängten die jüdische Familie aus dem Geschäft, 1933 wurde es in „Westdeutsche Kaufhof AG“ umbenannt.

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