Premiere
Eine Oper von Shakespeare, die er nicht schrieb
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„Die Krönung der Poppea“ von Monteverdi hat am Sonntag Premiere in der Oper Wuppertal.
Von Monika Werner-Staude
Wuppertal. Was fasziniert heute an einer Oper, die bald 400 Jahre alt ist? Sie sei sehr natürlich und organisch, stelle den Menschen in den Mittelpunkt, arbeite mit einer Sprache, die sich nach der Musik richte. Eine Musik, die der Australier Matthew Toogood bereits zum dritten Mal seit 2012 verantwortet. Weshalb der Dirigent schon eine etwas engere Beziehung zu „Die Krönung der Poppea“ entwickelt hat. Das trifft auch auf Immo Karaman zu, der Monteverdis Oper inszeniert und das Bühnenbild entworfen hat. Seine letzte Arbeit für Wuppertals Opernintendanten Berthold Schneider, Schlusspunkt auch eines zeitlichen Bogens, der mit „AscheMond“ (Saison 2016/17) im 21. Jahrhundert begann und Jahrhundert für Jahrhundert zurückwanderte. Nun im 17. Jahrhundert angelangt ist. Am kommenden Sonntag findet die Premiere statt.
Kostüme erinnern an die Serien Dallas oder Denver Clan
Das Bühnenbild war fertig, als die Flut kam. Es blieb unbeschadet, aber die Bühne, auf der die hohen, an antike Häuser erinnernden, Wände aufgebaut werden sollten, war nicht mehr bespielbar. Das war im Sommer 2021. Schweren Herzens beschlossen Immo Karaman und Berthold Schneider, die Inszenierung von Händels „Julius Caesar“ völlig anders anzugehen. Später suchten sie ein Stück, das zur ungenutzten Kulisse passen konnte. Und kamen auf „Die Krönung der Poppea“, die mit ihren vielen Übergängen die insgesamt acht, hintereinander aufgehängten „Holzmauern“ gut nutzen kann. Natürlich nicht eins zu eins, es wurde einiges geändert – vor allem farblich. „Plötzlich stand die Monochromie im Raum, die wir auch auf Mobiliar, Requisite, bis hin zu jeder einzelnen Traube übertrugen“, zählt Karaman auf. Auf diese Weise sei die Fokussierung auf die Menschen und ihre farblich-expressiven Geschichten verstärkt worden. Geschichten, die auch die Soap Operas der 1980er-Jahre erzählt haben, weshalb Fabian Posca die Sängerinnen und Sänger in Kostüme steckt, die an die Serien Dallas oder Denver Clan erinnern. Ein skurriler Kontrast zur dunkelgrauen Kulisse.
„Die Krönung der Poppea“ spielt im Reich des römischen Kaisers Nero. Die Edeldame Poppea, mit diesem verbandelt, will Kaiserin werden. Freilich muss dafür Neros Frau Ottavia aus dem Weg geräumt werden, die die drohende Verstoßung nicht widerstandslos hinnimmt, sondern ihrerseits Ottone anstiften will, die aufstrebende Kaiserin zu ermorden. Der ehemalige Geliebte Poppeas ist gerade aus dem Krieg zurückgekommen und frustriert, weil alles anders ist. „Da wird eine Lawine losgetreten, in der sich alle verlieren, auch Nero, der zutiefst menschliche Momente hat. Alle Figuren sind ambivalent“, sagt Karaman und zieht den Vergleich zu den Geschichten Shakespeares: „Das ist eine Oper von Shakespeare, die nur nicht von ihm geschrieben wurde.“ Im Kern handle sie von drei Dingen: Machtmissbrauch, Einsamkeit, weil sich die Sehnsucht nach Liebe für keinen erfülle, und Endlichkeit, Vergänglichkeit, die in vielen sprachlichen Metaphern ausgedrückt wird.
Die vielen Facetten der Liebe werden deutlich, die auch böse, manipulativ sein kann, ergänzt Toogood. Und die Frage, ob all das, was als Liebe bezeichnet wird, auch wirklich Liebe ist. Das Liebesduett am Ende der Oper über das Ideal der Liebe, die keiner bekommen kann, sei programmatisch dafür, so Karaman. Ein Epilog, der auch Prolog sein kann, weil das Ende offen ist. Ottavia ist zwar aus dem Weg geräumt, Nero und Poppea sind zusammen. „Die Geschichte lehrt aber, dass Poppea nicht gekrönt, sondern ermordet werden wird“, so Toogood. Nur die Zeit, die das Team als eigene Protagonistin, eine Tänzerin, ins Geschehen einführt, überlebt. Bei der Besetzung setzt man auch auf Travestie, so dass Catriona Morison Nero verkörpert.
Farbenreiche Orchestrierung
Die Musik bringt eigene Herausforderungen. Es gibt mehrere Versionen und vom Original liegen nur noch die Instrumentierungen für die Bass- und die Gesangslinie vor. Das künstlerische Team in Wuppertal nimmt Philippe Boesmans 2012 erstmals aufgeführte Fassung, die eine farbenreiche Orchestrierung in kammermusikalischer Stärke vorsieht. Und nun um sechs auf 36 Musikerinnen und Musiker erhöht wird. Außerdem werden viele moderne Instrumente wie Synthesizer, Marimba, Klavier oder Glocken eingesetzt, die selten zusammenkommen. Außerdem gebe es Überraschungen, Effekte wie Streicher, denen durch Dämpfer die Tiefe genommen wird. Boesman sei sehr humorvoll gewesen und drücke dies auch in der Musik aus: „Das Orchester braucht die Sänger, um zu verstehen, wie die Musik funktioniert“, erklärt der Dirigent. Womit sich der Kreis schließt, weil so auch die Musik keine falsche Authentizität sucht, sondern sich wie die Inszenierung öffnet, aufbricht, erklärt der Regisseur.
Seit vier Wochen konnte geprobt werden. „Der Ritt über den Bodensee“ habe aber auch sein Gutes, verdichte die Dynamik, die bis zum Schluss noch zu Veränderungen führt. Am 30. April, 18 Uhr, ist damit Schluss und es beginnt ein anderes Kapitel.
Aufführungen
Die Oper „Die Krönung der Poppea“ von Monteverdi wird am 30. April, 18 Uhr, und 7. Mai, 12. Mai, 2. Juni und 25. Juni, je 19.30 Uhr, im Opernhaus Barmen aufgeführt. Musikalische Leitung: Matthew Toogood, Inszenierung und Bühne: Immo Karaman; Kostüme: Fabian Posca, Dramaturgie: Philine Pippert.
Karten: oper-wuppertal.de