Pfandleih-Geschäft
Eine Familie, die sich nicht täuschen lässt
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Wuppertal. Jochen Brauers ist seit 40 Jahren im Pfandleih-Geschäft tätig. Der Wuppertaler weiß, woran er Fälschungen erkennt.
Von Alina Komorek
Wer in einem Pfandhaus arbeitet, lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen. Schon gar nicht Jochen Brauers, der bereits seit 40 Jahren im Geschäft Brocker tätig ist. Weil ihm täglich die unterschiedlichsten Gegenstände über die Theke gereicht werden, überrascht ihn fast nichts mehr. „Pfandgegenstände sind alles, was durch die Tür passt – Fahrräder, Uhren, aber meistens Schmuck“, berichtet der Geschäftsführer.
In der sechsten Generation führt seine Familie die Pfandhäuser Brocker, gegründet 1873 in Mönchengladbach, seine drei Kinder sind auch schon eingestiegen – freiwillig, darauf legt Brauers großen Wert, denn: „Man kann einen Job nur gut machen, wenn man ihn gern macht.“
Außerdem sei eine qualitative Ausbildung sehr wichtig, damit man den Gegenständen auf den Grund gehen und erkennen kann, ob es sich wirklich um einen Brillanten, einen echten Goldbarren oder eine originale Rolex handelt. Denn manchmal versuchen Betrüger, sich mit gefälschten Gegenständen den Pfandkredit zu ergaunern – und manchmal weiß die Kundschaft eben selbst nicht, dass es sich bei dem generationenalten Erbstück um keinen echten Schmuck handelt.
Dann bekommt das Gegenüber natürlich nicht den Pfandkredit ausgestellt, das sei aber auch kein Thema, erklärt Brauers. Er beschreibt auch noch einmal, wie das Pfandkredit-Geschäft eigentlich funktioniert: „Im Grunde sind wir nichts anderes als eine Bank. Mit dem einzigen Unterschied, dass man bei der Bank mit für den Kredit haftet, bis der Kredit getilgt ist – bei uns nur mit dem Gegenstand.“
Und dass es beim Pfandhaus eben deutlich schneller gehe, an Geld zu kommen - denn sobald der Wert eines Rings, einer Uhr, eines Thermomix‘ oder gar eines Autos geschätzt ist, wird Geld ausgezahlt. Und weil alle möglichen Gegenstände beliehen werden, zählen die unterschiedlichsten Menschen zur Kundschaft des Pfandhauses: „Nur die ganz Armen kommen nicht, weil sie nichts haben – und die ganz Reichen, weil sie uns nicht brauchen.“
Durch Inflation und steigende Kosten brauchen viele Geld
Sie alle haben aber eins gemeinsam: Sie brauchen schnell und unkompliziert Geld. Meist, um spontan einen Zeitraum mit wenig Geld zu überbrücken. Das sorgt dann natürlich auch dafür, dass der Job spannend bleibt: „Man muss flexibel sein und neue Dinge lernen wollen“, sich zum Beispiel immer wieder Wissen darüber aneignen, was wie gefälscht wird. „Um den Fälschern einen Schritt voraus zu sein.“
Zurzeit habe das Pfandhaus Brocker sehr viel zu tun: Zwar sei während der Pandemie wenig im Pfandhaus abgegeben worden, „die Menschen konnten nicht so viel Geld ausgeben für Urlaube oder Einkäufe, deshalb haben sie ihre Sachen zurückgeholt“, doch inzwischen werden vermehrt Dinge im Hause Brocker abgegeben, die Inflation und die steigenden Kosten führen dazu, dass schnell Geld ran muss – weil die Gasnachzahlung gekommen ist oder Haushaltsgeräte den Geist aufgegeben haben. Das bedeutet für Brauers und sein Team, dass die meisten Dinge – etwa „93 Prozent“ – wieder abgeholt werden. „Die Versteigerungen sind die letzte Option.“ Drei Monate läuft der Pfandvertrag, nach vier Monaten darf das Pfandhaus die Gegenstände versteigern, nach zehn Monaten muss versteigert werden. Doch Brauers und sein Team achten darauf, die Kundschaft zu informieren. Der Geschäftsführer wiederholt: „Die Versteigerungen sind die letzte Option.“ Denn schließlich handelt es sich bei den Gegenständen oft um Erbstücke, die nicht nur wertvoll, sondern vor allem voller Erinnerungen sind und daher von hohem emotionalen Wert für die Kundschaft.
Brocker beleiht übrigens Gegenstände ab zweistelligen und bis zu sechsstelligen Werten. Während in den 1950er Jahren, als Jochen Brauers Eltern Rudolf und Inge Brauers die erste Filiale von Brocker in Wuppertal eröffneten, neben Schmuck und Uhren vor allem auch Pelzmäntel und Teppiche beliehen wurden, sind es heute mehr Handys oder Spielkonsolen, hin und wieder Musikinstrumente. „Früher wurden die Pelzmäntel auch bei uns den Sommer über abgegeben, weil wir sie klimatisiert gelagert haben“, berichtet Brauers.
In den 40 Jahren in der Branche sei Brauers auch schon fast alles untergekommen: „Es wollte schon jemand ein Segelboot verpfänden, ein Pony sollte auch schon abgegeben werden“ - was Brauers nicht gemacht hat, das wolle und dürfe er nicht.
Seinen Job findet er immer noch spannend, er würde nichts anderes machen wollen. Brauers ist froh, die Leidenschaft an seine Kinder weitergegeben zu haben – denn die werden das Geschäft übernehmen und damit die 150 Jahre andauernde Familientradition weiterführen.