Ferien-Klassiker, Teil 28
Der Dom, der keinen Bischof hat
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ODENTHAL In Altenberg steht die schönste gotische Kathedrale Deutschlands. Jedes Bauteil hat eine Funktion für das Ganze.
Von Ulli Tückmantel
In so gutem Zustand, wie der Altenberger Dom heute erstrahlt, hat Goethe ihn nie gesehen. Im Sommer 1815 machte der Geheimrat auf seiner rheinischen Kunst-Rundreise im Auftrag der preußischen Regierung einen Abstecher von Köln nach Altenberg und fand „dieß schöne ganz vollendete Gebäude“ in reichlich ruiniertem Zustand vor; noch im gleichen Winter vernichtete ein Feuer das Dach. Damals war in nur 25 Jahren nahezu alles zerstört und geplündert worden, was Jahrhunderte geschaffen hatten.
Nach der Grundsteinlegung am 3. März 1259 zogen die zisterziensischen Baumeister ihre Klosterkirche in einer Rekord-Bauzeit von nur 120 Jahren hoch und vollendeten sie um das Jahr 1400 mit dem Einbau des gigantischen Westfensters (8 x 18 Meter), des bedeutendsten Maßwerk-Fensters Nordeuropas. Es zeigt das von Heiligen und Engeln bevölkerte himmlische Jerusalem in einer Farbpracht, als erleuchteten Edelsteine das Gebäude.
Aktuell baut das Erzbistum Köln Teile der ehemaligen Klosteranlage „Haus Altenberg“ zu einer modernen Jugendbildungsstätte um. Wer den Dom in der Phase der jüngsten Grundsanierung zwischen 1994 und 2005 besuchte, fand häufig die verschlossenen Türen einer Dauerbaustelle vor.
Den Dom zeichnet die Reinheit und Schlichtheit seiner Form aus
Das hat sich geändert. Die Kirche ist in den Sommermonaten täglich von 7-18 Uhr geöffnet (außer am Freitagvormittag, da wird geputzt), drumherum reicht die kulinarische Bandbreite vom Kiosk an der Bushaltestelle bis zum Karottensüppchen im Altenberger Hof.
Was den Bergischen Dom (der streng genommen mangels Bischof keiner ist) vor allen anderen gotischen Kathedralen Deutschlands auszeichnet, ist die Reinheit und Schlichtheit seiner architektonischen Form. Seit Goethe hält sich das Missverständnis, bei der Altenberger Abteikirche handele es sich um einen „ähnlichen, aber verkleinerten Plan“ des Kölner Doms. Tatsächlich müssen die unbekannten Baumeister auch auf Vorbilder der französischen Kathedral-Gotik zurückgegriffen haben.
Jedes einzelne Bauteil hat eine Funktion für das Ganze – und alles andere wird weggelassen. Jede Strebe trägt. Das auf die Außenseite verlagerte Stützsystem dient zugleich der Entwässerung. Kein unnötiger Schmuck der Westfassade, keine protzigen Türme. Im Altenberger Dom bestehen 40 Prozent der Wandflächen aus Glas. Dies und die Fassung der Räume durch tragende Spitzbögen verleihen dem Stein eine fast unirdische Leichtigkeit.
ANFAHRT
AUTO Über die A 1 bis Burscheid. Von dort über die B 51 in Richtung Köln bis Blecher, dort links nach Altenberg. BUS Zum Beispiel von Wermelskirchen aus mit dem „Bergischen Wanderbus“ (Linie 267).
Das Mittelalter, in dem namenlose Meister dieses Gebäude erdachten, war alles andere als finster. Und nirgendwo sonst in Deutschland lässt es sich so eindrucksvoll erleben wie in Altenberg.
Mit diesem Text endet unsere Sommerserie.