Russische Invasion

Ukraine-Krieg: Ganz Mittelosteuropa hilft den Flüchtenden – nur Orban enttäuscht auf ganzer Linie

Der Ukraine-Krieg ist eine Zäsur – besonders für die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes. Die Hilfsbereitschaft der umliegenden Staaten ist riesig.

Warschau – Die russische Invasion in der Ukraine* stellt in vielerlei Hinsicht eine tiefe Zäsur in der Weltpolitik dar. Das gilt heute ganz besonders für die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes. Ukrainische Frauen und Kinder finden zu Hunderttausenden Zuflucht in allen mittelosteuropäischen Staaten. Die Ukraine wird auch mit allen zur Verfügung stehenden Kräften von den Regierungen der Region unterstützt. Nur Viktor Orbans* Regierung enttäuscht auf ganzer Linie. Die ungarische Gesellschaft tut es aber nicht. Allein bis zum 1. März fanden dort knapp 100.000 Menschen, die vor dem Ukraine-Krieg* flüchteten, Platz.

Was für einige ausländische Korrespondenten heute so erstaunlich erscheint, ist aber nichts Neues. Menschen aus der Ukraine und aus Belarus studieren, arbeiten und leben in Mittelosteuropa seit vielen Jahren. Der Begriff Arbeitsmigranten tritt hier nicht zu, denn ein erheblicher Teil dieser Menschen nimmt sehr aktiv am Leben dieser Staaten teil.

Es ist nicht bloß die Arbeitswelt, die sie mit Polen, Tschechien oder Litauen verbindet. Gerade junge Menschen, die wegen des Studiums oder einer anderer Ausbildung vor Jahren die Ukraine oder Belarus verlassen haben, erfüllen sich ihre beruflichen, kulturellen aber auch familiären Träume in diesen Ländern. Binationale Ehen und Partnerschaften sind inzwischen eher Standard als Ausnahme. Belarussische und ukrainische Bürger sind führend in den Gründerszenen Mittelosteuropas. Das Medium NEXTA, das in Warschau gegründet wurde, ist ein sehr gutes Beispiel dafür.

Flüchtlinge aus der Ukraine machen Pause an der polnisch-ukrainischen Grenze. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind nach UN-Angaben bereits 677 000 Menschen in Nachbarländer geflüchtet. Rund die Hälfte sei in Polen angekommen.

Ukraine-Krieg: Ganz Mittelosteuropa hilft den Flüchtenden – nur Orban enttäuscht auf ganzer Linie

Wenn sich also heute eine Frau mit ihren Kindern über die Staatsgrenze unter Beschuss rettet, dann hat sie in der Regel eine Telefonnummer oder eine Kontaktadresse von Verwandten oder Freunden dabei, die seit Jahren in Polen* oder den anderen Ländern der Region leben. Besonders wichtig sind jetzt auch die engen Kontakte zwischen den Institutionen. Polen, aber auch die anderen Länder, pflegten regen Austausch mit ihren Partnerinstitutionen in der Ukraine. Wenn also heute ein Kinderheim in der Ukraine evakuiert wird, dann leistet eine entsprechende Einrichtung beispielsweise in Polen oder Tschechien profunde Hilfe nach der Ankunft.

Als ebenso wertvoll erweisen sich aktuell auch Partnerschaften, etwa zwischen Feuerwehren und Sportvereinen. Sie fungieren häufig als erste Ansprechpartner vor Ort. Der Rest funktioniert auf der Basis von fantastischer Eigeninitiative. Jemand besorgt ein Zimmer, eine Nachbarin bringt Essen und Bettdecken - so ist es in einer Region, wo die Menschen es gelernt haben, sich aufeinander zu verlassen, da der Staat bis 1989 nicht ihr Staat war. Binnen Tagen können auch Kindergeldansprüche zumindest in Polen und andere Hilfen formlos abgerufen werden. Es übertrifft alle Erwartungen, wie schnell und effektiv Behörden helfen können.

Ukraine-Krieg: Freiwillige Helfer an allen Grenzübergängen

Überall entlang der westlichen Grenze der Ukraine bieten freiwillige Helfer an den Grenzübergängen ihre Hilfe an und organisieren die Ankunft der Ukrainer. Im slowakischen Vyšné Nemecké und anderen Orten sind regelrechte kleine Städte entstanden. Dort findet man ein Bett, eine warme Mahlzeit, Kleidung und sanitäre Anlagen. Inzwischen gibt es auch medizinische Versorgungsmöglichkeiten, den in den allerersten Tagen mussten Krankenwagen zur Versorgung von Kranken und Verletzten gerufen werden.

Der ganze Ablauf der Aufnahme der Flüchtlinge an der Grenze ist personell, organisatorisch und sicherheitstechnisch eine große Herausforderung. Das gilt gerade für die relativ kleine Slowakei. Deshalb wird sie inzwischen auch dabei von Tschechien unterstützt. Moldawien wird hingegen stark von Rumänien unterstützt, um so vielen Menschen helfen zu können, wie nur möglich.

Am vergangenen Sonntag besuchte die slowakische Präsidentin die ukrainisch-slowakische Grenze und schrieb danach: „Alle Ukrainer, mit denen ich an der Grenze gesprochen habe, waren sehr erschöpft, aber gleichzeitig froh, wieder in Sicherheit zu sein. Sie bedankten sich für den Empfang in der Slowakei und für die Betreuung, die sie erhalten haben. Es war sehr emotional zu hören, wie Mütter ihre Kinder innerhalb von Minuten einpacken, um sie vor der Bedrohung durch den Krieg zu retten. Ich bin selbst Mutter und mag es mir kaum vorstellen.”

Krieg in Ukraine erschüttert Menschen: Das Intermarum einer Schicksalsgemeinschaft

Die Region zwischen der Ostsee, der Adria und dem Schwarzen Meer wird auch mit dem Begriff des Intermarum beschrieben. Diese geografische Beschreibung steht inzwischen verstärkt für eine gemeinsame Geschichte sowie sicherheitspolitische und ökonomische Interessen. Diese Länder haben alle entweder als Sowjetrepubliken oder auch als Satellitenstaaten mit allem dazugehörenden Schmerz und Tod erfahren, was sowjetische Grausamkeit bedeutet.

Die Freiheit ist hier anders als in Westeuropa vor allem auch damit verbunden, dass man sich von sowjetischer Unterdrückung befreit hat. Der heute in der Ukraine stattfindende Krieg geht den Menschen in dieser Region mehr als woanders unter die Haut. Sie wissen es aus eigener Erfahrung. Die Opfer des Prager Frühlings, die Gefallenen in Budapest 1956 und die vielen Opfer anderer blutiger Massaker der kommunistischen Herrschaft sind hier nicht vergessen. (Aleksandra Fedorska) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Osteuropa-Expertin im Interview: Korrespondentin Aleksandra Fedorska spricht über Russlands Präsident Wladimir Putin, die dramatische Grenz-Situation und europäische Einigkeit.

Rubriklistenbild: © Wojtek Jargilo/dpa

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