Regierungssitz verwüstet

Krieg in Bergkarabach: Unerwartete Wende - Armenien macht Aserbaidschan Zugeständnisse

In der umkämpften Region Bergkarabach wurde eine erneute Waffenruhe vereinbart. Diesmal unterzeichneten die Regierungschefs die Erklärung. Doch es kommt zu massiven Protesten. Armenien veröffentlicht eine Liste.

  • Zum dritten Mal wurde in der umkämpften Kaukasus-Region Bergkarabach ein Ende der Kampfhandlungen vereinbart.
  • Die Regierungschefs Armeniens und Aserbaidschans unterschrieben erstmals eine solche Vereinbarung.
  • Derweil gehen mehr als 100 Ortschaften von Armenien an Aserbaidschan über.

Update vom 23. November, 15.27 Uhr: Armenien gibt im Bergkarabach-Konflikt mit Aserbaidschan die Kontrolle über mehr als 120 Ortschaften ab. Die Regierung des Landes veröffentlichte eine Liste mit insgesamt 121 Städten und Dörfern, die in die aserbaidschanische Kontrolle übergehen. Die betroffenen Ortschaften werden teilweise kampflos übergeben, in zahlreichen Fällen hatte die armenische Armee auch die Kontrolle über die Orte bei bewaffneten Auseinandersetzungen verloren.

Bergkarabach: Putin und Erdogan greifen mit Truppen ein - Armenier verprügeln aus Wut Parlamentschef

Update vom 11. November, 17.37 Uhr: In Armenien sind viele Menschen nicht zufrieden mit der Waffenruhe der Regierungschefs von Armenien und Aserbaidschan über den Krieg in der Region Bergkarabach (siehe Erstmeldung). Tausende Menschen gingen gegen das Abkommen auf die Straße, wie ein Reporter der Deutsche Presse-Agentur meldet. „Nikol, tritt zurück!“ und „Verräter!“ skandierten die Demonstranten demnach am Mittwoch im Zentrum der armenischen Hauptstadt Eriwan. Sie forderten den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan.

Die Polizei sei mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen, es habe Dutzende Festnahmen gegeben, weil Kundgebungen wegen des geltenden Kriegsrechts und wegen der Coronavirus-Pandemie nicht erlaubt sind. Auch mehrere Parlamentsabgeordnete seien festgenommen worden. Paschinjan verteidigte die Unterzeichnung des Abkommens. Auf diese Weise seien viele Menschenleben gerettet worden, sagte er.

Bergkarabach: Einigung auf „vollständige Waffenruhe“

Erstmeldung vom 10. November, 9.21 Uhr:

Baku/Eriwan - Unter der Vermittlung des russischen Präsidenten Wladimir Putin haben sich die Regierungschefs von Armenien und Aserbaidschan auf eine „vollständige Waffenruhe“ geeinigt, gibt die Deutsche Presse Agentur bekannt. Es soll das Ende der Kampfhandlungen sein. Dabei handelt es sich um den dritten Anlauf, den seit September entbrannten Konflikt in der Kaukasus-Region Bergkarabach zu befrieden - vorherige scheiterten. Die neue Waffenruhe soll der Agentur-Interfax zufolge, die sich auf eine Mitteilung seitens des Kremls in der russischen Hauptstadt Moskau bezieht, am Dienstagmorgen um 1.00 Uhr Ortszeit begonnen haben. Russland gilt als Schutzmacht Armeniens.

Ob die erneute Waffenruhe anhält ist noch unsicher. Unter der Bevölkerung Bergkarabachs kam es zu massiven Protesten. Jedoch ist diesmal etwas anderes: Die Einigung kommt von höchster Ebene - Die Staats- und Regierungschefs Armeniens und Aserbaidschans haben die Vereinbarung unterzeichnet. Zum ersten Mal.

Bergkarabach: Türkische und russische Friedensgruppen in der Region

Putin verkündete, dass dies eine langfristige Lösung für die Region sei. Der russische Präsident machte zuletzt mit den Vorgängen rund um den Kreml-Kritiker Nawalny auf sich aufmerksam. Das Ende der Kampfhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan soll nun von russischen Friedensgruppen überwacht werden - ein solcher Vorschlag galt bislang als umstritten. Das Vorhaben einer gemeinsamen Friedensmission Russlands und der Türkei wurde auch seitens des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev gegenüber der Agentur Interfax bestätigt.

Russland setzt rund 2000 Soldaten für zunächst fünf Jahre ein - zu der Anzahl der geplanten türkischen Soldaten machte Aliyev keine weiteren Angaben. Ankara gab zunächst keine Bestätigung zum Einsatz türkischer Gruppen bekannt. Die Türkei sorgte in der vergangenen Zeit mit dem Ausbau ihres militärischen Einflusses für Schlagzeilen. Die ersten russischen Friedenstruppen haben ihre Arbeit bereits begonnen, wie das russische Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Interfax zufolge mitteilte.

Konflikt um Bergkarabach: Russland und Türkei überwachen Ende der Krieghandlungen

Bei der Vereinbarung zwischen Armenien und Aserbaidschan unter Russland einigte man sich unter anderem auf folgende Punkte, wie Putin laut der Deutschen Presse Agentur mitteilte:

  • Gefangenenaustausch sowie die Rückgabe der Überreste getöteter Soldaten beider Seiten.
  • Geflüchtete sollen in ihre Heimat zurückkehren können. Aufsicht darüber sollen die Vereinten Nationen haben.
  • Russische Grenztruppen sollen die Transportverbindungen zwischen Karabach und Armenien übernehmen.
  • Aserbaidschan und Armenien sollen sich laut Putin darauf verpflichtet haben, ihre bisherigen Positionen einzufrieren.

Umkämpfte Kaukasus-Region Bergkarabach: Armenische Bevölkerung protestiert gegen Vereinbarung

Die Vereinbarung sorgte für spontane Proteste in Armenien auf Seiten der Bevölkerung, die sich gegen diese stellten. In den sozialen Netzwerken kursierten Videos, in denen zu sehen war, wie Demonstranten Dienstagnacht Regierungsgebäude in der armenischen Hauptstadt Eriwan besetzten. Bei den Ausschreitungen wurden Möbel, Türen und Fenster zerschlagen - einige der Demonstranten seien in das Büro des Regierungschefs Nikol Paschinjan vorgedrungen. Sie beklagten erhebliche Gebietsverluste in Bergkarabach. Paschinjan wurde von Tausenden, die sich vor dem Regierungssitz versammelten, als Verräter bezeichnet. Die Deutsche Presse Agentur führt weiter an, es gebe Berichte, wonach Demonstranten die Residenz Paschinjans aufsuchen wollten. Weitere Videos zeigten, wie der Parlamentschef aus seinem Auto gezerrt und von Menschen verprügelt wurde - um Auskunft über den Aufenthalt Paschinjans aus ihm herauszubekommen.

Der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan äußerte sich folgendermaßen im sozialen Netzwerk Facebook: „Der Text ist für mich persönlich und für unser Volk schmerzhaft.“ Er führte weiter an, dass er sich nach reiflichem Überlegen jedoch für die Unterzeichnung entschieden hatte, um den Konflikt zu beenden - diese sei der Deutschen Presse Agentur zufolge für Beobachter des Konflikts um die Kaukasus-Region Bergkarabach eine Kapitulation.

Reaktionen zu Bergkarabach: Armeniens Präsident soll aus Medien von Vereinbarung erfahren haben

Araik Arutjunjan, der Führer der nicht anerkannten Republik Karach schrieb auf Facebook: „Die entstandene schwere Situation
berücksichtigend und ausgehend von der Notwendigkeit, weitere große menschliche Verluste und den vollständigen Verlust von Karabach zu vermeiden, habe ich meine Zustimmung zur Beendigung des Krieges gegeben.“ Im armenischen Fernsehen wurde gezeigt, wie Aliyev und Putin parallel die Dokumente unterzeichneten. Der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan sollte ursprünglich dabei sein, weigerte sich jedoch zunächst zu unterschreiben. Armen Sarkissjan, Armeniens Präsident gab derweil bekannt, aus den Medien über das vereinbarte Ende der Kampfhandlungen erfahren zu haben und zeigte sich überrascht.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gratulierte Aserbaidschan am Dienstag auf Twitter mit folgenden Worten: „Ich gratuliere von Herzen zu diesem freudigen Erfolg.“ Der Verbündete Aserbaidschan habe einen wichtigen Gewinn auf dem Feld und am Verhandlungstisch erzielt.

Bergkarabach: Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan wütet seit September

Wenige Stunden vor der Vereinbarung zwischen Armenien und Aserbaidschan wurde ein russischer Militärhubschrauber auf armenischen Gebiet von Aserbaidschan abgeschossen - wofür sich das Land bei Russland entschuldigte. Und die Behörden von Bergkarabach teilten den Verlust der strategisch wichtigen Stadt Schuscha mit.

Seit September 2020 ist der Konflikt um die Region Bergkarabach erneut entbrannt - seitdem halten die Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan an. Am Montag wurde die Zahl der im Verlauf des neuen Konflikts getöteten Menschen aufseiten Bergkarabachs von Behörden mit 1221 beziffert. Die Hauptstadt von Aserbaidschan, Baku, gibt aufgrund geltender Zensurbestimmungen nicht an, wie viele Soldaten getötet wurden. Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan - das die Kontrolle beansprucht -, die Bevölkerung ist jedoch größtenteils armenisch, das Gebiet wird von Armenien kontrolliert. Seit 1994 bestand in der Region eine brüchige Waffenruhe. (aka mit dpa)

Rubriklistenbild: © Dmitri Lovetsky/dpa

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