Schleppender Kriegsverlauf
Putin unter Druck: Diese Männer könnten Russlands Präsidenten ersetzen
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Der Ukraine-Krieg bringt Putin in Schwierigkeiten. Im Hintergrund machen sich potenzielle Nachfolger bereit – mit noch schärferem Kurs gegen den Westen.
Moskau – Der russische Staatspräsident steht aufgrund des schleppenden Kriegsverlaufs in der Ukraine massiv unter Druck. Zwar existieren keine klaren Anzeichen darauf, dass Wladimir Putin in Russland bald abgesetzt werden könnte. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte über Unzufriedenheit bei den Eliten des Geheimdienstes und des Militärs – auch zahlreiche Oligarchen haben durch den Ukraine-Krieg viel Geld verloren.
Beobachterinnen und Beobachter stellen sich aufgrund der Entwicklungen die Frage, wer ein potenzieller Nachfolger Putins sein könnte. Das US-Magazin Politico hat sich die Mühe gemacht, Männer aufzulisten, die als zukünftigen Amtsinhaber infrage kommen könnten. Jeder Kandidat wird bewertet: Ein bis fünf Kreml-Punkte gibt es für die Wahrscheinlichkeit, dass das Präsidentschaftsamt erreicht wird, für den Gruselfaktor der jeweiligen Person gibt es maximal fünf Atombomben-Punkte.
Russland: Ehemaliger KGB als Putin-Nachfolger?
Dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, weist Politico die Pole-Position zu. Er bekommt von dem Medium drei Kreml-Punkte und wäre damit der wahrscheinlichste Kandidat. Der 71-Jährige arbeitet im Hintergrund, gilt als Einflüsterer Putins. Wie der Kreml-Chef war Patruschew ein Agent des gefürchteten Sowjet-Geheimdienstes KGB. Beide Männer kennen sich bereits seit den 1970er-Jahren.
Sollte Putins Amtszeit frühzeitig zu einem Ende kommen und Patruschew übernehmen, wäre das für die westliche Hemisphäre kein Grund zur Freude. Der Geheimdienstmann gilt als Hardliner, verachtet die USA. Laut der Tagesschau sei er von der Idee „besessen“, der Westen wolle Russland spalten. Seine Äußerungen sind in den vergangenen Jahren immer düsterer geworden. In der Ukraine würden laut Patruschew Nazis herrschen, das Land müsse sich Russland einverleiben. Politico vergibt fast die volle Punktzahl beim Gruselfaktor: vier von fünf Atombomben.
Medwedew: Von der Hoffnung des Westens zum Hardliner in Russland
Auch Dmitri Medwedew wird als Putin-Nachfolger gehandelt. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates ist ein enger Verbündeter des Präsidenten, Putin vertraut ihm. Medwedew war von 2008 bis 2012 Präsident von Russland, anschließend bis 2020 Ministerpräsident. Das Magazin gibt ihm zwei Kreml-Punkte bezüglich der Wahrscheinlichkeit, dass er es an die Spitze schafft.
Wladimir Putin: Die politische Karriere des russischen Staatschefs in Bildern




Doch wie tickt der 57-Jährige? Früher wurde er im Westen als liberaler Reformer angesehen, er sollte Russland wirtschaftlich stärken und so in eine prosperierende Zukunft führen. Doch dieses Image ist komplett verschwunden, in den letzten Jahren hat sich Medwedew in seiner Rhetorik radikalisiert. Er drohte dem Westen erst kürzlich mit dem Einsatz von Atomwaffen. „Stellen wir uns vor, dass Russland gezwungen ist, die furchterregendste Waffe gegen das ukrainische Regime einzusetzen, das einen groß angelegten Akt der Aggression begangen hat, der für die Existenz unseres Staates gefährlich ist“, schrieb der Politiker im Messengerdienst Telegram.
Das Magazin nimmt ihm seine Radikalisierung aber nicht ab. Medwedew wolle nur sein Image als „Putins weniger böser Zwilling“ abschütteln. Die nuklearen Drohungen im Ukraine-Konflikt seien nur politischer Geltungsdrang. Zwei Atombomben-Punkte.
„Putins Bluthund“ Kadyrow: Eskalation garantiert
Sollte Putin vom Militär gestützt werden, hätten wohl die „starken Männer“ des Landes die besten Chancen. Darunter der als „Putins Bluthund“ bekannt gewordene Tschetschenenfüher Ramsan Kadyrow. Mit einem repressiven Führungsstil herrscht er in der Teilrepublik Tschetschenien. Homosexuelle wie Oppositionelle werden verfolgt, gefoltert und ermordet. Er propagiert eine Form des Staatsislamismus – nicht nur die Religion steht im Vordergrund, sondern auch der Personenkult um Putin und Kadyrow selbst.
Der Tschetschene glaubt an „Satanisten“, die im Westen die Macht an sich gerissen hätten. Um diese „teuflischen Kräfte“ zu bekämpfen, schickt er Kämpfer aus ganz Russland in die Ukraine. „Gemeinsam mit tschetschenischen Freiwilligen ziehen sie zum Wohle der Menschen in den Kampf gegen Satanisten. Und ich freue mich sehr, dass das Kontingent derer, die in die Reihen der Einheiten eintreten wollen, jeden Tag wächst“, schrieb Kadyrow auf Telegram.
Das US-Medium vergibt dem Machthaber fünf Atom-Punkte. Kadyrow lässt nichts unversucht, um dieses Image zu festigen. Er forderte von Putin, den Einsatz von taktischen Atomwaffen mit geringer Sprengkraft in der Ukraine zu prüfen. Vor Kurzem kündigte der Herrscher an, seine Söhne im Alter von 14 bis 16 Jahren in den Ukraine-Krieg zu schicken. „Wir sind überzeugt, dass selbst minderjährige Kinder in der Lage sein werden, euch in Stücke zu schlagen“, drohte er der Gegenseite.
Möglicher Nachfolger? „Putins Koch“ sprengt die Angstskala
Beunruhigender wäre nur Jewgeni Prigoschin. Der als „Putins Koch“ bekannte russische Unternehmer ist Gründer der berüchtigten Söldnertruppe „Gruppe Wagner“. Die paramilitärische Organisation nutzt Russland für verdeckte Operationen und hybride Kriegsführung. Zwar setzt die Truppe stets russische Interessen um, der Kreml kann allerdings eine staatliche Beteiligung ausschließen. Der „Gruppe Wagner“ werden zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen – nicht nur in der Ukraine, auch in Libyen.
Der gut informierte Russland-Experte Christo Grozev schrieb im September auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die Wagner-Leute sagen mir, dass sie ihn jederzeit Putin vorziehen würden, und ich habe den Eindruck, dass er Blut riecht.“ Grozev arbeitet bei der Investigativ-Plattform Bellingcat, hat Kontakte in den Kreml und zu russischen Geheimdiensten. Doch gute Chancen rechnet Politico dem Söldner-Führer nicht aus: Nur ein Kreml-Punkt bekommt er. Dafür sprengt er die Grusel-Skala: sechs nukleare Punkte. (tvd)
Rubriklistenbild: © Sergei Karpukhin/AFP