Sahra Wagenknecht hält bei „hart aber fair“ an ihrer Meinung zum Ukraine-Krieg fest – und relativiert sogar Vergewaltigungen. Die Grünen sind entsetzt.
Berlin – Am Wochenende hatte Sahra Wagenknecht zu ihrer „Friedensdemo“ aufgerufen, um die Menschen in Deutschland für die Ablehnung der Waffenlieferungen in die Ukraine zu sensibilisieren. Doch im ARD-Talk „hart aber fair“ zeigt Grünen-Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) keinerlei Verständnis für diesen Appell. Die Ukraine müsse ihrer Meinung nach davor bewahrt werden, von Russland vernichtet zu werden – und dies könne nur über Waffenlieferungen gewährleistet werden. Doch so einfach ist es nicht. In der Sendung am Montagabend kochten die Emotionen hoch.
Journalist Heribert Prantl kritisiert gleich zu Beginn Göring-Eckardt und ihre Genossinnen für ihren Standpunkt – weil die Grünen anscheinend nicht mehr die Friedenspartei seien, die sie einst waren. Sie würden zu wenig über Verhandlungen im Ukraine-Krieg sprechen. Prantl betont zudem, dass Waffenlieferungen keine Gespräche mit den Russen ausschließen müssen. Er missbilligt es, als „Putin-Freund“ abgestempelt zu werden, nur weil er eine abweichende Meinung im Ukraine-Krieg befürwortet.
Hart aber fair: Im ARD-Talk verteidigt Wagenknecht ihr Manifest – und sorgt für neuen Eklat
Eine kontroverse Meinung vertraten auch die Menschen, die auf den „Friedensdemos“ zu finden waren. Moderator Louis Klamroth war auf einer dieser Demonstrationen und wurde dort als Vertreter der Presse von Teilnehmern teils heftig beleidigt, wie Ausschnitte belegen. Wagenknecht verteidigt diese Menschen am Montag, die die in ihren Augen zu einseitige Berichterstattung zu Recht anprangern. Darüber hinaus seien einzelne Teilnehmer nicht repräsentativ genug, um über die gesamte Demo zu urteilen.
Die gebürtige Thüringerin, die zusammen mit Frauenrechtlerin Alice Schwarzer auch ein umstrittenes Manifest veröffentlicht hat, erklärte anschließend, dass sie die Waffenlieferungen ablehne, da die Ukraine diesen Krieg nur durch größte Anstrengungen der Nato gewinnen könne, was von Göring-Göring-Eckardt mit ablehnenden Zwischenrufen quittiert wird. Es sollte nicht der letzte Zusammenstoß der beiden Frauen an diesem Abend sein.
„hart aber fair“ - das waren die Gäste am 27. Februar
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Politikerin (FDP)
Sahra Wagenknecht, Politikerin (Die Linke)
Katrin Göring-Eckardt, Politikerin (B‘90/Die Grünen)
Ukraine-Krieg: Befehlshaber wirbt im Gegensatz zu Wagenknecht für weitere Waffenlieferung
Der Moderator schaltet danach zu Oberleutnant Sergij Osatschuk, um die Entschlossenheit der ukrainischen Streitkräfte zu verdeutlichen. Der Soldat bedankt sich zunächst für die rege Diskussion über die Schicksale seiner Landsleute. Er verweist allerdings darauf, dass diese Debatten bei der UN mehr Früchte tragen würden. Dort könnten beispielsweise die anwesenden Russen nach ihren Kriegszielen gefragt werden.
Osatschuk berichtet außerdem, warum die Ukrainer – anders als von Wagenknecht gefordert – ihr Land nicht kampflos hergeben: „Wir möchten in Würde und Freiheit leben.“ Nach den verheerenden Bombenangriffen der Russen denke sowieso niemand an eine Kapitulation. „Wir haben kein Zurück“, führt der Oberleutnant den Zuschauenden vor Augen.
Ende des Krieges in Sicht? Die Ukraine lehnt Verhandlungen mit Russland weiter ab
Angesprochen auf Wagenknechts Wunsch nach Verhandlungen, teilt Osatschuk den Wunsch nach einem schnellen Frieden. Gleichzeitig untermauert er den immensen Wert der westlichen Waffenlieferungen, da sein Volk ohne sie noch schneller in die Hände der Aggressoren fallen würde und noch viel mehr Grausamkeiten ertragen müsste.
Ernsthafte Friedensgespräche wird es laut Osatschuk erst geben, wenn sich kein Russe mehr auf ukrainischem Territorium befinde. Für das Erreichen dieses Ziels bittet er Deutschland um weitere Unterstützung.
Für Frieden im Ukraine-Russland-Krieg: Muss die Nato Streitkräfte in der Ukraine stationieren?
Göring-Eckardt ist indes nicht von der Ausdauer der Ukrainer überrascht worden, da sie die Menschen bei ihren Besuchen vor Ort kennengelernt hat und um ihre Opfer weiß. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages erinnert etwa an die zirka 16.000 Kinder, die von russischen Soldaten verschleppt wurden. Nach solchen Grausamkeiten komme ein Waffenstillstand nur infrage, wenn Putin seine Truppen vollständig aus der Ukraine zurückziehe.
Klamroth nimmt noch einmal Bezug auf das Gespräch mit Sergij Osatschuk und fragt Wagenknecht, ob sie die Aufopferung der ukrainischen Armee für sinnlos halte. Die Angesprochene habe Verständnis für den Friedenswunsch der kämpfenden Soldaten, halte ihn aber für militärisch nicht realisierbar. Putin würde ihrer Meinung nach nur auf ein Verhandlungsangebot reagieren.
Bilder des Ukraine-Kriegs: Großes Grauen und kleine Momente des Glücks
Obwohl die Fronten zwischen den Kriegsparteien verhärtet sind, wartet Politikwissenschaftler Herfried Münkler mit einer Lösung auf. Er glaubt, dass die Ukraine zu Eingeständnissen bereit wäre, wenn die Nato ihrerseits Sicherheitsgarantien ausspräche. Der Westen müsste somit eigene Truppen auf ukrainischem Boden stationieren und das Gebiet im Ernstfall verteidigen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Putin zuvor schon als „Massenmörder“ und „Terrorist“ betitelt hat, räumt schließlich mit der Illusion auf, dass man mit dem russischen Machthaber verhandeln könne. Ein Waffenstillstand führe nach Aussage der FDP-Politikerin obendrein zu einer erhöhten Alarmbereitschaft in Ländern wie Moldau, die nach Russlands Regeneration mit einem Angriff rechnen müssten.
Vergewaltigung im Ukraine-Krieg: Wagenknecht relativiert sexuelle Gewalt in der Ukraine
Zum Abschluss der Sendung wird das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung ein weiteres Mal in den Fokus gerückt. In einem Einspieler schildert eine ältere Frau, wie sie von einem russischen Soldaten vergewaltigt wurde. Strack-Zimmermann kann sich anschließend einen Kommentar in Richtung Wagenknecht nicht verkneifen. „Ich hoffe, dass Frau Schwarzer diesen Beitrag gesehen hat“, keift die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.
Wagenknecht relativiert die sexuellen Übergriffe in der Ukraine daraufhin, weil diese Verbrechen in jedem Krieg an der Tagesordnung stehen würden. So nennt Wagenknecht die Vergewaltigungen „Übergriffe“ – bis Göring-Eckhardt dazwischen grätscht: „Das ist Gewalt, kein Übergriff – das ist furchtbar!“ Doch Wagenknecht zeigt sich ungerührt. Ihr Urteil zum Einspieler: „Das ist doch Teil des Krieges. Kriege sind immer mit Kriegsverbrechen verbunden. Die UN-Menschenrechtskommissarin hat immer wieder darauf hingewiesen – auch in diesem Krieg. Kriegsverbrechen werden immer von beiden Seiten begangen.“
„Teil des Krieges“: Katrin Göring-Eckardt ist über Wagenknecht-Aussage zu Vergewaltigung empört
Dann fällt Göring-Eckardt der Linken-Politikerin in der Debatte um Vergewaltigungen erneut ins Wort. „Wie empathielos kann man sein?“, fragt die Grünen-Politikerin und schlägt die Hände vors Gesicht.
Prantl bestätigt, dass die Ukraine durch gezielte Vergewaltigungen demoralisiert werden soll. Russland setze diese Verbrechen gezielt als Waffe ein. Dennoch ist Prantl nach wie vor gegen Waffenlieferungen, um „diese Grausamkeiten zu beenden“. Er fordere zudem, Putin für die Kriegsverbrechen anzuklagen, auch wenn er weiß, dass dieser Schritt lediglich Symbolwirkung haben würde.
„hart aber fair“ – Das Fazit der Sendung
Die Diskussion drehte sich weitestgehend im Kreis, zu einer wirklichen Erkenntnisgewinnung kam es nicht. Den Zuschauenden wurde lediglich der Horror des Krieges abermals vor Augen geführt. Ferner stellte Sahra Wagenknecht unter Beweis, wie wenig sie trotz zahlreicher Gegenargumente und der Schilderungen der Opfer von ihrer kontroversen Meinung abweicht, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. (Kevin Richau)
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