Talkrunde im ZDF
Ukraine-Krieg: CDU-Mann warnt bei „Lanz“ – „Dürfen nicht blauäugig sein“
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Im ZDF-Talk von Markus Lanz geht es um Wladimir Putins Krieg - und die Entscheidung der Ampel-Koalition, Gepard-Panzer in die Ukraine zu liefern.
Hamburg – Dass Deutschland sich bald aus der Abhängigkeit russischer Rohstoffe befreien möchte, begrüßt der Politiker Roderich Kiesewetter (CDU) am Dienstagabend zu Gast bei „Markus Lanz“. Angesichts der enormen Summen, die durch den Rohstoffhandel zustande kommen, konstatiert der ehemalige Bundeswehr-General: „Sie können sich diesen Krieg leisten und wir finanzieren ihn.“
CDU-Mann Kiesewetter bei „Markus Lanz“: „Bei Nord Stream 2 haben sich unsere Wirtschaftspolitiker gegen die Sicherheitspolitiker durchgesetzt“
Weil die Ampel-Koalition sich bei der Genehmigung schwerer Waffenlieferungen offenbar schwertue, berichtet die Journalistin Olivia Kortas von der Stimmung in Polen, wo vier von fünf Bürgern sich vor einem Angriff Russlands fürchten würden. Talkmaster Markus Lanz weiß: „Und die Hälfte von ihnen glaubt, im Falle eines Angriffs würde Deutschland ihnen nicht helfen.“ Kortas bestätigt das, auch die Wahrnehmung der Gefahr, die von Russland ausgehe, sei auf den Straßen Warschaus ein wichtigeres Thema als in Berlin.
Gastgeber Lanz überlegt: Wie lange braucht eine Rakete von Kaliningrad nach Berlin? „Drei Minuten“, weiß Kiesewetter, nach Hamburg seien es vier, nach Paris sieben Minuten. Dass darüber hinaus das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 von den bisherigen Regierungen nicht als Sicherheitsrisiko anerkannt worden sei, sondern sich stattdessen „unsere Wirtschaftspolitiker durchgesetzt“ hätten, kritisiert Kiesewetter im Rückblick. Die Teile seiner Fraktion, die das Projekt kritisch gesehen hätten, seien in der Minderheit gewesen, weshalb jahrelang die Mehrheitsentscheidung mitgetragen worden sei.
„Lanz“: Ampel denkt bei Waffenlieferungen um – Kiesewetter kritisiert „dass es erst eines Krieges bedarf“
Dass Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) die Entscheidung ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD) nicht rückgängig gemacht habe, rechtfertigt Kiesewetter mit der Vertragstreue Deutschlands. An die Redlichkeit Wladimir Putins zu glauben, sei jedoch ein Fehler gewesen, befindet das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Auch der Minsker Prozess sei im Nachgang zu kritisieren: „Es war in Ordnung, das war hilfreich. Aber wir waren zu schwach. Wir haben keine Hard Power gezeigt.“ Statt einzig auf Diplomatie zu setzen, hätte Deutschland militärisch vorsorgen müssen, um von Putin ernst genommen zu werden.
Der Moderator stellt bissig fest, dass die Union 16 Jahre lang die Verteidigungsminister gestellt und dennoch nicht genug unternommen habe. Kiesewetter erkennt das an, doch man habe sich immer auch nach dem Koalitionspartner richten müssen, der unter dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gegen die Lieferung bewaffneter Drohnen und das Nato-Zweiprozent-Ziel agiert habe. Es sei zwar erfreulich, dass diejenigen, die eine solche Unterstützung der Ukraine zuvor abgelehnt haben, jetzt umdenken, doch „dass es erst eines Krieges bedarf und die warnenden Stimmen nicht gezählt haben, das berührt mich sehr“.
Deutschland schickt Gepard-Panzer in die Ukraine – „Lanz“-Runde kritisiert das Tempo
Kiesewetter fragt sich im Anschluss, woher der Stimmungswechsel der Regierung stamme, bis Jahresende bis zu 50 Gepard-Panzer an die Ukraine zu liefern, obwohl Leopard-I- und Marder-Panzer einfacher zu bedienen und weniger aufwendig seien. Er vermutet, dass die Bundesregierung davon ausgehe, der Krieg halte noch länger an: „Sonst würden sie keine Waffensysteme liefern, die erst Ende des Jahres verfügbar sind.“ Aus Kiesewetters Sicht hätte diese Entscheidung bereits vor sechs Wochen erfolgen müssen.
Um perspektivisch wieder in eine friedliche Beziehung mit Russland treten zu können, meint Kiesewetter, sei es notwendig, dass der Westen Forderungen Richtung Putin artikuliere. Die Ukraine habe Russland gegenüber bereits große Zugeständnisse gemacht, auf die Russland nicht eingegangen sei. Die Vereinten Nationen, die Türkei und die Europäische Union müssten Russland „mit aller Macht“ an den Verhandlungstisch bringen und den Abzug russischer Truppen aus Transnistrien, Georgien und Kaliningrad fordern: „Wenn ein Teil davon erfüllt wird und Russland aus der Ukraine abzieht, dann kann man mit Russland auch wieder über Abrüstung und Rüstungskontrolle reden. Wir dürfen nicht blauäugig sein. Russland will die Ukraine zu Fall bringen.“
„Markus Lanz“ zum Thema Ukraine-Krieg - das waren seine Gäste am 26. April:
- Roderich Kiesewetter (CDU) – Politiker
- Kristina Dunz – Journalistin
- Olivia Kortas – Journalistin
- Ulf Röller – Journalist
Dass Bundeskanzler Scholz in einem Spiegel-Interview davon gesprochen habe, er versuche derzeit, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern, erklärt sich die Journalistin Kristina Dunz damit, dass der Kanzler diese Drohung in einem Telefonat mit Putin gehört haben müsse, um sich zu einer solch drastischen Aussage hinreißen zu lassen. Kieswetter hält die Lieferung schwerer Waffen für alternativlos, denn Putins Ziel sei nicht, einen Nato-Beitritt der Ukraine zu verhindern, sondern die Ukraine als Staat aufzulösen. Das dürfe auf keinen Fall passieren, warnt Kiesewetter: „Wenn wir keine Waffen liefern, dann passiert das. Dann sieht Putin den Erfolg und es folgt als nächstes Moldau.“
Dieser Prozess beginne bereits, wirft Talkmaster Lanz ein, in Transnistrien etwa. Kiesewetter will außerdem von einem Brief wissen, in dem Russland die baltischen Staaten als ehemalige Sowjetstaaten zu einem Austritt aus der Nato auffordere. In Anbetracht dieser Entwicklungen müsse es oberste Priorität haben, der Ukraine beim Bestehen im Krieg zu helfen. Selbst der Einsatz westlicher Soldaten wäre in der Ukraine entsprechend Artikel 51 der UN-Charta zulässig, sagt Kiesewetter, „wenn die Ukraine uns dazu einlädt, ist es völkerrechtlich zulässig“. Aus Sorge vor einer nuklearen Eskalation verzichte der Westen jedoch auf diese Option und verhalte sich in puncto Waffenlieferungen vorsichtig.
China-Korrespondent Röller berichtet bei „Lanz“: „Man sieht Amerika als den Urfeind“
Gegen Ende der Sendung weitet die „Markus Lanz“-Runde ihren Blick Richtung China und holt den per Video zugeschalteten Pekinger Korrespondent Ulf Röller in die Diskussion. Dieser teilt mit, dass in den chinesischen Hauptnachrichten der Krieg in der Ukraine zwar erwähnt werde, der rhetorische Schulterschluss mit Russland aber bestehen bleibe. Besorgniserregend sei der Ton in der chinesischen Berichterstattung, „die Amerika als den Urfeind der ganzen Sache sieht“. Viele Chinesen seien der Meinung, wenn Russland „falle“, werde China als nächstes angegriffen.
Peking sei derzeit jedoch vor allem innenpolitisch gefordert, denn das Land werde von der Omikron-Variante des Coronavirus aktuell „überrollt“. Die No-Covid-Strategie scheitere in China derzeit, dass in Shanghai „der Hafen der Welt“ stillstehe, bekomme auch die Weltwirtschaft zu spüren. Der Nationalstolz Chinas sei so stark, dass Peking die vom Westen angebotene Hilfe von Biontech-Impfstoffen nicht annehmen würde: „Vor allem, nachdem Xi Jinping gesagt hat: Diese Covid-Strategie ist Zeichen der Überlegenheit unseres Systems.“
„Markus Lanz“ (ZDF) vom 26. April 2022 - Das Fazit der Sendung
Die „Markus Lanz“-Runde diskutiert am Dienstagabend (26. April) über den eskalierten Ukraine-Konflikt und seine Auswirkungen. Der CDU-Politiker Kiesewetter befürchtet dabei: „Putin wird alles tun, um den Krieg zu einem Ende zu bringen – bis hin zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen.“
Die Journalistin Dunz findet, dass man einer solchen Eskalation als Nato nicht tatenlos zusehen könne, doch Kiesewetter glaubt, genau das werde geschehen. Die Journalistin Kortas berichtet von den Ängsten der polnischen Bevölkerung, die Aggression Russlands könne sich ausweiten. Der Journalist Röller gibt zum Abschluss der Sendung seine Einschätzung zur Rolle Chinas im Ukraine-Krieg und berichtet über den Ausbruch der Omikron-Welle in China. (Hermann Racke)