Not auf dem Bau

Verzweifelte Häuslebauer: „Plötzlich haben sich die Kosten verdoppelt“

Ein Maurer steht auf einem Gerüst und zieht eine Hauswand hoch.
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Auf diese Steine können Sie vielleicht bauen.

Wer heute baut, braucht starke Nerven. Die Zinsen steigen, Fachkräfte gibts keine und Material fehlt auch. Wer es doch versucht, benötigt auch ein Quäntchen Glück – und finanziellen Puffer.

Köln – Dass Wladimir Putin die Ukraine am 24. Februar 2022 überfallen hat, kam für Burkhard und Manuela Frey gerade noch rechtzeitig. Hört sich makaber an, hat aber einen ganz praktischen Hintergrund. Frey und seine Frau bauen zu diesem Zeitpunkt ein Haus um und haben einen wichtigen Vertrag vorliegen – für eine Gasheizung. „Ein paar Tage später und wir hätten tatsächlich den größten Fehler unseres Lebens gemacht“, sagt Burkhard Frey. Wochen später wird eine Wärmepumpe eingebaut. Das ist zwar klimafreundlicher und umgeht die unsichere Gasversorgung. Aber das ist vor allem auch: viel teurer.

Der Vorgang aus einer mittelhessischen Kleinstadt in der Nähe von Gießen zeigt im Kleinen, was Häuslebauer im Großen gerade brauchen: Flexibilität, Rücklagen – und gute Nerven. „Wir haben zum Beispiel Stahl exakt dann gekauft, als der Preis auf dem Rekordhoch war. Jetzt würden wir ihn zum halben Preis bekommen“, erzählt Burkhard Frey. Alleine durch teurere Baumaterialien seien die Kosten um ein Drittel gestiegen. Stahl, Holz, Ziegel, Dämmstoffe – alles ist teurer geworden.

Dabei hatte sich das Ehepaar alles so schön ausgemalt. Ihre drei Kinder sind ausgezogen, letztes Jahr hat Burkhard Frey sein landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben. Und nur wenige Meter von ihrem aktuellen Wohnsitz entfernt steht das Haus, in dem Manuela Frey aufgewachsen ist – großer Garten, schöne Lage, ruhige Gegend. Das bauen sie nun für sich um. Ursprünglich wollten Freys 300.000 Euro in das Gebäude investieren. Eine Summe, die sich später verdoppeln soll. Teils, weil sie ihre Umbaupläne erweitern, vor allem aber, weil die Preise explodieren. 

„Bezahlbare Wohnungen zu bauen, ist aktuell unmöglich“

Das unterstreichen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. So verteuerte sich der Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude im November um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im Mai lag der Anstieg bei sogar 17,6 Prozent – so rasant stiegen die Preise seit 50 Jahren nicht mehr.

Ob Rohbau-, Beton-, Mauer-, Dachdeckungs- oder Dachabdichtungsarbeiten: In nahezu allen Bereichen fällt die Kostensteigerung zweistellig aus. „Bezahlbare Wohnungen in Deutschland zu bauen, ist aktuell unmöglich“, sagt Matthias zu Eicken vom Eigentümerverband „Haus und Grund“. Denn zu den teureren Rohstoffen würden weitere Kostentreiber kommen: Lieferkettenstörungen in Folge von Corona und Preissteigerung aus der Energiekrise. „Da haben niedrige Zinsen lange Zeit einen Ausgleich geschaffen, diese Zeiten sind nun auch vorbei“, so zu Eicken. Dabei sind sich Politiker über Parteigrenzen einig: Es müsste viel mehr gebaut werden.

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Fallende Immobilienpreise, steigende Zinsen

Die Kosten ihres Ruhesitzes finanzieren Freys aus verschiedenen Töpfen. Da ist zum einen das renovierungsbedürftige Haus, in dem sie jetzt wohnen und das sie verkaufen möchten. Das Problem: Die Häuserpreise fallen gerade. 380.000 Euro steht im Inserat – mehr Hoffnung als Realismus. „Vor einem Jahr hätten wir bestimmt zehn Prozent mehr bekommen. Ich bin froh, wenn wir es für 360.000 Euro verkaufen“, sagt Burkhard Frey.

Einen Teil der Kosten, insgesamt 175.000 Euro, haben Freys mit einem Kredit finanziert. So weit, so üblich. Nicht zu rechnen war jedoch mit der aktuellen Zinsentwicklung. Das trifft auch das Ehepaar, denn sie haben einen variablen Zinssatz vereinbart. Das bedeutet: Die Höhe orientiert sich am Leitzins. Und der kennt gerade nur eine Richtung: nach oben. „Wir zahlen 3,3 Prozent Zinsen. Zum Glück können wir unseren Kredit kostenlos ablösen. Wir haben nämlich keine Vorfälligkeitsentschädigung“, sagt Burkhard Frey. Man könnte also die Restschuld auf einmal tilgen. Eine Variable unterschlägt er in dieser Überlegung: Ihr Haus müsste erstmal verkauft werden. „Ein Nachbar hat sein Haus ebenfalls inseriert – in der aktuellen Krisenlage sind aber alle Interessenten abgesprungen“, räumt Frey selbst ein.

Handwerker fehlen: „Alleine wären wir völlig aufgeschmissen“

Gerade gibt es aber viel drängendere Probleme. Zum Beispiel: Handwerker finden. „Wir hatten großes Glück, dass unser Architekt gut vernetzt ist. Alleine wären wir völlig aufgeschmissen“, sagt Burkhard Frey. Was viele nicht auf dem Schirm haben dürften: Der schlechte Ist-Zustand ist auch ein zusätzliches Risiko für die Zukunft, warnt Bauexperte zu Eicken. „Es besteht die Gefahr, dass bei einem echten Stillstand im Wohnungsbau Fachkräfte abgebaut werden, die wir zukünftig zum Erreichen unserer Wohnungsbau- und auch Klimaschutzziele aber dringend benötigen.“

Apropos Klimaschutz. Bauen und Klima – da war doch was. Immerhin gehen rund 40 Prozent der weltweiten Co2-Emissionen auf das Bad-Bank-Konto des Bausektors. Auch deswegen haben Freys nicht neu gebaut, sondern ein bestehendes Haus energieeffizient umgebaut. Renovieren statt Neubau: Das fordern Umweltaktivisten schon länger.

So wohnt Deutschland: unsere Serie zu Wohnungsnot und Mietenwahnsinn

Gut bezahlter Job, unbefristete Anstellung: Beste Voraussetzungen, um eine schöne Wohnung zu finden? Nicht in Berlin, sagt der Mieterbund. Letzte Möglichkeit: Bestechung.

Deutschland ist ein Land der Mieter. Und das ist ein Problem. Denn die Mieten steigen unaufhaltsam. Was dagegen hilft: Eigentum. Zu teuer? Nein, sagt Michael Voigtländer. Der Staat soll mit Darlehen helfen.

Wohnen in Deutschland wird immer teurer. Die Politik setzt auf Neubau, Mietervertreter auf staatliche Eingriffe. Ein Experte sagt: Beides reicht nicht. Er hat eine andere, radikalere Idee.

Die Standardantwort auf Wohnungsnot heißt oft: Bauen, bauen, bauen. Doch der Bausektor ist ziemlich klimaschädlich. Ein Ausweg liegt in der sogenannten Kreislaufwirtschaft.

Überfällige Subventionen: „Bis jetzt habe ich noch keinen einzigen Cent erhalten“

Die strengen Energieauflagen goutiert Burkhard Frey. Aber: „Dann will ich die staatliche Förderung auch bekommen“, sagt er. „Bis jetzt habe ich noch keinen einzigen Cent erhalten.“ Subventionen in Höhe von 100.000 Euro seien überfällig. „Wir haben alles so gebaut, wie der staatlich vorgeschriebene Energieberater das angeregt hat: Von isolierten Haustüren, über wärmedichte Fenster bis Wärmepumpe und Solaranlage.“ Auf Dauer können das finanziell nur Menschen durchhalten, die Rücklagen besitzen. Freys haben sie. „Gott sei Dank – sonst wäre das Projekt längst gestorben“, sagt Burkhard Frey. „Ich höre immer mehr Geschichten, in denen Menschen ihre Bauplätze zurückgeben.“

Wann Freys tatsächlich umziehen können, steht in den Sternen. „Ich habe aufgehört, ein konkretes Datum zu nennen“, sagt Burkhard Frey. Jüngstes Beispiel: „Es fehlten Haken, um die Solaranlagen auf dem Dach zu befestigen. Die lagen wochenlang in irgendeinem Container in Shanghai.“ Ein Spezialteil aus China, das Zehntausende Kilometer entfernt eine Baustelle in Mittelhessen lahmlegt: 2023 in Deutschland zu bauen – das kann dauern.

Diese Zeit ist eigentlich nicht da.

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