In angespannter Lage

Chinas Militär als „große Mauer aus Stahl“: Brisante Ankündigung von Xi Jinping

Manöver Wostok
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An eine Mauer aus Stahl erinnert dieses Foto von einer chinesischen Militärübung

In der Rivalität mit den USA setzt Xi Jinping auf Innovation und ein starkes Militär: Sicherheit und Stabilität seien Voraussetzung für Entwicklung. Sein neuer Regierungschef gibt sich eher versöhnlich

Peking/München – Die Große Mauer ist in Chinas eine beliebte Metapher. Am heutigen Montag nutzte sie Staats- und Parteichef Xi Jinping höchstpersönlich. Er wolle das Militär zu einer „Großen Mauer aus Stahl“ ausbauen, kündigte Xi auf seiner Rede zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses an. Kurz zuvor hatten die knapp 3000 Delegierten wie erwartet die angekündigte Erhöhung des Verteidigungsbudgets um 7,2 Prozent abgenickt.

Das politische Peking steht immer mehr unter dem Eindruck wachsender Spannungen Chinas mit den USA. Auf eine verbale Konfrontation auf der großen Bühne aber verzichtete Xi dieses Mal trotzdem. So ging er nicht auf die zunehmenden Sanktionen Washingtons gegen sein Land etwa bei Chips und anderer Technologien ein. Stattdessen plädierte er allgemein dafür, Innovation und „wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit“ voranzutreiben.

Noch vor ein paar Tagen war Xi während der Tagung ungewohnt deutlich geworden: „Insbesondere die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas.“ Das bringe „nie dagewesene, schwere Herausforderungen für die Entwicklung Chinas mit sich“. Dieses Mal rief er angesichts „unsicherer Zeiten“ zu erhöhtem Sicherheitsbewusstsein auf: „Sicherheit ist das Fundament für Entwicklung, und Stabilität ist die Vorbedingung für Wohlstand.“ Schon seit Jahren integriert Xi schrittweise den Aspekt staatlicher Sicherheit in praktisch jedes Politikfeld, einschließlich der Wirtschaft.

Li Qiang: pragmatischer Xi-Loyalist ist neuer Premier

Xi hatte sich Ende vergangener Woche eine historische dritte Amtszeit gesichert und ist auf dem Zenit seiner Macht. Schon auf dem Parteitag im Oktober hatte er sich in der Spitze der Kommunisten mit Günstlingen umgeben. Auf dem Volkskongress nun baute er auch die Regierungsmannschaft – den so genannten Staatsrat – in seinem Sinne um. Die Regierung führt ab sofort als Ministerpräsident mit Li Qiang ein langjähriger Xi-Loyalist an. Auf einer früheren Karrierestation hatte Li dem heutigen Präsidenten als Stabschef gedient; seither sind beide eng verbunden.

Der Ministerpräsident ist traditionell für die Wirtschaftspolitik zuständig, und auf diesem Feld immerhin gilt Li Qiang als offen und pragmatisch. Das bestätigte seine erste, sorgfältig orchestrierte Pressekonferenz am Montag. Chinas Reformen und Öffnung hätten die Entwicklung des Landes ermöglicht, betonte Li Qiang dort. Das habe Auswirkungen auf die ganze Welt gehabt.

Die meisten ausländischen Unternehmen sehen die Aussichten in China optimistisch sehen, sagte Li und sicherte zu: „Unabhängig von äußeren Veränderungen werden wir unsere Öffnungspolitik unbeirrt fortsetzen.“ Er habe lange Zeit in Regionen mit florierender Privatwirtschaft gearbeitet und sei daher gut über die Probleme des Sektors informiert, erklärte der Ministerpräsident, der selbst aus Zhejiang stammt – der Küstenprovinz mit dem größten Anteil an Privatunternehmen. Diskussionen und Gerüchte, dass Peking private Unternehmer nicht unterstütze, seien „unangebracht“.

Li Qiang setzt auf wirtschaftliche Entwicklung

Was die Wirtschaft angeht, steht Li vor einer schwierigen Aufgabe. Die Ökonomie muss sich in diesem Jahr mühsam von den Folgen der Null-Covid-Politik und der auch in China spürbaren Energiekrise erholen. Es werde nicht einfach, die geplanten „rund fünf Prozent Wachstum“ zu erreichen, betonte Li. Die Aussichten für die Weltwirtschaft seien schwierig. „Das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren, ist eine herausfordernde Aufgabe, nicht nur für China, sondern für alle Länder in der Welt.“

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

Beim Blick auf die angespannten Beziehungen zu den USA schlug der neue Ministerpräsident eher versöhnliche Töne an. Die beiden größten Volkswirtschaften seien eng miteinander verbunden, wovon beide profitierten. „China und die USA können und müssen zusammenarbeiten“, so Li. Die Idee einer „Entkopplung“ sei nur ein Hype.

Xi Jinping: Herrscher auf Lebenszeit?

Der 63-jährige Li Qiang wird nun mindestens fünf Jahre regieren. Sein Chef Xi Jinping dagegen könnte dank einer von ihm selbst 2018 durchgedrückten Verfassungsänderung auf Lebenszeit im Amt bleiben, wenn er will. Er knüpft damit an den Staatsgründer Mao Zedong an. Doch gerade Chaos und Machtkämpfe, in die Mao in seinen späten Jahren das Land gestürzt hatte, waren eigentlich Anlass gewesen, die Amtszeiten der Staats- und Parteichefs auf zehn Jahre zu begrenzen. Xi tritt nun sein elftes Jahr als Präsident an.

Die Mao-Ära beleuchte gerade die Gefahren der „Überkonzentration von Macht in einem kommunistischen politischen System“, meinte Susan Shirk, China-Professorin der University of California und frühere Abteilungsleiterin im US-Außenministerium. „Wenn sich niemand mehr traut, die Entscheidungen des Anführers infrage zu stellen, neigt der Anführer dazu, Fehler zu machen – nicht nur kleine Fehler, sondern solche, die eine gesamte Gesellschaft in Gefahr bringen.“ Xi hatte in den vergangenen Jahren die gesamte Politik Chinas seinen ideologischen Zielen sowie der von ihm gepuschten Null-Covid-Politik untergeordnet. Erst im Dezember hob Peking die Corona-Maßnahmen auf. Die Weltöffentlichkeit wird daher genau darauf achten, ob sich die Regierung von Li Qiang gelegentlich ein Widerwort erlauben wird.  (ck/dpa)

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