Spannungen mit Washington

Taiwans Präsidentin plant USA-Besuch – China warnt: „Entschlossenheit des chinesischen Volkes nicht unterschätzen“

Eigentlich wollte US-Spitzenpolitiker Kevin McCarthy im Frühjahr nach Taiwan fliegen. Nun kommt es offenbar anders: Taiwans Präsidentin wird im April in den USA erwartet.

München/Taipeh/Washington – „China kann man nicht trauen – basta.“ Mit Tweets wie diesem macht Kevin McCarthy, republikanischer Sprecher des US-Repräsentantenhauses, regelmäßig deutlich, wie er zur Volksrepublik steht. China, das ist für den 58-Jährigen „eine der größten Bedrohungen für die Zukunft Amerikas“. McCarthy, der am 7. Februar nach 15 Durchgängen in sein Amt gewählt worden war, fordert deshalb, die Beziehungen zu Taiwan aufzuwerten.

China betrachtet den demokratisch regierten Inselstaat als Teil des eigenen Territoriums, die USA unterhalten zur Regierung in Taipeh nur informelle Beziehungen. Er wolle Taiwan besuchen, sagte der Republikaner bereits Ende Juli, also noch vor seiner Wahl. Nun wurde der Besuch offenbar abgesagt. Stattdessen, so schreibt die Financial Times, wolle Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in die USA reisen und dort mit McCarthy zusammentreffen.

Obwohl die Besuchspläne bislang nicht offiziell bestätigt wurden, zeigt sich Peking erzürnt. „China ist sehr besorgt über betreffende Informationen“, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Mittwoch. China habe die USA kontaktiert und um Aufklärung gebeten. Peking lehne „jede Form von offiziellen Kontakten zwischen den USA und Taiwan“ ab. „Niemand sollte jemals die feste Entschlossenheit, den unerschütterlichen Willen und die starke Fähigkeit der chinesischen Regierung und des chinesischen Volkes zur Verteidigung der Souveränität und territorialen Integrität unterschätzen“, so Mao.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wird das Land seit 2016 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Taiwan und China: „Es könnte sein, dass Peking noch irrationaler als in der Vergangenheit reagiert“

Laut Financial Times plant Präsidentin Tsai einen Zwischenstopp in New York und Kalifornien, bevor sie nach Lateinamerika weiterreist. In der Region liegen acht der insgesamt 14 Staaten, die mit Taiwan diplomatische Beziehungen unterhalten.

Dass Tsai McCarthy nun in den USA besucht und nicht umgekehrt, hat offenbar mit Chinas Reaktion auf die Taiwan-Reise von Nancy Pelosi im vergangenen Sommer zu tun. Die Vorgängerin von McCarthy war im August für eine Kurzvisite nach Taiwan geflogen und hatte eine Krise zwischen Peking, Taipeh und Washington ausgelöst. Peking begann unmittelbar nach Pelosis Besuch mit großangelegten Militärmanövern rund um Taiwan.

Im August war Nancy Pelosi (links) in Taipeh mit Tsai Ing-wen zusammengetroffen und hatte so eine Krise mit China ausgelöst.

„Es könnte sein, dass Peking noch irrationaler als in der Vergangenheit reagiert“, sagte ein hochrangiger taiwanischer Regierungsbeamter der Financial Times. Um die „damit verbundenen Risiken für alle besser einzudämmen“, wurde McCarthy offenbar überzeugt, seinen Besuch in Taiwan abzusagen. Man habe McCarthys Team mit „einigen Informationen darüber versorgt, was die Kommunistische Partei Chinas in letzter Zeit vorhat und welche Art von Bedrohung sie darstellt“, so der Regierungsbeamte. In einer Umfrage hatten sich im Februar 56 Prozent der Taiwaner für einen Besuch von McCarthy ausgesprochen.

China gibt sich versöhnlich gegenüber Taiwan – und kritisiert die USA scharf

Tsai Ing-wen hatte bereits 2018 und 2019 Zwischenstopps in den USA eingelegt. Spekuliert wird derzeit, dass die Präsidentin diesmal auch ihrer ehemaligen Universität, der Cornell University in New York, einen Besuch abstatten und dort eine Rede halten könnte. Beobachter fühlen sich deshalb an den USA-Besuch von Taiwans erstem frei gewählten Präsidenten Lee Teng-hui erinnert, der 1995 an der Cornell University ebenfalls eine Rede gehalten und so eine Krise zwischen China und den USA ausgelöst hatte. China feuerte damals als Reaktion mehrere Raketen in Richtung Taiwan ab. Ein halbes Jahr später, kurz vor Lees Wiederwahl, wurden weitere Raketentests in der Region durchgeführt. Daraufhin schickte die Clinton-Regierung mehrere Kriegsschiffe in die Taiwan-Straße.

Chinas scheidender Premierminister Li Keqiang schlug unlängst versöhnliche Töne in Richtung Taiwan an. Am Sonntag sagte Li bei der Eröffnung von Chinas Nationalem Volkskongress, der „Prozess der friedlichen Wiedervereinigung Chinas“ müsse vorangetrieben werden. Am Dienstag erklärte zudem der neue chinesische Außenminister Qin Gang: „Die beiden Seiten der Straße von Taiwan gehören zu einer Familie, die China heißt.“

Deutlich schärfere Worte waren aus Peking hingegen in Richtung USA zu vernehmen. Am Montag warf Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping den USA vor, eine „umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas“ zu verfolgen. Zudem warnte Außenminister Qin vor „katastrophalen Folgen“, sollten die USA nicht „auf die Bremse treten und weiterhin den falschen Weg beschreiten“.

Rubriklistenbild: © Imago/Wang Yu Ching

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