Letzter Auftritt des scheidenden Premiers Li Keqiang

Chinas Nationaler Volkskongress: Mehr Geld fürs Militär – und neuer Fokus auf der Wirtschaft

Radfahrer vor einem Werbevideo der Volksbefreiungsarmee an einem Gebäude in Peking
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Chinas Militär bekommt mehr Geld: Propgandavideo der Volksbefreiungsarmee in Peking (Archivbild)

China erhöht den Anteil der Verteidigungsausgaben weiter. Aufrüstung passt in Xi Jinpings Fokus auf Sicherheitspolitik. Ministerpräsident Li Keqiang kündigt zudem wirtschaftsfreundliche Maßnahmen an.

Peking/München – China wird sein Verteidigungsbudget in diesem Jahr um 7,2 Prozent erhöhen. Zugleich will Peking 2023 „etwa fünf Prozent“ Wirtschaftswachstum erreichen. Diese Zahlen verkündete der scheidende Ministerpräsident Li Keqiang am Sonntag in seiner Rede zum Auftakt des Nationalen Volkskongresses. Beide Zahlen sagen zusammengenommen einiges über China und seinen Blick auf die Zukunft aus. Noch nie lag der prozentuale Zuwachs des Verteidigungshaushaltes so weit über dem anvisierten Wirtschaftswachstum: 2,2 Prozentpunkte Unterschied sind es in diesem Jahr.

Generell werden Chinas Staatsausgaben laut Li um 5,7 Prozent seigen: Der Anteil der Verteidigungsausgaben wird also immer höher. Das zeigt, wie sehr Sicherheit und Verteidigung unter Staats- und Parteichef Xi Jinping alle anderen Themen ausstechen. Chinas Streitkräfte sollten „die militärische Ausbildung und das Training in allen Bereichen intensivieren, mehr Energie auf die Ausbildung unter Kampfbedingungen verwenden und die militärische Arbeit in allen Richtungen und Bereichen verstärken“, sagte Li Keqiang.

Chinas Militärausgaben steigen kräftig

Auch 2022 waren die Ausgaben fürs Militär um 7,1 Prozent gestiegen; die Modernisierung der Armee ist eines der Kernprojekte Xis. Die tatsächlichen Mittel für die Verteidigung liegen nach Ansicht von Experten deutlich höher als die von Li angekündigten 1,55 Billionen Yuan (211 Milliarden Euro) – wenn auch nach wie vor deutlich niedriger als jene der USA. Die Details des Militärhaushalts wird im Laufe der Woche der Verteidiungsminister vorstellen. Doch seit vielen Jahren ist klar, dass die militärische Modernisierung vor allem zwei Ziele hat: Die Volksbefreiungsarmee in die Lage zu versetzen, im Zweifelsfall Taiwan erobern zu können – und Chinas militärische Macht auf Augenhöhe zu den USA zu bringen.

Li bekräftigte, dass Peking entschlossene Schritte gegen die „Unabhängigkeit Taiwans“ und für die „Wiedervereinigung“ mit der als Teil der Volksrepublik beanspruchten Insel unternehmen werde. Doch einige Beobachter werteten seine Rede als vergleichsweise mild. So sprach er davon, „den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch und die Zusammenarbeit voranzutreiben.“ Und er empfahl, „Systeme und Politiken zu verbessern, die zum Wohlergehen unserer taiwanischen Landsleute beitragen.“ Anders als vor einem Jahr erwähnte er aber nicht, dass China „ausländische Einmischung“ in Taiwan ablehne. Ein Kurswechsel Pekings zu Taiwan ist allerdings unwahrscheinlich; der Volkskongress wird sich diese Woche auch noch mit der Taiwan-Frage befassen.

Li Keqiang: Chinas Verfechter von Wirtschaftsreformen tritt ab

Das Vermächtnis Li Keqiangs könnte eher die Rückkehr zu einer aktiveren Wirtschaftspolitik werden. Der Premier hatte während der Null-Covid-Politik immer wieder davor gewarnt, die Wirtschaft angesichts ständiger Lockdowns und Lieferkettenstörungen nicht allein zu lassen. Vor allem Chinas Privatwirtschaft litt extrem unter der Null-Covid-Politik. Die nun angekündigten fünf Prozent Wachstum sind zwar im historischen Vergleich gering – angesichts der Lage aber durchaus ambitioniert. In seiner Rede 2022 hatte Li 5,5 Prozent Wachstum angekündigt und damit das niedrigste Ziel seit drei Jahrzehnten. Doch China schaffte die Zielvorgabe nicht und verbuchte 2022 nur drei Prozent Wachstum.

Li kündigte an, China werde Eigenständigkeit in Wissenschaft und Technologie anstreben – und bestätigte damit eine der wichtigen Prioriäten Xis. Staatliche Ausgaben für die Grundlagenforschung sollen nach seinen Worten in den nächsten fünf Jahren verdoppelt werden. Zum Beispiel wolle Peking Mittel zur Unterstützung der Entwicklung von Chips und für andere industrielle Schlüsselsektoren 2023 um knapp 50 Prozent gegenüber 2022 steigen. Auch wird China laut Li aktive Schritte unternehmen, um dem transpazifischen Handelsabkommen Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) beizutreten, zu dem viele Staaten auf beiden Seiten des Pazifiks gehören, darunter Verbündete der USA wie Japan oder Australien.

China: Passen Wirtschaftsförderung und Xis Politik der Kontrolle zusammen?

Für Li Keqiang persönlich war seine Rede der letzte große Auftritt. Traditionell eröffnet Chinas Ministerpräsident mit seinem „Arbeitsbericht“ die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses, dessen knapp 3000 Delegierte nur ein einziges Mal im Jahr für rund zehn Tage zusammenkommen. Er wird nach der Plenarsitzung aus dem Amt scheiden, das wurde bereits im Oktober auf dem Parteitag der Kommunisten besiegelt. Formal tritt der 67-Jährige zwar aus Altersgründen ab. Doch Li gilt in Wirtschaftsfragen auch als vorsichtiger Kritiker Xi Jinpings. Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten wird am Ende des Kongresses voraussichtlich der frühere Parteichef der Wirtschaftsmetropole Shanghai, Li Qiang. Dieser gilt als wirtschaftlicher Pragmatiker, aber zugleich auch als ausgesprochener Xi-Loyalist.

Es bleibt die Frage, ob Xi wirtschaftliches Vertrauen – auch unter privaten und ausländischen Investoren – schaffen kann, wenn er zugleich wie angestrebt die Kontrolle der Kommunistischen Partei über das Land immer weiter ausbauen lässt. Am Ende der Plenartagung wird der Volkskongress die neue Regierung um den künftigen Premier Li Qiang ernennen, die praktisch allesamt Xi-Loyalisten sein werden. Auch werden die handverlesenen Delegierten Xi Jinpings historische dritte Amtszeit als Staatspräsident abnicken. Und sie werden einen Reformplan Xis durchwinken, der die politische Gestaltung weiter von den staatlichen Institutionen weg Richtung Kommunistischer Partei verschieben dürfte. Xi wird damit sein wichtigstes Ziel erreicht haben: Die Zementierung seiner Macht um weitere fünf Jahre. Was er daraus macht, werden wir erleben.

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