Kurz erklärt
Der neue Brexit-Deal im Detail: So sieht Johnsons Abkommen mit der EU aus
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Boris Johnson und die EU haben sich in der vergangenen Woche nach langem Ringen auf einen Brexit-Deal geeinigt. Doch wie sieht das neue Abkommen mit der EU aus? Eine kurze Erklärung.
London - In der vergangenen Woche schafften die Unterhändler Großbritanniens und der Europäischen Union die „Quadratur des Kreises“, wie Angela Merkel die Nordirland-Frage im Brexit zuvor genannt hatte. Boris Johnson und die EU konnten sich nach schier endlosem Tauziehen auf einen Brexit-Deal verständigen. Danach gab es gleich die nächste Schlappe für den britischen Premier: Das Unterhaus wollte den Deal nicht ratifizieren - noch nicht. Denn grundsätzlich will man dem Abkommen nun zustimmen. Schon am Montag könnte der neue Brexit-Deal beschlossen werden. Der Austritt an sich soll aber dennoch noch einmal nach hinten verschoben werden.
Video: Johnson will trotz Abstimmungsschlappe Brexit-Termin halten
Brexit-Abkommen im Detail: Was ist neu an Johnsons Deal?
Doch was hat sich nun geändert am Brexit-Deal, so dass alle Seiten zufrieden zu sein scheinen? Besonders der sogenannte Backstop, also die neue EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland, stand lange im Fokus der Debatte. Wir erklären in kurzen Stichpunkten die wichtigsten Brexit-Eckpfeiler im neuen Deal:
- Übergangsphase: In einer Übergangsphase nach dem Brexit bleibt Großbritannien im EU-Binnenmarkt und der Zollunion, um einen harten Schnitt für die Wirtschaft zu vermeiden. Dieser Zeitraum dauert bis zum 31. Dezember 2020 - kann aber einmal um bis zu zwei Jahre bis Ende 2022 verlängert werden. London muss solange weiter das EU-Regelwerk anerkennen und Mitgliedsbeiträge zahlen, ohne selbst noch Stimmrecht zu haben.
- Handelsabkommen: Beide Seiten wollen in der Übergangsphase ein großes Freihandelsabkommen aushandeln. Die EU stellt in einer neben dem Austrittsvertrag verabschiedeten "politischen Erklärung" zu den künftigen Beziehungen eine Vereinbarung "ohne Zölle und Quoten" in Aussicht. Sie fordert von London im Gegenzug "Garantien" für faire Wettbewerbsbedingungen. Die britische Regierung darf ihrerseits bereits "internationale Abkommen" mit Drittstaaten im Handelsbereich schließen, sofern diese erst nach der Übergangsphase in Kraft treten.
Brexit-Deal im Detail: So sieht die Nordirland-Lösung nun aus
- Backstop: Diesen Bereich hat Johnson mit der EU neu ausgehandelt. Die britische Provinz bleibt nun in einer Zollunion mit Großbritannien. Bei Gütern von außerhalb Europas, die auch in die EU gelangen könnten, müssen die britischen Behörden EU-Zölle erheben. Nordirland wendet zudem weiter Regeln des EU-Binnenmarktes an, um Grenzkontrollen zum EU-Mitglied Irland zu vermeiden. Dazu gehören Produkt- und Hygienestandards oder Vorgaben für Tier- und Lebensmittelkontrollen. Nordirlands Parlament darf alle vier Jahre entscheiden, ob es die Vereinbarung fortführt.
- Bürgerrechte: In Großbritannien leben gut drei Millionen Menschen aus anderen EU-Staaten, in der EU mehr als eine Million Briten. Sie haben das Recht zu bleiben, zu arbeiten oder zu studieren. Auch Ansprüche bei Krankenversicherung, Renten und sonstigen Sozialleistungen werden garantiert - selbst wenn die Bürger in ein anderes Land umziehen. Dasselbe gilt für Bürger, die während der Übergangsphase ankommen.
- Finanzverpflichtungen: Großbritannien muss alle Finanzverpflichtungen erfüllen, die es während seiner Mitgliedschaft eingegangen ist - auch wenn diese über das Austrittsdatum und die Übergangsphase hinausreichen. Eine genaue Summe ist noch nicht festgelegt, sondern nur eine Berechnungsmethode. Die britische Regierung schätzte die daraus resultierenden Verpflichtungen im vergangenen Jahr auf 35 bis 39 Milliarden Pfund (40,3 bis 44,9 Milliarden Euro).
- Gibraltar: Auf das britische Gebiet im Süden der iberischen Halbinsel erhebt auch Spanien Anspruch. In einem Protokoll des Austrittsvertrags wird geregelt, dass tausende Pendler aus Spanien weiter problemlos in Gibraltar arbeiten können - und wie mit Steuerfragen oder Fischereirechten umgegangen wird. London und Brüssel sichern zu, vor Vereinbarungen zu den künftigen Beziehungen, die das Gebiet betreffen, die Zustimmung Spaniens einzuholen.
- Atommüll: Mit dem Brexit tritt Großbritannien auch aus der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) aus. Dabei geht es neben der Versorgung von Kraftwerken und medizinischen Einrichtungen mit spaltbarem Material auch um die Zuständigkeit für Atommüll. Für ihn ist laut Vertrag das Land zuständig, in dem das Material erzeugt wurde.
- Geschützte Herkunftsbezeichnung: Die mehr als 3000 geografischen Herkunftsbezeichnungen der EU wie Parma-Schinken, Feta-Käse oder bayerisches Bier bleiben in Großbritannien weiter geschützt. Zur Anerkennung neu hinzukommender Bezeichnungen ist London aber nicht verpflichtet.
- Streitschlichtung: Kommt es zu Streitfällen über die Austrittsvereinbarung, entscheidet ein Schiedsgremium, dessen Beschlüsse bindend sind. Es kann dabei den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen und bei Verstößen Geldbußen verhängen. Hält sich eine Seite nicht an den Schiedsspruch, kann die andere je nach Verstoß Teile des Austrittsabkommens aussetzen.
rjs/AFP