Regierung Lula

Brasiliens Umweltministerin: Diese Frau will den Regenwald retten

Die Umweltministerin Marina Silva hat sich der Rettung der Regenwälder in Brasilien verschrieben.
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Die Umweltministerin Marina Silva hat sich der Rettung der Regenwälder in Brasilien verschrieben.

Marina Silva ist seit Anfang des Jahres Umweltministerin von Brasilien. Kann sie die fatale Bolsonaro-Politik rückgängig machen und die Abholzung der Regenwälder stoppen?

Leipzig/Brasília – Marina Silva kennt die Herausforderungen in der Amazonasregion. So gut wie kaum ein:e andere:r Spitzenpolitiker:in in Brasilien. Sie wuchs im abgelegenen und schwer erreichbaren Amazonas-Bundesstaat Acre auf. Viele der Probleme, die die Menschen in der Region bis heute umtreiben, hat sie am eigenen Leib erlebt. Ihre Familie waren arme Kautschukzapfer, Hunger gehörte zum Alltag, sie verlor Bekannte an Malaria. Der Sozialstaat reichte kaum bis in die abgelegene Region, erst mit 16 Jahren ging sie zur Schule und lernte lesen.

Schon ihr ganzes Leben kämpft Marina Silva unermüdlich für die Umwelt und die Menschen des Waldes. Nun ist die 64-Jährige unter der linksgerichteten Regierung von Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva Umweltministerin – und steht vor der sicherlich größten Herausforderung ihres Lebens.

Jair Bolsonaro hinterlässt in Brasilien fatale Bilanz

Unter der Vorgängerregierung des rechtsextremen Jair Bolsonaro ist die Abholzung im Amazonasgebiet um 60 Prozent gestiegen – und auch in Brasiliens Steppenlandschaft Cerrado hat er hauptsächlich Zerstörung hinterlassen. Für Sojaanbau und Rinderhaltung hat Brasiliens mächtige Agrarlobby jeden Tag riesige Flächen Regenwald dem Erdboden gleich gemacht. Die Wissenschaft warnt davor, dass die Fähigkeit des Amazonas CO₂ aufzunehmen kurz vor einem Kipppunkt steht.

Das ist nicht alles: Auch die Umweltschutzorgane des Landes sind in einem ähnlich desaströsen Zustand wie der Regenwald. Die Umweltschutzbehörde IBAMA war zuletzt beinahe handlungsunfähig. Durch die fehlende Kontrolle ist auch die organisierte Kriminalität in der Amazonasregion stark gestiegen. Welch verheerende Folgen das hat, zeigt die Situation der indigenen Yanomami. Aufgrund illegaler Bergarbeiten, verschmutzter Flüsse und fehlender Gesundheitsversorgung sind dort in den vergangenen Jahren mindestens 500 Kinder an Unterernährung gestorben.

Brasilien: Ambitionierte Kämpferin Marina Silva

Kann Umweltministerin Marina Silva diese riesigen Herausforderungen meistern und die für das Weltklima so wichtige Region retten? Einiges spricht dafür. Sie kennt die Arbeit im Umweltministerium, schon von 2003 bis 2008 hatte sie das Amt der Umweltministerin inne. In ihrer Amtszeit ging die Abholzung in Brasilien um 67 Prozent zurück.

Silva gilt als unerbittliche Kämpferin für den Schutz der Umwelt und der Menschen in den Regenwaldregionen. Und geriet darum in der Vergangenheit immer wieder in Konflikt mit der Regierung Lula, der sie vorwarf, ökonomische Interessen über soziale und ökologische zu stellen. Erst im Wahlkampf im vergangenen Jahr näherten sich die beiden wieder an. Silva machte ihre Unterstützung damals davon abhängig, dass Lula sein Klima- und Umweltprogramm nachschärfte.

Erklärtes Ziel von Marina Silva – aber auch der Regierung Lula – ist es, die Abholzung in der Amazonasregion ganz zu beenden. In den vergangenen Wochen sagte Silva immer wieder, dass sich Brasilien „zum Pariser Klimaabkommen bekennt“. Außerdem werde auf Maßnahmen gesetzt, die wirtschaftliche Entwicklung, die Bekämpfung von Ungleichheit und Klimaschutz miteinander verbinden würden. „Brasilien ist zurück, um eine führende Rolle im Klimaschutz zu spielen“, sagte sie in einem Interview.

Brasilien: Politische Herausforderungen für Silva

Einfach wird das alles aber nicht. Zwar steht Präsident Lula hinter ihr, aber der hat in der Vergangenheit auch immer wieder Wirtschaft über Klimaschutz gestellt. Expert:innen denken zwar, dass Lula inzwischen die Wichtigkeit von Klima- und Naturschutz verstanden hat. Aber es gibt Hinweise darauf, dass sein Engagement noch immer Grenzen hat.

So ließ er Anfang Februar einen Flugzeugträger mit Giftstoffen vor der Küste des Landes versenken. Sowohl Marina Silva als auch Umweltaktivist:innen hatten zuvor gegen das Vorhaben protestiert. Und selbst wenn Lula da Silva sich für den Amazonas einsetzt: Größere Entscheidungen müssen mit Unterstützung eines mehrheitlich konservativen Kongresses und Senats getroffen werden – da wird es noch schwieriger, konsequenten Klimaschutz durchzusetzen.

Brasilien: Klimaschutz gegen alle Widerstände

Marina Silva lässt sich von diesen widrigen Umständen nicht einschüchtern. Das zeigen die Personalentscheidungen, die sie in den vergangenen Wochen getroffen hat. So hat sie zum Beispiel die Stabsstelle Klimawandel mit Fokus Klimagerechtigkeit geschaffen. Ana Toni, Leiterin von einem von Brasiliens wichtigsten Klima-Thinktanks, dem Institut Klima und Gesellschaft, soll diese nun leiten.

Echte Expert:innen im brasilianischen Umweltministerium und anderen politischen Ämtern stehen im krassen Kontrast zu den Personalentscheidungen, die zuvor die Regierung Bolsonaro getroffen hatte: Dort erhielten vor allem Militärs und Evangelikale Verantwortung – auch wenn sie sich fachlich nicht auskannten und keinerlei politische Erfahrung hatten.

Brasilien: Von „Null-Abholzung“ im Amazonasgebiet ist auch Lula-Regierung noch weit entfernt

Mitte Februar gibt es bereits erste Anzeichen dafür, dass die Umweltpolitik von Marina Silva zu wirken beginnt. So läuft zum Beispiel eine große Aktion der Umweltschutzbehörde IBAMA, um illegale Bergarbeit aus dem Gebiet der indigenen Yanomami zu vertreiben: Maschinen und Material werden zerstört, die Bergarbeiter:innen vertrieben und verhaftet. Während der vier Jahre der Regierung Bolsonaro hatten die nahezu ungestört in geschützten Gebieten gearbeitet.

Anfang des Jahres hatte es noch so ausgesehen, als würde die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet zurückgehen. Eine Analyse der Satellitendaten des Nationalen Instituts für Weltraumforschung kam aber jetzt zu dem Schluss, dass im 2023 im Februar so viel Regenwald verloren ging, wie noch nie zu vor in einem Februar. Von dem Ziel „Null-Abholzung“ sind also auch die neue Regierung und Marina Silva noch weit entfernt.

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