Chinesisches Neujahrsfest

Ukraine-Krieg, Corona, Wirtschaft: So wird das Jahr des Hasen

Nach dem Tigerjahr beginnt in China nun das Jahr des Hasen. Experten erklären, was wir von den kommenden zwölf Monaten erwarten können.


  • Das chinesische Jahr des Hasen beginnt am Sonntag. Es soll Erholung vom aufrührenden Tigerjahr bringen — weniger Aufregung, dafür mehr Raum für kreative Ansätze.
  • Gemeinsam mit dem Element des Wassers könnte das Hasenjahr einen fließenden Übergang in ruhigere geopolitische Gefilde bereithalten.
  • Dieser Text liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 20. Januar 2023.

Peking – Ein turbulentes und konfliktreiches Jahr liegt hinter uns. Kein Wunder. Tiger gelten als aufbrausend, aggressiv und unberechenbar. Und genau so war das Tigerjahr 2022, mit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, Xi Jinpings Umschalten von Null- auf Full-Covid-Politik und den wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen in vielen Ländern der Welt.

Die gute Nachricht: Das nun anstehende Jahr des Hasen, das in der Nacht zu Sonntag begonnen hat, verspricht, entspannter zu werden. Denn das Zeichen des Hasen steht der chinesischen Astrologie zufolge für Frieden, Wohlstand und Langlebigkeit. Zu den Hasen-Geborenen gehören die Jahrgänge 1927, 1939, 1951, 1963, 1975, 1987, 1999 und 2011. Jedes der insgesamt zwölf Tierkreiszeichen ist zudem verbunden mit den Elementen Holz, Wasser, Erde, Feuer und Metall. Und weil 2023 ein Wasserjahr ist, verspricht das Jahr besonders fließend zu sein, also damit auch harmonisch und weniger abrupt. Das Jahr des Wasserhasen kommt also wie gerufen.

Nach dem harten Pandemiejahr, das die Menschen in China mit Verzögerung, aber umso massiver getroffen hat, sehnen sich viele Menschen nach genau diesen Eigenschaften. Wasser verkörpert in der chinesischen Astrologie Sensibilität und Flexibilität. Viele hoffen daher auf einen fließenden Übergang zurück in die Normalität.

Astrologe Raymond Lo: Im Jahr des Hasen stehen weniger offene Konflikte an

Weniger fließend war bisher die abrupte Änderung von der Zero- auf eine Full-Covid-Politik. Bei einer Öffnung in kleinen Schritten hätte sich jeder besser auf die Veränderungen einstellen können. Die gegenwärtige Führung scheint jedoch genau das Gegenteil zu praktizieren: Es wird nicht mehr getestet, Beschränkungen gibt es so gut wie keine mehr, auch keine Maskenpflicht. Das Virus kann sich ausgerechnet am Frühlingsfest hemmungslos ausbreiten. Aber wer weiß, vielleicht besinnt die Führung sich im Laufe der Neujahrsfeiertage und geht die Öffnung etwas behutsamer an. Zumindest verlässlichere Infektionszahlen würden schon helfen.

Was die Geopolitik betrifft, erwartet der Hongkonger Astrologe Raymond Lo, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine abflauen und es damit auch weniger Spannungen zwischen Ost und West geben wird. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass Konflikte und Kriege vollständig verschwinden werden“, betont der Astrologe. Vielmehr würden die Kämpfe mehr unterschwellig und im Geheimen geführt. Er meint damit Attentate, Staatsstreiche, Proteste und terroristische Aktivitäten. Lo verweist auf eines der berühmtesten Attentate der Geschichte: die Ermordung von Präsident John F. Kennedy im Jahr 1963. Auch das war ein Jahr des Wasserhasen.

In Shanghai stimmen sich Chinesen auf das Neujahrsfest ein.

Die Realität im Jahr des Hasen sieht rauer aus als das Horoskop

Wenig zuversichtlich blickt dagegen eine Mehrheit der Experten, die das China-Institut Merics in seinem jährlichen Ausblick befragt hat, auf das Hasenjahr. Immerhin 55 Prozent der Befragten rechnen mit einer Verschlechterung der Beziehungen der Volksrepublik zur EU und anderen westlichen Ländern, weil Peking im Ukraine-Krieg weiter Putin unterstützt. China und Russland werden demnach ihre Beziehungen vertiefen.

Und auch bei den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China werden deutliche Verschlechterungen erwartet. 81 Prozent der Befragten gaben an, pessimistisch bezüglich der Situation von in China tätigen EU-Bürgern und Bürgerinnen zu sein. Aber vielleicht ist das nur eine relative Betrachtung. Schlimmer als das Jahr 2022 ginge gar nicht, sagte EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke bei der Präsentation der Umfrage von Merics. Das Hasenjahr könne nur besser werden.

Anlegern rät Sameer Goel, Leiter der Makro-Strategie der Deutschen Bank für den asiatisch-pazifischen Raum, zu Ruhe und Geduld – typische Eigenschaften des Hasen –, um zum entscheidenden Moment agil zu sein. Er zitiert ein chinesisches Sprichwort: „Wer auf einem Tiger reitet, fürchtet sich, abzusteigen.“ Die Weltwirtschaft im zurückliegenden Jahr des Tigers sei sehr turbulent gewesen: die hohe Inflation, die die rascheste Straffung der Zinspolitik seit Jahrzehnten zur Folge hatte, die Geopolitik, die wiederum die Energie- und Rohstoffpreise auf Rekordhöhe trieb, und Chinas Null-Covid-Politik, die zeitweise die chinesische Wirtschaft lahm legte.

„Wir glauben, dass 2023 nach dem Bust- und Boom-Muster der letzten Jahre ein Jahr des Übergangs zu mehr Normalität sein wird“, sagt Finanzmarktanalyst Goel. „Nach der Volatilität des vergangenen Jahres werden wir Geduld brauchen, zusammen mit Agilität, um durch dieses Jahr des Übergangs zu navigieren.“

Die Geschichte der Volksrepublik China von 1949 bis heute

Am 1. Oktober 1949 ruft Mao Zedong in Peking die Volksrepublik China aus.
Am 1. Oktober 1949 ruft Mao Zedong in Peking die Volksrepublik China aus. Zuvor hatten sich Maos Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg gegen die Nationalisten durchgesetzt, die nach Taiwan geflohen waren. © Xinhua/Imago
Mit dem „Großen Sprung nach Vorne“ (1958-1961) sollte die Produktion vorangetrieben werden.
Eines der Hauptziele der neuen Regierung war die wirtschaftliche Entwicklung des verarmten Chinas. Mit dem „Großen Sprung nach Vorne“ (1958-1961) sollte die Produktion vorangetrieben werden. Doch Fehler in der Planung und Naturkatastrophen sorgen für eine Hungersnot, der 15 bis 55 Millionen Menschen zum Opfer fielen. © agefotostock/Imago
1959 kam es in Tibet zu einem Aufstand gegen die Besatzer.
Bereits kurz nach der Machtübernahme besetzte die chinesische Volksbefreiungsarmee das bis dahin faktisch unabhängige Tibet. 1959 kam es zu einem Aufstand gegen die Besatzer, woraufhin der Dalai Lama das Land verlassen musste. Heute lebt er im indischen Exil. © United Archives International/Imago
Von 1966 bis 1976 erschütterte die Kulturrevolution China.
Von 1966 bis 1976 erschütterte die Kulturrevolution China. Mit der Kampagne wollte Mao mit den Mitteln des Klassenkampfes die chinesische Gesellschaft von „konterrevolutionären“ Elementen befreien; zudem zementierte er seine Macht an der Spitze des Staates. Der Kulturrevolution fielen Hunderttausende Menschen zum Opfer. © Photos12/Imago
1972 besuchte mit Richard Nixon erstmals ein US-Präsident die Volksrepublik.
Anfang der 70er-Jahre öffnete sich China aber auch nach Westen. 1972 besuchte mit Richard Nixon erstmals ein US-Präsident die Volksrepublik. Im selben Jahr nahm Deutschland diplomatische Beziehungen mit Peking auf. © agefotostock/Imagao
Mao starb 1976. Nach einem parteiinternen Machtkampf setzte sich schließlich Deng Xiaoping als neuer Führer der Volksrepublik durch. Deng leitete die Geschicke Chinas bis zu seinem Tod im Jahr 1997.
Mao starb 1976. Nach einem parteiinternen Machtkampf setzte sich schließlich Deng Xiaoping als neuer Führer der Volksrepublik durch. Deng leitete die Geschicke Chinas bis zu seinem Tod im Jahr 1997. © imago stock&people
Deng Xiaoping trieb die Öffnung Chinas voran.
Deng Xiaoping trieb die Öffnung Chinas voran. Demokratische Reformen blieben aus, die Wirtschaft entwickelte sich allerdings rasant. Auch ausländische Unternehmen wie Volkswagen engagierten sich nun in China. © Sepp Spiegl/Imago
Im Frühjahr 1989 kam es in Peking zu Demonstrationen von Studenten, die Reformen und eine Demokratisierung Chinas forderten. In der Nacht auf den 4. Juni 1989 eskalierte die Lage, der Tiananmen-Platz im Herzen Pekings wurde geräumt, die Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen. Hunderte Menschen starben.
Im Frühjahr 1989 kam es in Peking zu Demonstrationen von Studenten, die Reformen und eine Demokratisierung Chinas forderten. In der Nacht auf den 4. Juni 1989 eskalierte die Lage, der Tiananmen-Platz im Herzen Pekings wurde geräumt, die Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen. Hunderte Menschen starben. © Jeff Widener/dpa
Am 1. Juli 1997 wurde Hongkong, die ehemalige britische Kronkolonie, an China zurückgegeben.
Am 1. Juli 1997 wurde Hongkong, die ehemalige britische Kronkolonie, an China zurückgegeben. Gouverneur Chris Patten erhielt die eingeholte britische Nationalflagge, die chinesische Flagge wurde gehisst.  © UPI Photo/Imago
Heute ist Shanghai das wirtschaftliche Zentrum des Landes, dort befindet sich auch der größte Hafen der Welt.
Chinas Wirtschaft entwickelte sich in den 90er-Jahren, vor allem aber ab dem Beitritt der Volksrepublik zur Welthandelsorganisation 2001, rasant. Heute ist Shanghai das wirtschaftliche Zentrum des Landes, dort befindet sich auch der größte Hafen der Welt. © Ivan Tykhyi/Panthermedia/Imago
Unter Xi Jinping, seit 2012 Parteichef und seit 2013 Staatspräsident, wird China immer autoritärer regiert.
Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs: Der Handel mit dem Westen brachte China keinen demokratischen Wandel - im Gegenteil. Unter Xi Jinping, seit 2012 Parteichef und seit 2013 Staatspräsident, wird China immer autoritärer regiert. Es entstand ein neuer Personenkult, der an die Mao-Ära erinnert. © imago stock&people
In der Provinz Xinjiang gingen die Behörden gegen die muslimischen Uiguren vor. Hunderttausende Menschen sollen dort in Umerziehungslagern eingesperrt sein.
China wurde immer mehr zum Polizei- und Überwachungsstaat. In Hongkong wurde die Demokratiebewegung brutal niedergeschlagen, in der Provinz Xinjiang gingen die Behörden gegen die muslimischen Uiguren vor. Hunderttausende Menschen sollen dort in Umerziehungslagern eingesperrt sein. © UPI Photo/Imago

Wasserhasen sind gut für konstruktiven Dialog

Vom zähnefletschenden Tiger zum flauschigen Wasserhasen — das könnte auch international den Gesellschaften vieler Länder guttun. Ein wenig Durchatmen ist angesagt. Das Jahr des Übergangs könnte auch gesamtgesellschaftliche Debatten wieder in ruhigere Gefilde bringen. Diskussionsstoff gab es im vergangenen Jahr genug. Hasen sind der Beschreibung der Tierkreiszeichen nach bekannt für emotionale Intelligenz, Einfühlsamkeit und Sensibilität. Mehr Empathie könnte beim Angehen der Probleme, die alle betreffen, durchaus nicht schaden.

Das Hasenjahr könnte so etwas wie ein Gaumenreiniger bei der Weinprobe werden. Eine Pause, unaufgeregt und mit genügend Raum für Kreativität. Auch wenn es naheliegt, im Hasenjahr viel Nachwuchs zu erwarten, ist das falsch. Geburtenstarke Jahrgänge sind Studien zufolge zumindest in Hongkong eher Drachenjahre. Der Trend der schrumpfenden Bevölkerungszahl wird also wohl auch nicht vom Wasserhasen aufgehalten werden. So sensibel der Hase auch ist, ihm wird ein Hang zur Über-Sensibilität nachgesagt. Um Konflikte zu vermeiden, hält er mit seiner echten Meinung gern hinter dem Berg — und lässt so im Tiefen vielleicht etwas brodeln.

Prominente Hasen: Von Kaiser bis Fußballstar

Ein prominenter Hase wünscht sich für 2023 wahrscheinlich definitiv weniger Aufregung: der US-Schauspieler Johnny Depp, geboren 1963. Er war im vergangenen Tigerjahr vor allem mit dem Prozess gegen seine Ex-Frau Amber Heard in den Schlagzeilen. Ebenfalls bekannte Hasen sind Brangelina: US-Schauspieler Brad Pitt wurde 1963 geboren, die Schauspielerin Angelina Jolie im Jahr 1975. Aber auch Genies wie Albert Einstein (1879) oder der Ballzauberer Lionel Messi (1987) sind im Jahr der mümmelnden Nagetiere auf die Welt gekommen.

Die Sängerin Madison Beer stammt aus dem Hasenjahr 1999. Der Youtuber Ryan Kaji ist einer der jüngsten Hasen. Er wurde 2011 geboren und ist wahrscheinlich vor allem Eltern bekannt: Mit dem Kanal „Ryans ToysReview“ wurde er mit Auspack- und Bewertungsvideos zu Spielsachen berühmt. Von chinesischen Berühmtheiten ist beispielsweise der Kaiser Qianlong (1711) ein Hase, zumdem auch der bekannte Geschäftsmann und Gründer von Soho China, Pan Shiyi (1963). Die Schauspielerin Wang Zi Wen ist ein Hase aus dem Jahr 1987. Schauspieler und Wushu-Kämpfer Jet Li ist ein Wasserhase aus dem Jahr 1963.

Möge der Wasserhase ein wenig Ruhe in die kommenden Monate bringen. Denn dem 2024 anstehenden Holzdrachen wird nachgesagt, eine neugierige und unersättliche Partybombe zu sein.

Dieser Text erschien am 20 Januar 2023 im China.Table Professional Briefing – im Zuge einer Kooperation steht es nun auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.

Rubriklistenbild: © Hector Retamal/afp

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