Interview

Kerstin Reckenthäler: „Wir würden Clubgeschichte schreiben“

Kerstin Reckenthäler leidet am Spielfeldrand mit. An diesem Samstag steht sie im Topspiel vor 60 intensiven Minuten.
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Kerstin Reckenthäler leidet am Spielfeldrand mit. An diesem Samstag steht sie im Topspiel vor 60 intensiven Minuten.

Trainerin Kerstin Reckenthäler verrät, warum sie ihren Vertrag bei Frauenhandball-Zweitligist HSV Solingen-Gräfrath verlängert hat.

Das Gespräch führte Thomas Rademacher

Kerstin Reckenthäler wird auch in der Saison 2023/24 den HSV Solingen-Gräfrath trainieren. Das gab der Verein am Freitagmorgen bekannt. Ihr zur Seite wird weiterhin Co-Trainerin Inga Lehnhoff stehen. Eine Formsache war die Entscheidung für Reckenthäler nicht. Zu Beginn der laufenden Saison dachte die 40-Jährige über ihren Rücktritt bei den Zweitliga-Handballerinnen nach.

Herzlichen Glückwunsch zur Vertragsverlängerung, Frau Reckenthäler. Oder sind diese Worte aufgrund Ihrer Doppelbelastung als Lehrerin und Trainerin falsch gewählt?

Reckenthäler: Nein, man kann es schon sagen, weil mir am Ende des Tages das, was ich mache, trotz der Belastung Spaß macht.

Sie hatten in der Vergangenheit mal erwähnt, dass Sie nicht wissen, wie lange Sie noch in dieser Form weitermachen können und wollen.

Reckenthäler: Das stimmt. Deshalb war es mir diesmal auch wichtig, mich nur für eine Saison mit Option auf eine weitere zu binden. Ich möchte mich in einem Jahr erneut bewusst zum Weitermachen entscheiden.

War Ihr Verbleib jetzt denn nur Formsache?

Reckenthäler: Das würde ich nicht sagen. Am Anfang der Saison gab es eine Phase, die schwierig war. Ich hatte das Gefühl, dass vieles nicht mehr so einfach von der Hand ging, und unsere Ergebnisse waren in diesen Wochen auch nicht richtig gut. Zwischendurch dachte ich sogar, dass ich auf gar keinen Fall weitermachen möchte, weil ich das Gefühl hatte, dass mein Privatleben dabei völlig auf der Strecke bleibt. Allerdings hatte ich dann viele Gespräche mit Spielerinnen, in denen ich gemerkt habe, dass sie den Weg mit mir weitergehen möchten. Sportlich ging es aufwärts, und ich habe mir bewusst auch mehr Zeit für Dinge abseits von Schule und Handball genommen. Das läuft ganz gut, auch wenn ich vor Spieltagen natürlich weiterhin extrem angespannt bin. Immerhin ist mir – wenn wir nicht gerade antreten müssen – der Sonntag inzwischen heilig.

Ungefähr so wie ihre Hunde?

Reckenthäler (lacht): Fast. Meine beiden französischen Bulldoggen sind so wie Kinder für mich. Mittags gehe ich immer eine Stunde mit ihnen spazieren und lasse dabei das Handy oft zu Hause. Auch das hilft beim Abschalten.

Die Hunde mögen aber auch Handball, oder?

Reckenthäler: Sie sind jedenfalls sehr gerngesehene Trainingsgäste und fast immer dabei.

Fünf Mal in der Woche sind Sie mit Ihrem Team in der Halle, dazu gibt es zwei Athletikeinheiten. Das Pensum ist also bereits immens. Würde sich das im Falle eines Erstliga-Aufstiegs ändern?

Reckenthäler: Ich denke, tatsächlich nicht – beziehungsweise zunächst nicht. Als ich vor viereinhalb Jahren beim HSV angefangen habe, gehörte es ja zum Konzept, den Trainingsaufwand und die athletische Ausbildung auszubauen. Das ist sicher Teil des Erfolgsrezeptes. Man könnte darüber nachdenken, morgens noch einmal in die Halle zu gehen. Aber es muss eben auch passen. Viele meiner Spielerinnen gehen noch einem normalen Beruf nach – irgendwann ist auch bei ihnen eine Grenze erreicht.

Was für Neuerungen gäbe es denn?

Reckenthäler: Ändern würde sich der Spiel-Rhythmus. Man tritt im Oberhaus auch kurz nach Weihnachten an, außerdem müssen wir wohl gegen international aktive Teams auch mal unter der Woche spielen. Dafür sind es zwei Mannschaften und damit insgesamt vier Begegnungen weniger als in der 2. Liga.

Wenn Sie an diesem Samstag (18.15 Uhr, Klingenhalle) das Spitzenspiel gegen die Füchse Berlin gewinnen, steht das Tor zur 1. Bundesliga ganz weit auf. Würden Sie sich über den Aufstieg freuen?

Reckenthäler: Zunächst mal haben wir danach noch sechs weitere Spiele. Und die Konkurrenz auch. Entschieden ist also noch nichts – weder bei Sieg noch Niederlage. Trotzdem ist das natürlich ein wichtiges und richtungsweisendes Match. Und ja, wenn wir nach dem letzten Spieltag ganz oben stehen, würden wir Clubgeschichte schreiben. Der Aufstieg wäre der Lohn für das Geleistete. Das ist ein toller Gedanke. Aber: In der 1. Liga müssten wir uns damit beschäftigen, Niederlagen einzustecken – womöglich sogar sehr viele. Und wir werden gegen die Topteams auch ein paar richtige Packungen bekommen. Trotzdem wäre es eine große Erfahrung, wenn mir auch der Gedanke, nicht wettbewerbsfähig zu sein, missfällt. Um die Frage zu beantworten: Meine Meinung dazu wechselt manchmal täglich.

Davon unabhängig wollen Sie nun aber unbedingt Erster werden?

Reckenthäler: Wenn wir am Ende auf dem dritten Platz stehen würden, wäre das zwar immer noch die erfolgreichste Zweitliga-Saison des HSV aller Zeiten, aber ich fände es auch traurig. Es würde bedeuten, dass wir unsere gute Ausgangsposition als Tabellenführer in der Endphase der Saison verspielen. Ich spreche für mich und die Mädels, wenn ich sage, dass wir es jetzt auch schaffen wollen. Dennoch könnten wir mit etwas Abstand wohl auch mit dem Nicht-Aufstieg umgehen, weil wir es als Verein längst nicht so forciert haben wie Frisch Auf Göppingen oder die Füchse Berlin.

Indiskrete Frage: Würde sich der Aufstieg auf dem Bankkonto bemerkbar machen?

Reckenthäler: Schön wäre es. Aber nein, es gibt keine Aufstiegsklausel. Mein Vertrag für die kommende Saison gilt ligaunabhängig.

Zur Person

Kerstin Reckenthäler übernahm den HSV im Oktober 2018 und schaffte im folgenden Sommer den Aufstieg in die 2. Liga. Sie lebt mit ihren zwei Hunden in Leverkusen, hat Reisen sowie Wandern für sich entdeckt und geht diesen Hobbys, wann immer es möglich ist, mit ihrem Freund zusammen nach.

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